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Oft unbemerkt: Obdachlose und Armen in vielen unserer Städten Oft unbemerkt: Obdachlose und Armen in vielen unserer Städten 

Papstbotschaft zum Welttag der Armen: Nicht wegschauen!

Wir dokumentieren hier in einer offiziellen Ãœbersetzung auf Deutsch die gesamte Botschaft des Papstes zum Welttag der Armen. Dieser Tag wird in diesem Jahr am 19. November begangen.

»Wende dein Angesicht von keinem Armen ab« (Tob 4,7)

1. Der Welttag der Armen, ein fruchtbares Zeichen der Barmherzigkeit des Vaters, findet zum siebten Mal statt, um den Weg unserer Gemeinschaften zu begleiten. Es ist ein Termin, den die Kirche nach und nach in ihrer pastoralen Arbeit verankert, um immer mehr den zentralen Inhalt des Evangeliums zu entdecken. Jeden Tag bemühen wir uns darum, uns der Armen anzunehmen, und doch reicht das nicht aus. Ein Strom von Armut durchzieht unsere Städte und wird immer größer, bis er über die Ufer tritt; dieser Strom scheint uns zu überfluten – der Schrei unserer Brüder und Schwestern, die um Hilfe, Unterstützung und Solidarität bitten, wird immer lauter. Deshalb versammeln wir uns am Sonntag vor dem Hochfest unseres Herrn Jesus Christus, des Königs des Weltalls, um seinen Tisch, um von ihm erneut das Geschenk und die Verpflichtung entgegenzunehmen, die Armut zu leben und den Armen zu dienen.

»Wende dein Angesicht von keinem Armen ab« (Tob 4,7). Dieses Wort hilft uns, das Wesen unseres Zeugnisses zu begreifen. Die Betrachtung des Buches Tobit, eines wenig bekannten alttestamentlichen Textes, der fesselnd und reich an Weisheit ist, mag uns helfen, den Inhalt, den der biblische Autor vermitteln will, besser zu verstehen. Wir sehen vor uns eine Szene aus dem Familienleben: Ein Vater, Tobit, nimmt von seinen Sohn Tobias Abschied, der sich auf eine lange Reise begeben wird. Der alte Tobit fürchtet, dass er seinen Sohn nie wiedersehen wird, und hinterlässt ihm deshalb sein „geistiges Testament“. Er war nach Ninive deportiert worden und ist nun blind, also doppelt arm, aber er hatte immer eine Gewissheit, die in seinem Namen zum Ausdruck kommt: „Der Herr ist gut“. Dieser Mann, der immer auf den Herrn vertraut hat, möchte als guter Vater seinem Sohn nicht so sehr etwas Materielles hinterlassen, sondern das Zeugnis des Weges, den er im Leben gehen soll, und so sagt er zu ihm: »Alle deine Tage, Kind, gedenke des Herrn! Hüte dich, zu sündigen und seine Gebote zu übertreten! Vollbringe alle Tage deines Lebens gerechte Taten und wandle nicht auf den Wegen des Unrechts!« (4,5).

2. Wie man sofort sieht, beschränkt sich das Gedenken, das der alte Tobit von seinem Sohn fordert, nicht auf einen einfachen Akt des Erinnerns oder ein an Gott zu richtendes Gebet. Er verweist auf konkrete Gesten, die darin bestehen, gute Werke zu tun und gerecht zu leben. Die Ermahnung wird sogar noch konkreter: »Tu für alle, die die Gerechtigkeit tun, Almosen aus dem, was du hast! Wende dein Angesicht von keinem Armen ab, dann wird sich Gottes Angesicht nicht von dir abwenden!« (4,6-7).

Die Worte dieses betagten Weisen verwundern nicht wenig. Vergessen wir nicht, dass Tobit sein Augenlicht gerade nach einem Werk der Barmherzigkeit verloren hat. Wie er selbst erzählt, war sein Leben von Jugend an Werken der Nächstenliebe gewidmet: »Viele Werke der Barmherzigkeit tat ich meinen Brüdern und meinem Volk, die mit mir in das Land der Assyrer nach Ninive in Gefangenschaft gegangen waren […] Mein Brot gab ich den Hungernden und Kleider den Nackten; und wann immer ich sah, dass jemand aus meinem Volk starb und hinter die Mauer von Ninive geworfen wurde, begrub ich ihn« (1,3.17).

