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Papst Franziskus Papst Franziskus 

Franziskus: Ohne Zweistaatenlösung kein wahrer Frieden in Nahost

In einem ausführlichen Interview mit der italienischen Tageszeitung „La Stampa“ hat Papst Franziskus erneut seine Überzeugung bekräftigt, dass es für einen wahren Frieden im Heiligen Land die Zweistaatenlösung brauche. Überhaupt müssten die Waffen weltweit schweigen („Wir stehen am Rand des Abgrunds“), Krieg sei immer eine Niederlage, so das Kirchenoberhaupt. Mit Blick auf die Erklärung „Fiducia supplicans" verlieh er seiner Hoffnung Ausdruck, dass sich letztlich alle damit „anfreunden“ könnten.

Die Position des Heiligen Stuhls zur geopolitischen Situation im Heiligen Land hat sich auch nach den jüngsten Angriffen der Hamas auf Israel und dem darauffolgenden Krieg nicht geändert. Doch angesichts der zigtausend Toten im Gaza-Streifen wiederholen der Papst und seine Diplomaten sie umso eindringlicher – jüngst in einem Interview, das Franziskus im Januar dem Vatikan-Berichterstatter der italienischen Zeitung „La Stampa“, Domenico Agasso, gewährt hat und das an diesem Montag veröffentlicht wurde.

Darin spricht Franziskus über die vielen anhaltenden Konflikte weltweit („Krieg ist immer eine Niederlage, nur die Waffenhändler gewinnen“) und lädt die Menschen ein, für Frieden zu beten („Gebet ist konkret, ein Ringen mit Gott“). Der Papst identifiziert zudem unermüdlichen Dialog als einzigen Weg und ruft vor allem die politischen Entscheidungsträger dazu auf, „sofort die Bomben und Raketen zu stoppen, den feindseligen Haltungen ein Ende zu setzen. Überall“. Ein „weltweiter Waffenstillstand“ sei nötig, denn: „Wir stehen am Rande des Abgrunds“, auch wenn wir dies nicht wahrhaben wollten, so das Kirchenoberhaupt.

„Wir stehen am Rande des Abgrunds“

„Es gab das Osloer Abkommen, das so klar war, mit der Zweistaatenlösung. Solange diese Übereinkunft nicht umgesetzt wird, bleibt der wahre Frieden in weiter Ferne“, so Franziskus in dem Interview wörtlich. In diesem Zusammenhang erläutert der Papst auch, dass er es ablehne, von einem „gerechten Krieg“ zu sprechen. Denn es sei zwar legitim, sich selbst zu verteidigen, aber es gehe nicht an, „Kriege zu rechtfertigen, die immer falsch sind“. Zwar befürchte er eine militärische Eskalation, so Franziskus auf die Frage des Reporters, doch gleichzeitig hege er eine gewisse Hoffnung, „weil vertrauliche Treffen stattfinden, um zu versuchen, eine Einigung zu erzielen. Ein Waffenstillstand wäre bereits ein gutes Ergebnis“, so der Papst mit Blick auf den Krieg im Nahen Osten.

Eine „entscheidende Figur“ sei der lateinische Patriarch Kardinal Pizzaballa, „ein Großer“, der sich „geschickt bewegt“ und versuche, zwischen den Parteien zu vermitteln. Er selbst stehe jeden Tag per Videoschalte mit der Gemeinde in Gaza in Kontakt, wo die Menschen („nicht Hamas“) das Recht auf ein friedliches Leben hätten – und doch blickten sie jeden Tag dem Tod ins Gesicht. Auf der anderen Seite sei auch „die Befreiung der israelischen Geiseln“ eine Priorität.

Was den Krieg in der Ukraine betreffe, so erinnert der Papst in dem Interview an die Ernennung von Kardinal Zuppi als Friedensgesandten: „Der Heilige Stuhl versucht, für den Austausch von Gefangenen und die Rückkehr ukrainischer Zivilisten zu vermitteln. Insbesondere arbeiten wir mit Frau Maria Llova-Belova, der russischen Kommissarin für Kinderrechte, zusammen, um die Rückführung ukrainischer Kinder, die nach Russland verschleppt wurden, zu erreichen. Einige sind bereits zu ihren Familien zurückgekehrt“, gibt der Papst Einblick in die diplomatischen Bemühungen des Heiligen Stuhls, die hinter den Kulissen ablaufen.

„Fiducia supplicans" will einbeziehen

Auch die jüngste Erklärung aus dem Glaubens-Dikasterium, „Fiducia supplicans“, mit dem unter Umständen auch die Segnung irregulärer Partnerschaften möglich ist, war Thema des Gesprächs. In diesem Zusammenhang erinnerte Franziskus daran, dass „Christus alle hereinruft“: „Das Evangelium dient der Heiligung aller. Natürlich nur, wenn der gute Wille vorhanden ist. Und es ist notwendig, genaue Anweisungen für das christliche Leben zu geben (ich betone, dass man nicht die Vereinigung segnet, sondern die Personen). Aber wir sind alle Sünder: Warum also eine Liste von Sündern aufstellen, die in die Kirche eintreten können, und eine Liste von Sündern, die nicht in der Kirche sein können? Das ist nicht das Evangelium“.

