Eröffnungsmesse zur Weltsynode in Rom: Die Predigt im Wortlaut
Wir feiern diese Eucharistie heute am liturgischen Gedenktag der heiligen Schutzengel und eröffnen damit wieder die Vollversammlung der Bischofssynode. Wenn wir auf das hören, wozu das Wort Gottes uns anregt, können wir drei Bilder als Ausgangspunkt für unsere Überlegungen nehmen: die Stimme, die Zuflucht und das Kind. Die Stimme, die Zuflucht und das Kind.
Erstens: Die Stimme. Auf dem Weg ins Gelobte Land rät Gott dem Volk, auf die „Stimme des Engels“ zu hören, den er gesandt hat (vgl. Ex 23,20-22). Es ist ein Bild, das uns sehr berührt, denn auch die Synode ist ein Weg, bei dem der Herr uns die Geschichte, die Träume und die Hoffnungen eines großen Volkes in die Hände legt: von Schwestern und Brüdern, die in der ganzen Welt verstreut sind, die vom gleichen Glauben beseelt sind, die vom gleichen Wunsch nach Heiligkeit angetrieben werden, damit wir mit ihnen und für sie versuchen zu verstehen, welchen Weg wir gehen müssen, um dorthin zu gelangen, wohin der Herr uns führen will. Wie aber können wir auf die „Stimme des Engels“ hören?
Ein Weg ist sicherlich der, sich mit Respekt und Aufmerksamkeit, im Gebet und im Licht des Wortes Gottes, all den Beiträgen zu nähern, die in diesen drei Jahren intensiver Arbeit, des Austauschs, der Aussprache und des geduldigen Bemühens um die Läuterung von Geist und Herz gesammelt wurden. Es geht darum, mit Hilfe des Heiligen Geistes die Stimmen zu hören und zu verstehen, d.h. die Ideen, Erwartungen und Vorschläge, um gemeinsam die Stimme Gottes zu erkennen, die zur Kirche spricht (vgl. Renato Corti, Quale prete?, Appunti inediti). Wie wir wiederholt in Erinnerung gerufen haben, ist unsere Versammlung keine parlamentarische Versammlung, sondern ein Ort des Zuhörens in Gemeinschaft, wo, wie der heilige Gregor der Große sagt, das, was der eine zu einem gewissen Teil in sich hat, der andere ganz besitzt, und wo, obwohl einige besondere Gaben haben, in der „Liebe des Geistes“ alles den Brüdern und Schwestern gehört (vgl. Homilien über die Evangelien, XXXIV).
Damit dies geschieht, gibt es eine Bedingung: dass wir uns von dem befreien, was in uns und unter uns die „Liebe des Geistes“ daran hindern kann, Harmonie in der Vielfalt zu schaffen. Diejenigen, die arrogant meinen und behaupten, das alleinige Recht zu haben, die Stimme des Herrn zu hören, sind dazu nicht in der Lage (vgl. Mk 9,38-39). Jedes Wort muss mit Dankbarkeit und mit Einfachheit aufgenommen werden, um ein Widerhall dessen zu werden, was Gott zum Wohl der Brüder und Schwestern gegeben hat (vgl. Mt 10,7-8). Konkret: Hüten wir uns davor, aus unseren Beiträgen zu verteidigende Positionen oder durchzusetzende Agenden zu machen, sondern bieten wir sie an als Gaben, die wir teilen wollen, auch mit der Bereitschaft, das Eigene zu opfern, wenn dies dazu dienen kann, gemeinsam etwas Neues nach Gottes Plan ins Leben zu rufen. Andernfalls enden wir in Dialogen zwischen Tauben, in denen jeder versucht, „Wasser auf die eigene Mühle zu leiten“, ohne auf die anderen und vor allem ohne auf die Stimme des Herrn zu hören.
Die Lösungen für die Probleme, vor denen wir stehen, haben nicht wir, sondern der Herr (vgl. Joh 14,6), und denken wir daran, dass man in der Wüste nicht scherzt: Wenn man nicht auf den Führer achtet und meint, sich selbst zu genügen, kann es geschehen, dass man verhungert und verdurstet und auch die anderen mit in den Abgrund reißt. Hören wir also auf die Stimme Gottes und seines Engels, wenn wir auf unserem Weg über Grenzen und Schwierigkeiten hinweg wirklich sicher vorankommen wollen (vgl. Ps 23,4).
Und damit kommen wir zum zweiten Bild: der Zuflucht. Das Symbol ist das der Flügel, die uns beschützen: »Unter seinen Schwingen findest du Zuflucht« (Ps 91,4). Flügel sind mächtige Instrumente, die mit ihren kraftvollen Bewegungen einen Körper vom Boden abheben lassen können. Doch obwohl sie so stark sind, können sie sich auch absenken und zusammenziehen, so dass sie zu einem Schutzschild und einem gemütlichen Nest für die Kleinen werden, die Wärme und Schutz brauchen.
Dies ist ein Symbol für das, was Gott für uns tut, aber auch ein Vorbild für uns, dem wir folgen sollten, besonders in dieser Zeit der Versammlung. Unter uns, liebe Brüder und Schwestern, gibt es viele starke, gut vorbereitete Menschen, die fähig sind, sich mit kraftvollen Gedankengängen und brillanten Einsichten emporzuschwingen. All dies ist ein Reichtum, der uns anspornt, uns antreibt, uns manchmal zwingt, offener zu denken und entschlossen voranzugehen, und der uns hilft, auch angesichts von Herausforderungen und Schwierigkeiten fest im Glauben zu bleiben. Ein offenes Herz, ein Herz im Dialog. Es ist nicht im Sinne des Herrn, ein Herz zu haben, dass in den eigenen Überzeugungen verschlossen bleibt: das ist nicht im Sinne des Herrn. Es ist ein Geschenk, sich zu öffnen. Es handelt sich um eine Gabe, die zu gegebener Zeit mit der Fähigkeit kombiniert werden muss, die Muskeln zu entspannen und sich niederzubeugen, um einander eine einladende Umarmung und einen Ort der Geborgenheit zu schenken: um, wie der heilige Paul VI. sagte, »ein Haus [...] von Brüdern, eine Werkstatt intensiver Tätigkeit, ein Zirkel glühender Spiritualität« zu sein (Ansprache an den Rat des Vorstands der Italienischen Bischofskonferenz, 9. Mai 1974).