Wegen dieses Zeugnisses der Nächstenliebe hatte ihm der König alle seine Güter genommen und ihn völlig verarmen lassen. Aber der Herr brauchte ihn immer noch; nachdem er sein Amt als Verwalter wieder aufgenommen hatte, fürchtete er sich nicht, seinen Lebensstil weiter beizubehalten. Hören wir seinen Bericht, der auch uns heute anspricht: »An unserem Pfingstfest, welches das heilige Fest der Sieben Wochen ist, wurde mir ein gutes Mahl bereitet. Und ich ließ mich nieder, um zu essen. Mir wurde der Tisch gerichtet und verschiedene Speisen wurden mir aufgetragen. Da sagte ich zu meinem Sohn Tobias: „Kind, geh, und wenn du unter unseren nach Ninive verschleppten Brüdern einen Armen findest, der mit ganzem Herzen des Herrn gedenkt, dann führe ihn hierher und er soll gemeinsam mit mir speisen. Siehe, ich werde auf dich warten, mein Kind, bis du kommst“« (2,1-2). Wie bedeutsam wäre es, wenn wir uns dieses Anliegen Tobits am Welttag der Armen zu eigen machen würden! Wenn wir dazu einladen würden, das sonntägliche Mittagessen miteinander zu teilen, nachdem wir den eucharistischen Tisch geteilt haben. Die Feier der Eucharistie würde wirklich zu einem Kriterium für Gemeinschaft werden. Wenn wir uns, um den Altar des Herrn versammelt, bewusst sind, dass wir alle Brüder und Schwestern sind, wie viel sichtbarer würde diese Geschwisterlichkeit werden, wenn wir das festliche Mahl mit denen teilten, denen es am Nötigsten fehlt!

Tobias tat, was sein Vater ihm gesagt hatte, kam aber mit der Nachricht zurück, dass ein armer Mann getötet und mitten auf dem Platz liegen gelassen worden war. Ohne zu zögern, stand der alte Tobit vom Tisch auf und ging, um den Mann zu begraben. Als er müde nach Hause kam, schlief er im Hof ein; Vogelkot fiel auf seine Augen und er erblindete (vgl. 2,1-10). Ironie des Schicksals: Du tust einen Akt der Nächstenliebe und dich trifft das Unglück! So mögen wir denken; doch der Glaube lehrt uns, tiefer zu gehen. Tobits Blindheit wird zu seiner Stärke, so dass er die vielen Formen der Armut um ihn herum noch besser erkennen kann. Und der Herr wird dem alten Vater zu gegebener Zeit das Augenlicht wiederschenken und die Freude, seinen Sohn Tobias wiederzusehen. Als dieser Tag kam, fiel Tobit »ihm um den Hals, er weinte und rief Tobias zu: „Ich kann dich wieder sehen, Kind, du Licht meiner Augen! Und er sagte: Gepriesen sei Gott! Gepriesen sei sein gewaltiger Name! Gepriesen seien alle seine heiligen Engel! Möge sein Name groß sein über uns! Und gepriesen seien alle Engel in alle Ewigkeit! Denn er hat mich gezüchtigt, aber jetzt sehe ich meinen Sohn Tobias wieder“« (11,13-14).

3. Wir können uns fragen: Woher hat Tobit den Mut und die innere Stärke, die ihn befähigen, inmitten eines heidnischen Volkes Gott zu dienen und seinen Nächsten so sehr zu lieben, dass er dafür sein eigenes Leben riskiert? Wir haben es mit einem außergewöhnlichen Beispiel zu tun: Tobit ist ein treuer Ehemann und ein fürsorglicher Vater; er wird weit weg aus seiner Heimat verschleppt und leidet zu Unrecht; er wird vom König und seinen eigenen Nachbarn verfolgt... Obwohl er so gutherzig ist, wird er auf die Probe gestellt. Wie uns die Heilige Schrift oft lehrt, verschont Gott diejenigen, die Gutes tun, nicht vor Prüfungen. Wie kommt das? Er tut dies nicht, um uns zu demütigen, sondern um unseren Glauben an ihn zu festigen.

