Wortlaut Angelus: Die Katechese von Papst Franziskus
Liebe Brüder und Schwestern, guten Sonntag!
Das Evangelium der heutigen Liturgie erzählt uns von zwei Wundern, die miteinander verbunden zu sein scheinen. Während Jesus zum Haus des Jaïrus, eines Synagogenvorstehers, geht, weil dessen kleine Tochter schwer erkrankt ist, berührt er auf dem Weg dorthin eine Frau, die an Blutfluss leidet, sein Gewand und er hält an, um sie zu heilen. In der Zwischenzeit wird verkündet, dass die Tochter des Jaïrus tot ist, aber Jesus bleibt nicht stehen, sondern geht zum Haus und in das Zimmer des Mädchens, nimmt sie bei der Hand, richtet sie auf und erweckt sie wieder zum Leben (Mk 5,21-43). Zwei Wunder. Eines der Heilung und eines der Auferstehung.
Diese beiden Heilungen werden in einer einzigen Episode erzählt. Beide geschehen durch Körperkontakt. Die Frau berührt das Gewand Jesu und Jesus nimmt das Mädchen bei der Hand. Warum ist diese ?Berührung” so wichtig? Weil diese beiden Frauen - die eine, weil sie blutet, und die andere, weil sie tot ist - als unrein gelten und es deshalb keinen Körperkontakt mit ihnen geben soll. Stattdessen lässt sich Jesus berühren und hat keine Angst zu berühren. Jesus lässt sich berühren und hat keine Angst zu berühren.
Noch vor der körperlichen Heilung stellt er ein religiöses Missverständnis in Frage, wonach Gott die Reinen auf der einen und die Unreinen auf der anderen Seite voneinander trennt. Gott macht jedoch diesen Unterschied nicht, denn wir sind alle seine Kinder, und Unreinheit kommt nicht von Nahrung, Krankheit oder gar vom Tod, sondern von einem unreinen Herz.
Lernen wir also folgendes: Angesichts der Leiden des Körpers und des Geistes, der Wunden der Seele, der Situationen, die uns erdrücken, und sogar hinsichtlich der Sünde hält Gott uns nicht auf Distanz, er schämt sich nicht für uns, er verurteilt uns nicht; im Gegenteil, er nähert sich, um sich berühren zu lassen und uns zu berühren, und er lässt uns immer vom Tod auferstehen. Er nimmt uns immer an der Hand und sagt: Tochter, Sohn, steh auf! (cfr Mk 5,41). ?Herr, ich bin ein Sünder - geh weiter. Ich habe mich für dich geopfert, um dich zu retten. Du Herr, bist aber kein Sünder - Nein, aber ich habe alle Sünden auf mich genommen, um dich zu retten." Das ist schön, oder?
Verankern wir dieses Bild, das Jesus uns gibt, in unseren Herzen: Gott ist einer, der dich an der Hand nimmt und aufrichtet, der sich von deinem Schmerz berühren lässt und dich berührt, um dich zu heilen und dir wieder Leben zu schenken. Er diskriminiert niemanden, weil er alle Menschen liebt.
Dann können wir uns fragen: Glauben wir, dass Gott so ist? Lassen wir uns vom Herrn berühren, von seinem Wort, von seiner Liebe? Treten wir in Beziehung zu unseren Brüdern und Schwestern und bieten ihnen eine helfende Hand, um wieder aufzustehen, oder halten wir Abstand und stempeln die Menschen nach unserem Geschmack und unseren Vorlieben ab? Wir stempeln die Menschen ab. Ich frage euch: Gott, der Herr Jesu, stempelt er die Menschen ab? Beantwortet euch diese Frage: Stempelt Gott die Menschen ab? Und ich, stempele ich die Menschen ab?
Brüder und Schwestern, schauen wir auf das Herz Gottes, denn wir brauchen eine Kirche und eine Gesellschaft, die niemanden ausgrenzt, die niemanden als ?unrein” behandelt, so dass jeder mit seiner eigenen Geschichte ohne Schubladendenken und Vorurteile aufgenommen und geliebt wird.
Beten wir zur Heiligen Jungfrau: Sie, die Mutter der Zärtlichkeit, möge für uns und für die ganze Welt Fürsprache einlegen.
(vatican news - vn)
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