Papst an Vatikanjournalisten: Danke für sensible Berichterstattung
Christine Seuss - Vatikanstadt
Normalerweise ist er das bevorzugte Objekt ihrer Berichterstattung, doch heute waren die beim Vatikan akkreditierten Medienleute selbst Protagonisten einer Audienz beim Papst: Bei eisiger Kälte und in aller Frühe mussten sie sich in den Vatikan begeben, wo sie als erste einer Reihe von Gruppen durch den Pontifex, der auch an diesem Sonntag schon volles Programm hatte, empfangen wurden. Dass sie wegen der Audienz auch recht früh aus dem Bett steigen mussten, bemerkte der Papst gleich zu Beginn seiner Ansprache mit einer launigen Bitte um Entschuldigung.
„Herzlich willkommen, auch wenn ihr hier zu Hause seid!“, wandte sich Franziskus in der Sala Clementina im vatikanischen Palast verbindlich an die rund 150 anwesenden Medienschaffenden, darunter Journalisten, Producer, und Kameraleute, die er auch dank der mittlerweile über 40 gemeinsamen Reisen auch „namentlich kennt“, wie er selbst hervorhob. Sie alle seien durch eine Mission geeint, so der Papst: „Ich kenne eure Leidenschaft, eure Liebe für das, was ihr berichtet, euren Einsatz. Viele von euch verfolgen nicht nur den Vatikan, sondern auch Italien, den Süden Europas, den Mittelmeerraum, die Länder, aus denen ihr kommt“.
Nicht in Stereotypen verfallen
Sich für den Journalistenberuf zu entscheiden, sei in gewissem Sinn eine Berufungsentscheidung wie die des Arztes, eine Entscheidung dafür, die „Wunden der Gesellschaft und der Welt“ mit eigenen Händen zu berühren, hob Franziskus weiter hervor. Dabei brauche es nicht nur eine Berufung dafür, zu erzählen, sondern auch eine „uneingeschränkte Liebe zur Wahrheit“:
„Ich danke Ihnen für die Mühe, die Sie sich machen, um diesen Blick aufrechtzuerhalten, der es versteht, hinter den Schein zu sehen, der es versteht, das Wesentliche zu erfassen, der sich nicht der Oberflächlichkeit der Stereotypen und der vorgefertigten Formeln des Infotainments beugen will, welche anstelle der schwierigen Suche nach der Wahrheit die einfache Katalogisierung von Fakten und Ideen nach vorgegebenen Schemata vorzieht. Ich ermutige Sie, diesen Weg weiterzugehen, der es versteht, Information mit Reflexion, Reden mit Zuhören, Unterscheidung mit Liebe zu verbinden“, so Franziskus unter Bezug auf , die dieser bereits vor 60 Jahren an Vatikanjournalisten gerichtet hatte.
In diesem Zusammenhang machte sich Franziskus auch eine Einschätzung des alteingesessenen italienischen „Vatikanisten“ Luigi Accattoli zu eigen, dem zufolge ein Vatikanjournalist gerade dem Anspruch der Massenmedien widerstehen müsse, „das Bild der Kirche zu manipulieren“:
„In der Tat neigen die Medien dazu, religiöse Nachrichten zu deformieren“, schrieb Accattoli in einem Vorwort, das der Papst zitierte. „Sie deformieren sie sowohl durch das hohe oder ideologische Register als auch durch das niedrige oder spektakuläre Register. Der Gesamteffekt ist eine doppelte Deformierung des Bildes der Kirche: Das erste Register neigt dazu, sie zwanghaft zu politisieren, das zweite tendiert dazu, sie zu einer leichten Nachricht zu degradieren“.
Die Größe des Vatikanisten
Es sei nicht leicht, doch gerade hier liege die „Größe des Vatikanisten“, die „geistige Finesse“, die zu den journalistischen Fähigkeiten hinzukomme, betonte Franziskus weiter: „Die Schönheit eurer Arbeit um Petrus herum besteht darin, dass ihr sie auf den festen Felsen der Verantwortung in der Wahrheit gründet und nicht auf den brüchigen Sand des Geschwätzes und der ideologischen Lektüre; die darin besteht, die Realität und auch ihre Nöte nicht zu verbergen, ohne die Spannungen zu beschönigen, aber auch ohne unnützes Geschrei zu machen, sondern sich zu bemühen, das Wesentliche zu erfassen, im Licht des Wesens der Kirche“. Dies sei etwas, was dem Volk Gottes, den einfachen Menschen und der Kirche selbst guttue, so Franziskus weiter.
Und was diese unaufgeregte Art der Berichterstattung betreffe, so sei er ihnen dankbar für das dabei an den Tag gelegte Feingefühl, insbesondere was die Berichte über die „Skandale in der Kirche“ angehe, bei sie denen mit „Respekt für die Opfer“ und einer gesunden Portion Schamgefühl von einer allzu großen Detailversessenheit absähen: „Danke, danke für diese Haltung, wenn Sie über Skandale sprechen müssen.“
Dankbar zeigte er sich auch für den beständigen und geduldigen Einsatz, mit dem die Medienleute teils zu unangenehmen Arbeitszeiten wie spätabends oder an Wochenenden Nachrichten zum Heiligen Stuhl abdeckten. Dies bedeute, dass sie vom „Spielen mit Ihren Kindern“ abgehalten würden und weniger Zeit mit dem Ehepartner verbringen könnten, räumte Franziskus entschuldigend ein.
AIGAV
Die AIGAV (Internationale Vereinigung der akkreditierten Journalisten im Vatikan) ist eine Vereinigung von rund 250 Medienschaffenden und Journalisten, zu deren Berichtsgebiet der Vatikan gehört. Die Vereinigung dient dem Austausch und hilft den neuen Korrespondenten bei der Orientierung, die für ihre Medien nach Rom geschickt werden, um über den Vatikan berichten.
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