Tobit entdeckt in der Zeit der Prüfung seine eigene Armut, die ihn fähig macht, die Armen zu erkennen. Er ist dem Gesetz Gottes treu und hält die Gebote, aber das reicht ihm nicht. Die aktive Sorge um die Armen ist ihm möglich, weil er die Armut am eigenen Leib erfahren hat. Deshalb sind die Worte, die er an seinen Sohn Tobias richtet, sein wahres Vermächtnis: »Wende dein Angesicht von keinem Armen ab« (4,7). Wenn wir also vor einem Armen stehen, dürfen wir unsere Augen nicht abwenden, denn wir würden uns selbst daran hindern, dem Antlitz des Herrn Jesus zu begegnen. Und achten wir gut auf die Formulierung »von keinem Armen«. Jeder ist unser Nächster, unabhängig von der Hautfarbe, dem sozialen Status, der Herkunft... Wenn ich arm bin, kann ich erkennen, wer wirklich der Bruder ist, der mich braucht. Wir sind aufgerufen, jedem Armen und jeder Art von Armut zu begegnen und die Gleichgültigkeit und Selbstverständlichkeit abzuschütteln, mit denen wir unser illusorisches Wohlergehen abschirmen.

4. Wir leben in einem geschichtlichen Moment, in dem die Aufmerksamkeit für die Ärmsten nicht gefördert wird. Der Ruf nach Wohlstand wird immer lauter, während die Stimmen derer, die in Armut leben, mit einem Schalldämpfer versehen werden. Man tendiert dazu, alles zu übergehen, was nicht in die Lebensmodelle passt, die insbesondere für die jüngeren Generationen gedacht sind, die dem gegenwärtig stattfindenden kulturellen Wandel am schutzlosesten gegenüberstehen. Was unangenehm ist und Leid verursacht, wird ausgeklammert, während körperliche Qualitäten so hochgehalten werden, als wären sie das wichtigste Ziel, das es zu erreichen gilt. Die virtuelle Realität löst das reale Leben ab, und immer leichter passiert es, dass man die beiden Welten verwechselt. Die Armen werden zu Bildern, die einen für einige Augenblicke berühren, aber wenn man ihnen in Fleisch und Blut auf der Straße begegnet, stört man sich an ihnen und grenzt sie aus. Die Hektik, die tägliche Begleiterin des Lebens, verhindert, dass man innehält, dem anderen hilft und sich um ihn kümmert. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (vgl. Lk 10,25-37) ist keine Erzählung aus der Vergangenheit, sondern stellt die Gegenwart eines jeden von uns in Frage. Es ist leicht, an andere zu delegieren; es ist eine großzügige Geste, anderen Geld für ihr karitatives Handeln zu geben; es ist die Berufung eines jeden Christen, sich persönlich zu einzubringen.

5. Danken wir dem Herrn, dass es so viele Männer und Frauen gibt, die sich den Armen und Ausgegrenzten widmen und mit ihnen teilen: Menschen jeden Alters und jeder sozialen Schicht, die sich derer annehmen und sich für diejenigen einsetzen, die am Rande stehen und leiden. Das sind keine Übermenschen, sondern „Nachbarn“, denen wir jeden Tag begegnen und die sich im Stillen mit den Armen selbst zu Armen machen. Sie beschränken sich nicht darauf etwas zu geben: Sie hören zu, treten in Dialog, versuchen, die Situation und ihre Ursachen zu verstehen, um angemessene Ratschläge und richtige Empfehlungen zu geben. Sie achten auf die materiellen, aber auch auf die geistigen Bedürfnisse, auf die ganzheitliche Förderung des Menschen. Das Reich Gottes wird in diesem großzügigen und unentgeltlichen Dienst gegenwärtig und sichtbar; es ist wirklich wie der Same, der in den guten Boden des Lebens dieser Menschen fällt und seine Frucht bringt (vgl. Lk 8,4-15). Die Dankbarkeit gegenüber den vielen Freiwilligen möge zum Gebet werden, auf dass ihr Zeugnis fruchtbar sei.

