Ein Fazit zur Papstreise: „Am Puls Asiens“
Pope: Was wird von dieser Asien-Reise in Erinnerung bleiben?
Preckel: Ich denke, bleibenden Eindruck wird bei den Menschen in der Region hinterlassen, dass Franziskus, der ja bald 88 Jahre alt ist, sich überhaupt auf diese lange, weite Reise aufgemacht hat. Er ist hergekommen, hat sich zugewandt und zugehört. Er ist ja immer wieder nach Asien gereist, das ihn fasziniert, und er scheut keine Mühen, um den Dialog mit dieser Weltregion als „Kultur der Begegnung“ weiterzuführen. In Indonesien hat er einen weiteren Schritt gemacht, um die Brüderlichkeit zwischen Islam und Christentum auszubauen.
In Osttimor wurde er richtig politisch und hat zur Aussöhnung mit Indonesien ermutigt. In Papua-Neuguinea wurde er im Hochland für ein paar Stunden zum Stammeshäuptling, das war so ein Sinnbild für eine wirkliche Begegnung mit dem Fremden, und der Papst war glücklich dabei, das war ganz Franziskus. Dann in Singapur, da ist er sozusagen auf den Spuren des Jesuiten Matteo Ricci gewandelt und hat sich an die Intelligenzia der Region, an ein hochentwickeltes Land der Region gewandt. Und da gab es auch so eine gewisse gemeinsame Schwingung mit Singapurs Politik, hatte man den Eindruck, etwa was den Wert der gesellschaftlichen Harmonie und der ökologischen Verantwortung betrifft. Das Thema Todesstrafe hat er allerdings ausgeklammert.
Weichen und Werte
Pope: Warum hat sich der Papst eigentlich genau das Land Singapur für seine letzte Reise-Etappe ausgesucht?
Preckel: Ein katholischer Kenner der Region sagte mir, er verstehe das als eine „neue Dimension der Evangelisierung“. Er bezog sich da auf die Tatsache, dass sich im reichen Singapur in gewisser Weise Geld und Geist die Hand reichen. In Singapur leben vorrangig Chinesen, also mit familiären und wirtschaftlichen Verbindungen in die Volksrepublik, neben anderen ethnischen Gruppen, es ist auch Drehscheibe und Vorbild für wirtschaftliche Entwicklung und Innovation in der ganzen Region.
Nur ein Beispiel: Der indische Premier war kürzlich da. Er wollte in Singapur Tipps zur Müllentsorgung und zur Halbleiter-Herstellung für die Digitalindustrie. Jetzt kann man fragen: was hat der Papst damit zu tun? Er geht dahin, wo Weichen gestellt werden, vielleicht nicht mit den gleichen Absichten wie Modi, aber doch am Puls Asiens. Er und die katholische Kirche Singapurs tragen nicht nur Impulse in den Bereich der Wirtschaft, sondern auch der Ökologie und Bildung, das sind in Asien Zukunftsthemen. In Singapur hat die Kirche entscheidend im Bildungsbereich mitgewirkt. Und sie bringt hier Werte wie Gemeinwohl übrigens im Verbund mit den anderen Religionen ein, die Ähnliches vertreten. Auch den internationalen Kontext hat der Papst in Singapur angesprochen, der durch Krieg zerrissen ist: da spiele Singapur mit seinem Multilateralismus und seiner Stabilität eine wichtige Rolle, hat Franziskus betont.
Nicht alles glänzt
Pope: Hat der Papst auch Probleme in Singapur angesprochen, oder ist der asiatische Stadtstaat, in dem Religionen und Kulturen friedlich zusammenleben, eine Art Traum?
Preckel: Singapur kann in vielerlei Hinsicht tatsächlich als Ideal gelten. Zum Beispiel bringt es von der Religion oder Ethnie her keine Probleme mit sich, wenn man in Singapur in der Minderheit ist, in Indonesien ist das zum Beispiel anders. In Singapur fühlen sich alle als Mosaiksteinchen innerhalb eines großen Bildes. Der Papst hat das in seiner Politrede hier „positive Inklusivität“ genannt. Man ist auch stolz auf dieses Miteinander, fühlt sich auch kosmopolitisch.
Andererseits gibt es natürlich auch Probleme verschiedener Art, die der Papst auch angesprochen hat. Denn an Reichtum und Rechten haben in Singapur doch nicht alle Menschen gleich Anteil. Unter den fast 40 Prozent ausländischen Arbeitskräften sind viele prekäre Gastarbeiter. Die buddeln in Baustellen und putzen Hochhausfenster, wenn nachts an der Marina Bay die Cocktailbars öffnen. Der Papst hat in Singapur gerechte Löhne für sie angemahnt, eine echte Inklusion und Beteiligung von Menschen am Rande, in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Wohnen. Einige dieser Arbeiter aus anderen Ländern fühlen sich in Singapur kulturell auch nicht richtig zugehörig. So sagte uns ein muslimischer Pakistani: Singapur ist ein Freund, der mir zu essen gibt, aber manchmal mache ich einfach die Augen zu, denn einige Dinge gefallen mir hier nicht. Er sagte, er würde lieber in Indonesien leben.
Handy aus, Herz an
Pope: Was hatte der Papst speziell der katholischen Kirche des Landes zu sagen und der jungen Bevölkerung?
Preckel: Die Begegnung mit Bischöfen und Kirchenvertretern fand ohne öffentliche Rede statt, ebenso wie das übliche Treffen mit den Jesuiten. Allerdings hat sich der Papst in seiner ersten Rede an Politik und Zivilgesellschaft auch zur Kirche geäußert und ihren Einsatz für Gesundheit und Bildung gewürdigt. Den jungen Leuten in Singapur hat er ans Herz gelegt, aus ihrer Komfortzone auszubrechen. Sie sollten sich nicht vom Medienkonsum versklaven lassen und sich auch nicht von einer „Diktatur der Angst“ bestimmen lassen, wohl im Blick auf die Zukunft. Er hat auf dieser Reise auch vor Gefahren der Künstlichen Intelligenz gewarnt. Er zielt da auf Gefahren der Automatisierung, die das menschliche Miteinander negativ beeinflussen. Lasst Herz und Kopf eingeschaltet, will er wohl sagen und er hat davor gewarnt, dass solche Technologien zum Ausschluss von Menschen statt zur Nähe von Menschen beitragen. Man sieht in Singapur ja tatsächlich überall KI, angefangen bei der Gesichtserkennung im Flughafen bis hin zu MacDonalds, wo einem teilweise Roboter das Essen bringen. Das ersetzt natürlich auch menschliche Arbeitskraft, was hier auch immer mehr zum Problem wird.
Pope: Wie wurde der Papst aufgenommen, welche Reaktionen gab es?
Preckel: Am Papstbesuch gab es ein religionsübergreifendes Interesse. Wo andere Religionen vielleicht vorher nicht viel über den Papst wussten, haben sie im Zuge der Visite einiges mitbekommen. Christen gibt es in Singapur ja nur etwa ein Fünftel, Katholiken noch viel weniger, aber es wurde allgemein verstanden, dass dieser religiöse Führer eine globale Bedeutung hat. Medial gab es lokal ein gewisses Interesse, wenn auch nicht überbordend, da interessierte dann doch eher die Formel Eins, die nächste Woche in Singapur stattfindet. Aber vor allem bei dem Jugendtreffen mit dem Papst diesen Freitag in der Schule, an dem verschiedene Religionen teilnahmen, dürfte Franziskus über Social Media schon eine gewisse Reichweite gehabt haben, die in die Region abgestrahlt ist.
(vatican news)
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