Wortlaut: Das hat der Papst am Mittwoch auf der Synode gesagt
Franziskus äußerte sich bei der Plenarversammlung – es war die 17. sogenannte „Generalkongregation“ in der vatikanischen Audienzhalle. Bei dieser Versammlung ging es um erste Reaktionen auf den Entwurf des Schlussberichts der Weltbischofssynode; er soll am kommenden Samstag veröffentlicht werden. Der Papst leitete die Versammlung mit einer Stegreifrede in spanischer Sprache ein.
Sämtliche Wortmeldungen des Papstes in ihrer offiziellen Fassung werden
Ansprache von Papst Franziskus
„Ich denke gerne an die Kirche als das treue Volk Gottes, heilig und sündig zugleich – ein Volk, das durch die Kraft der Seligpreisungen und von Matthäus 25 berufen und auf den Weg geschickt ist. Jesus hat sich für seine Kirche keines der politischen Schemata seiner Zeit zu eigen gemacht: weder Pharisäer, noch Sadduzäer, noch Essener, noch Zeloten. Keine ‚geschlossene Gesellschaft‘ – stattdessen knüpfte er einfach an die Tradition Israels an: ‚Ihr werdet mein Volk sein und ich werde euer Gott sein‘ (vgl. Ezechiel 37,28).
Ich stelle mir die Kirche gerne als dieses einfache und demütige Volk vor, das in der Gegenwart des Herrn wandelt – Gottes treues Volk. Das ist der religiöse Sinn unseres gläubigen Volkes. Und ich sage ‚treues Volk‘, um nicht in die vielen Denkmodelle und ideologischen Schemata zu verfallen, mit denen die Wirklichkeit des Gottesvolkes ‚kleingeredet‘ wird. Einfach gläubige Menschen… Gottes gläubiges heiliges Volk auf dem Weg, heilig und sündig zugleich: Das ist es, was die Kirche ist.
Eines der Merkmale dieses gläubigen Volkes ist seine Unfehlbarkeit; ja, es ist unfehlbar im Glauben! ‚In credendo falli nequit’, sagt (die Konzilskonstitution . Infallibilitas in credendo (Unfehlbarkeit im Glauben). Ich erkläre es so: Wenn Sie wissen wollen, was die heilige Mutter Kirche glaubt, wenden Sie sich an das Lehramt, denn es ist dafür zuständig, Sie zu lehren; aber wenn Sie wissen wollen, wie die Kirche glaubt, wenden Sie sich an das gläubige Volk!
Da kommt mir ein Bild in den Sinn: das gläubige Volk, das sich am Eingang der Kathedrale von Ephesus versammelt. Die Geschichte (oder Legende) besagt, dass das Volk am Rande der Straße zur Kathedrale stand, als die Bischöfe in Prozession einmarschierten, und dass das Volk im Chor die Worte ‚Mutter Gottes‘ skandierte und die Hierarchie bat, das Dogma zu verkünden, das das Volk Gottes für sich bereits besaß. Manche sagen, dass sie Stöcke in den Händen hielten und sie den Bischöfen zeigten... Ich weiß nicht, ob dies Geschichte oder Legende ist, aber das Bild ist gültig.
Das gläubige Volk, das gläubige heilige Volk Gottes, hat eine Seele – und weil wir von der Seele eines Volkes sprechen können, können wir auch von einer Hermeneutik sprechen, von einer Sichtweise der Wirklichkeit, von einem Gewissen. Unser gläubiges Volk ist sich seiner Würde bewusst, es lässt seine Kinder taufen, es beerdigt seine Toten.
Die Mitglieder der Hierarchie stammen aus diesem Volk und haben ihren Glauben von diesem Volk erhalten, im Allgemeinen von ihren Müttern und Großmüttern. ‚Deine Mutter und Großmutter‘, schreibt Paulus an Timotheus: ein Glaube, der in einem weiblichen Dialekt weitergegeben wird, wie die Mutter der Makkabäer, die ‚in Dialekt‘ zu ihren Kindern sprach. Und hier möchte ich betonen, dass der Glaube im gläubigen, heiligen Volk Gottes im Dialekt weitergegeben wird, und zwar im Allgemeinen im weiblichen Dialekt. Nicht nur, weil die Kirche eine Mutter ist und es die Frauen sind, die sie am besten widerspiegeln (die Kirche ist eine Frau!), sondern weil es die Frauen sind, die zu warten wissen, die die Ressourcen der Kirche, des gläubigen Volkes zu entdecken wissen, die über die Grenze hinausgehen, vielleicht mit Angst, aber mutig, und die sich im Helldunkel eines beginnenden Tages einem Grab nähern mit der Intuition (noch nicht mit der Hoffnung), dass dort etwas Lebendiges sein könnte.
Die Frau im heiligen, gläubigen Volk Gottes ist ein Abbild der Kirche. Die Kirche ist weiblich, sie ist die Braut, sie ist die Mutter.
Wenn Geistliche in ihrem Dienst zu weit gehen und das Volk Gottes ‚misshandeln‘, dann entstellen sie das Gesicht der Kirche mit machohaften und diktatorischen Haltungen... Es ist schmerzlich, in manchen Pfarrbüros eine ‚Preisliste‘ der sakramentalen Dienste wie in einem Supermarkt zu finden. Entweder ist die Kirche das gläubige Volk Gottes auf einer Reise, heilig und sündig, oder sie wird zu einem Unternehmen mit einer Reihe von Dienstleistungen. Und wenn die Seelsorger diesen zweiten Weg wählen, wird die Kirche zum Supermarkt des Heils und die Priester zu bloßen Angestellten eines multinationalen Unternehmens. Das ist der große Misserfolg, zu dem uns der Klerikalismus führt. Und das mit viel Traurigkeit und Skandal; man braucht nur in die kirchlichen Schneidereien in Rom zu gehen, um den Skandal der jungen Priester zu sehen, die Soutanen und Hüte oder spitzenbesetzte Roben anprobieren.
Der Klerikalismus ist eine Peitsche, er ist eine Geißel, er ist eine Form der Weltlichkeit, die das Antlitz der Braut des Herrn befleckt und beschädigt; er versklavt das treue, heilige Volk Gottes.
Und das Volk Gottes, das treue heilige Volk Gottes, erträgt geduldig und demütig die Verschwendung, den Missbrauch, die Ausgrenzung durch den institutionalisierten Klerikalismus. Und wie selbstverständlich sprechen wir doch von ‚Kirchenfürsten‘ oder von bischöflichen Beförderungen, als ob das Aufstiege in einer Karriere wären! Die Schrecken der … Weltlichkeit, die das treue, heilige Volk Gottes misshandelt…“
(vatican news – sk)
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