6. Am 60. Jahrestag der Enzyklika Pacem in terris ist es dringend geboten, die Worte des heiligen Papstes Johannes XXIII. aufzugreifen, der schrieb, »dass der Mensch das Recht auf Leben hat, auf die Unversehrtheit des Leibes sowie auf die geeigneten Mittel zu angemessener Lebensführung. Dazu gehören Nahrung, Kleidung, Wohnung, Erholung, ärztliche Behandlung und die notwendigen Dienste, um die sich der Staat gegenüber den einzelnen kümmern muss. Daraus folgt auch, dass der Mensch ein Recht auf Beistand hat im Falle von Krankheit, Invalidität, Verwitwung, Alter, Arbeitslosigkeit oder wenn er ohne sein Verschulden sonst der zum Leben notwendigen Dinge entbehren muss« (Nr. 6).

Wie viel Arbeit liegt noch vor uns, damit diese Worte Wirklichkeit werden, auch durch ein ernsthaftes und wirksames Bemühen in der Politik und in der Gesetzgebung! Möge sich trotz der Grenzen und manchmal des Versagens der Politik – wenn es darum geht, das Gemeinwohl zu sehen und ihm zu dienen – die Solidarität und Subsidiarität vieler Bürger entwickeln, die an den Wert des ehrenamtlichen Engagements für die Armen glauben. Sicherlich geht es darum, Anregungen zu geben und Druck zu machen, damit die öffentlichen Einrichtungen ihre Pflicht gut erfüllen; aber es hat keinen Sinn, passiv zu bleiben und darauf zu warten, dass alles „von oben“ kommt: Die in Armut Lebenden müssen ebenfalls einbezogen und in einem Prozess der Veränderung und Verantwortungsübernahme begleitet werden.

7. Leider müssen wir wieder einmal feststellen, dass zu den bereits beschriebenen Formen der Armut neue hinzukommen. Ich denke dabei insbesondere an die Bevölkerung in Kriegsgebieten, vor allem an die Kinder, die einer unbeschwerten Gegenwart und einer würdigen Zukunft beraubt sind. Niemand wird sich jemals an diese Situation gewöhnen können; versuchen wir weiterhin alles, damit sich der Friede als Geschenk des auferstandenen Herrn und als Frucht des Einsatzes für Gerechtigkeit und Dialog behaupten kann.

Ich kann die Spekulationen nicht auslassen, die in verschiedenen Bereichen zu einem dramatischen Anstieg der Kosten führen, wodurch viele Familien noch ärmer werden. Die Löhne sind schnell aufgebraucht und zwingen die Menschen zu Entbehrungen, die die Würde eines jeden Menschen beeinträchtigen. Wenn eine Familie zwischen Nahrungsmitteln für die Ernährung und Medikamenten für die Behandlung wählen muss, dann müssen sich diejenigen zu Wort melden, die im Namen der Menschenwürde das Recht auf beide Güter fordern.

Man kann des Weiteren nicht umhin, auch auf die ethischen Missstände in der Arbeitswelt hinzuweisen. Die unmenschliche Behandlung vieler Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die unzureichende Entlohnung für die geleistete Arbeit, die Geißel der prekären Arbeitsverhältnisse, die zu vielen Opfer von Arbeitsunfällen, die oft einer Mentalität geschuldet sind, die den unmittelbaren Profit auf Kosten der Sicherheit bevorzugt... Da denkt man an die Worte des heiligen Johannes Paul II: »Die erste Grundlage für den Wert der Arbeit [ist] der Mensch selbst […] So wahr es auch ist, dass der Mensch zur Arbeit bestimmt und berufen ist, so ist doch in erster Linie die Arbeit für den Menschen da und nicht der Mensch für die Arbeit« (Enzyklika Laborem exercens, 6).

8. Diese an sich schon dramatische Auflistung gibt nur einen Teil der Armutssituationen wieder, die zu unserem täglichen Leben gehören. Ich kann insbesondere eine Form des Missstands nicht unerwähnt lassen, die jeden Tag deutlicher zutage tritt und die die Welt der Jugend betrifft. Wie viel Frustration und sogar Selbstmorde gibt es bei den jungen Menschen, die von einer Kultur getäuscht werden, die sie dazu bringt, sich als „unfähig“ und „gescheitert“ zu fühlen. Helfen wir ihnen, auf diese unheilvollen Impulse zu reagieren, damit jeder den Weg zur Erlangung einer starken und großmütigen Persönlichkeit finden kann.