„Warum also eine Liste von Sündern aufstellen, die in die Kirche eintreten können, und eine Liste von Sündern, die nicht in der Kirche sein können?“

Diejenigen, die gegen das Dokument „vehement protestieren“, gehörten jedoch „zu kleinen ideologischen Gruppen“, während die geballte Kritik der Afrikaner einen „Sonderfall“ darstelle, da „für sie Homosexualität aus kultureller Sicht etwas ,Hässliches' ist, sie tolerieren sie nicht“. Aber im Allgemeinen „vertraue ich darauf, dass sich nach und nach alle mit dem Geist der Erklärung anfreunden werden“, die „einschließen und nicht spalten will“. Sie lade die Menschen vielmehr ein, „aufzunehmen, sie Gott anzuvertrauen und sich ihm selbst anzuvertrauen“. Der Papst räumt auch bei dieser Gelegenheit – wie bereits in dem jüngsten Interview bei der italienischen Talkshow „Che tempo che fa“ ein, dass er sich manchmal einsam fühle, aber er „gehe immer vorwärts, Tag für Tag“. Doch er habe keine Angst vor Spaltungen in Form eines Schismas, betont er: „In der Kirche hat es immer kleine Gruppen gegeben, die schismatische Überlegungen angestellt haben... man muss sie sein und vorübergehen lassen... und nach vorne schauen“.

Künstliche Intelligenz: Chancen und Gefahren

In zahlreichen Wortmeldungen, nicht zuletzt in seiner jüngsten , hat Papst Franziskus sich in letzter Zeit zum Thema künstliche Intelligenz geäußert. Auch im aktuellen Interview geht das Kirchenoberhaupt darauf ein, was für Hoffnungen und Sorgen er damit verbindet. Künstliche Intelligenz (KI) sei einerseits ein „wunderbarer Fortschritt, der viele Probleme lösen kann, der aber möglicherweise, wenn er ohne Ethik gehandhabt wird, dem Menschen auch viel Schaden zufügen kann“, so die Antwort des Kirchenoberhauptes, mit der er in aller Kürze zusammenfasst, was er in seiner Botschaft konkreter ausarbeitet. Ziel müsse es bleiben, dass KI „immer im Einklang mit der Würde des Menschen“ stehe, andernfalls „wird sie zum Selbstmord“, mahnt Franziskus.

Gute Gesundheit, mögliche Reisen

Trotz einiger kleiner „Wehwechen“ fühle er sich derzeit besser als noch vor kurzer Zeit, blickt Franziskus voller Tatendrang auf kommende Reisen voraus, während er Überlegungen über einen eventuellen Rücktritt wieder abstreitet. Die nächsten Reisen sollen nach Belgien sowie nach Osttimor, Papua-Neuguinea und Indonesien im August gehen, erinnert Franziskus. Was eine Reise in seine Heimat Argentinien betreffe, wolle er sich noch nicht festlegen („die Planungen haben noch nicht begonnen“), während er sich durch die teils äußerst harschen Worte des neu gewählten Präsidenten Milei im Wahlkampf gegen ihn nicht „beleidigt“ gefühlt habe, versichert Franziskus („Die Worte im Wahlkampf kommen und gehen“). Aus Anlass der für den 11. Februar geplanten Heiligsprechung der argentinischen Heiligen „Mama Antula“ werde er den argentinischen Präsidenten auch treffen, bestätigte der Papst. Er sei bereit, mit ihm in Dialog zu treten – „wie mit allen“.

Die künftige Kirche und das Konklave vor elf Jahren

Erst vor wenigen Wochen hatte Franziskus den „Weltkindertag“ eingeführt, der diesen Mai zum ersten Mal begangen wird. Er habe ihn eingeführt, „weil er fehlte“, so Franziskus im Interview mit der „Stampa“. Darin bekräftigt er seine Auffassung, dass Kinder aufgrund ihrer Reinheit und Spontaneität „Lehrer des Lebens“ seien und man ihnen zuhören müsse. Es gehe bei dem Tag vor allem darum, sich bewusst zu machen, welche Welt man den Kindern hinterlassen wolle.

„Diese Rede war meine ,Verurteilung‘“

Er träume von einer „aufgeschlossenen Kirche“, so Franziskus, der sich in diesem Zusammenhang auch an seine Ansprache erinnert, die er während der vorletzten der Generalversammlungen, die dem Konklave von 2013 vorausgingen, hielt. Ein befreundeter Kardinal hatte den Inhalt der Rede später auch öffentlich gemacht: „Nach meiner Rede gab es Applaus, was in einem solchen Kontext ungewöhnlich ist. Aber ich hatte absolut nicht geahnt, was mir viele später aufzeigen würden: Diese Rede war meine ,Verurteilung‘ (lächelt, Anm.). Als ich die Synodenhalle verließ, sah mich ein englischsprachiger Kardinal und rief aus: ,Schön, was Sie gesagt haben! Bello. Wunderbar. Wir brauchen einen Papst wie Sie!“ Aber ich hatte die Kampagne, die sich zusammenbraute, um mich zu wählen, nicht bemerkt. Bis zum Mittagessen am 13. März, hier in der Casa Santa Marta, wenige Stunden vor der entscheidenden Abstimmung. Während des Essens wurden mir zwei oder drei ,verdächtige‘ Fragen gestellt... Da sagte ich mir: ,Hier passiert etwas Seltsames...'. Aber ich habe es trotzdem geschafft, einen Mittagsschlaf zu halten. Und als sie mich wählten, hatte ich ein überraschendes Gefühl der Ruhe in mir.“

Er fühle sich eigentlich wie „ein Pfarrer“, räumt Franziskus in dem Gespräch abschließend ein: „Natürlich in einer sehr großen Pfarrei, einer weltweiten, aber ich möchte mir den Geist eines Pfarrers bewahren. Und mitten unter den Menschen sein. Dort finde ich immer Gott.“

(vatican news - cs)

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29. Januar 2024, 10:43