Jeder wird sich hier frei fühlen, sich umso spontaner und freier zu äußern, je mehr er um sich herum die Gegenwart von Freunden wahrnimmt, die ihn gernhaben und respektieren, die ihn schätzen und dem zuhören wollen, was er zu sagen hat.
Und das ist für uns nicht nur eine Technik zur „Erleichterung“ - es stimmt, dass es bei der Synode diese Männer und Frauen gibt, die „erleichtern", aber sie tun das, um uns zu helfen, voranzukommen. Und das, was ich gesagt habe, ist nicht nur eine Technik zur Erleichterung des Dialogs oder eine Dynamik der Gruppenkommunikation: Annahme, Schutz und Fürsorge gehören in der Tat zum Wesen der Kirche. Umarmen, schützen und sich kümmern. Die Kirche ist von ihrer Berufung her ein gastfreundlicher Ort der Begegnung, wo »die kollegiale Liebe nach einer vollkommenen Harmonie verlangt, aus der ihre moralische Kraft, ihre geistliche Schönheit, ihre Vorbildlichkeit hervorgeht« (ebd.). Dieses Wort ist sehr wichtig: „Harmonie". Es gibt keine Mehrheit, keine Minderheiten. Es ist ein erster Schritt, vielleicht um weiter voran zu gehen: Das was zählt, das was grundlegend ist, ist die Harmonie, die Harmonie, die alleine der Heilige Geist schaffen kann. Er ist der Meister der Harmonie: der, der in der Lage ist, aus vielen Unterschieden, vielen verschiedenen Stimmen, eine einzige Stimme zu schaffen. Denken wir nur an den Pfingstmorgen, wie der Geist dort diese Harmonie in den Unterschieden geschaffen hat. Die Kirche braucht „friedliche und offene Orte“, die vor allem in den Herzen geschaffen werden müssen, wo sich jeder Mensch angenommen fühlt wie ein Kind in den Armen seiner Mutter (vgl. Jes 49,15; 66,13) und wie ein Kind, das an die Wange seines Vaters gehoben wird (vgl. Hos 11,4; Ps 103,13).
Und damit kommen wir zum dritten Bild: dem Kind. Im Evangelium stellt Jesus selbst es „in die Mitte“, er zeigt es den Jüngern und lädt sie ein, sich zu bekehren und klein zu werden wie dieses Kind. Sie hatten ihn gefragt, wer der Größte im Himmelreich sei: Er antwortet, indem er sie ermutigt, sich klein zu machen wie ein Kind. Aber nicht nur das: Er fügt hinzu, dass man ihn aufnimmt, wenn man ein Kind in seinem Namen aufnimmt (vgl. Mt 18,1-5).
Und für uns ist dieses Paradox grundlegend. Die Synode verlangt von uns angesichts ihrer Bedeutung in gewisser Weise, „groß“ zu sein – im Geist, im Herzen, in den Ansichten –, denn die zu behandelnden Themen sind „groß“ und nicht ganz leicht, und die Zusammenhänge, in denen sie stehen, sind weit und universell. Aber gerade deshalb dürfen wir den Blick nicht von dem Kind abwenden, das Jesus beständig in den Mittelpunkt unserer Zusammenkünfte und Arbeitskreise stellt, um uns daran zu erinnern, dass wir der uns anvertrauten Aufgabe nur dann „gewachsen“ sein werden, wenn wir uns herabbeugen, uns klein machen und uns einander demütig als solche annehmen. Der Größte in der Kirche ist der, der sich am tiefsten hinabbeugt.
Denken wir daran, dass Gott uns gerade dadurch, dass er sich klein macht, zeigt, »was wahre Größe ist, ja was es heißt, Gott zu sein« (). Es ist kein Zufall, dass Jesus sagt: »Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters« (Mt 18,10); dass sie also wie ein „Fernrohr“ der Liebe des Vaters sind.
Brüder und Schwestern, setzen wir nun diesen kirchlichen Weg fort und blicken wir dabei auf die Welt, denn die christliche Gemeinschaft steht immer im Dienst der Menschheit, um allen die Freude des Evangeliums zu verkünden. Wir brauchen das, besonders in dieser dramatischen Stunde unserer Geschichte, in der die Stürme des Krieges und die Feuer der Gewalt weiterhin ganze Völker und Nationen erschüttern.
Um auf die Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria die Gabe des Friedens zu erflehen, werde ich am kommenden Sonntag die Basilika Santa Maria Maggiore besuchen, wo ich den Rosenkranz beten und eine von Herzen kommende Bitte an die Jungfrau richten werde; ich bitte auch euch Mitglieder der Synode, dass ihr euch, wenn möglich, bei dieser Gelegenheit mir anschließt.
Und am darauffolgenden Tag, am 7. Oktober, bitte ich alle, einen Tag des Gebets und des Fastens für den Frieden in der Welt einzulegen.
Gehen wir gemeinsam. Hören wir auf den Herrn. Und lassen wir uns von der Brise des Heiligen Geistes leiten.
(vaticannews - skr)
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