Wenn man von den Armen spricht, verfällt man leicht in Phrasendrescherei. Eine tückische Versuchung ist es auch, bei Statistiken und Zahlen stehen zu bleiben. Die Armen sind Menschen, sie haben Gesichter, Geschichten, Herzen und Seelen. Sie sind Brüder und Schwestern mit ihren Vorzügen und Fehlern, wie alle anderen auch, und es ist wichtig, mit einem jedem von ihnen in eine persönliche Beziehung einzutreten.

Das Buch Tobit lehrt uns die Konkretheit unseres Handelns mit und für die Armen. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, die uns alle dazu verpflichtet, einander zu suchen und zu begegnen, um die Harmonie zu fördern, die notwendig ist, damit eine Gemeinschaft zu einer Gemeinschaft wird. Das Interesse an den Armen erschöpft sich also nicht im eiligen Almosengeben, sondern erfordert die Wiederherstellung der rechten zwischenmenschlichen Beziehungen, die durch die Armut beschädigt wurden. Das „Sich von keinem Armen abwenden“ führt auf diese Weise dazu, dass einem der Segen der Barmherzigkeit, der Nächstenliebe, zuteilwird, die dem ganzen christlichen Leben Sinn und Wert verleiht.

9. Unsere Aufmerksamkeit für die Armen soll immer von einem evangeliumsgemäßen Realismus geprägt sein. Das Teilen muss den konkreten Bedürfnissen des Anderen entsprechen, es geht nicht darum, dass ich Überflüssiges loswerde. Auch hier bedarf es der Unterscheidung, unter der Führung des Heiligen Geistes, damit wir die wahren Bedürfnisse unserer Brüder und Schwestern erkennen, und nicht unsere eigenen Bestrebungen. Was sie sicherlich dringend brauchen, ist unsere Mitmenschlichkeit, unser für die Liebe offenes Herz. Vergessen wir nicht: »Wir sind aufgerufen, Christus in ihnen zu entdecken, uns zu Wortführern ihrer Interessen zu machen, aber auch ihre Freunde zu sein, sie anzuhören, sie zu verstehen und die geheimnisvolle Weisheit anzunehmen, die Gott uns durch sie mitteilen will« (Evangelii gaudium, 198). Der Glaube lehrt uns, dass jeder Arme ein Kind Gottes ist und dass Christus in ihm oder ihr gegenwärtig ist: »Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan« (Mt 25,40).

10. In diesem Jahr wird der 150. Jahrestag der Geburt der heiligen Therese vom Kinde Jesu begangen. Auf einer Seite ihrer Geschichte einer Seele schreibt sie: »Jetzt verstehe ich, dass die vollkommene Nächstenliebe darin besteht, die Fehler der anderen zu ertragen, sich über ihre Schwächen keinesfalls zu wundern, sich an den kleinsten Tugenden zu erbauen, die wir sie praktizieren sehen, aber vor allem habe ich verstanden, dass die Nächstenliebe nicht im Grunde des Herzens verschlossen bleiben darf: „Niemand, sagte Jesus, zündet ein Licht an, um es unter einen Scheffel zu stellen, sondern stellt es auf den Leuchter, damit es alle im Haus erleuchtet“. Mir scheint, dass dieses Licht für die Nächstenliebe steht, die nicht nur diejenigen erleuchten und aufmuntern soll, die mir am Herzen liegen, sondern alle, die im Haus sind, ohne jemanden auszuschließen» (Ms C, 12r).

In diesem Haus, das die Welt ist, hat jeder das Recht, von der Nächstenliebe erleuchtet zu werden, niemand kann davon ausgeschlossen werden. Möge die unermüdliche Liebe der heiligen Theresia unsere Herzen an diesem Welttag inspirieren und uns helfen, „das Angesicht nicht vom Armen abzuwenden“ und es immer dem menschlichen und göttlichen Antlitz unseres Herrn Jesus Christus zuzuwenden.

 

Rom, Sankt Johannes im Lateran, 13. Juni 2023, Gedenktag des heiligen Antonius von Padua, Patron der Armen.

                                                                                                 FRANZISKUS

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13. Juni 2023, 12:00