Wortlaut: Papst Franziskus bei der Generalaudienz
Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen!
Am vergangenen Sonntag ließ uns die Liturgie die Passion des Herrn hören. Sie endet mit diesen Worten: „Sie versiegelten den Stein vor dem Grab“ (Mt 27,66). Alles scheint fertig. Für die Jünger Jesu markiert dieser Stein den Endpunkt der Hoffnung. Der Meister wurde gekreuzigt, auf die grausamste und demütigendste Weise getötet, an einem berüchtigten Galgen außerhalb der Stadt aufgehängt: ein öffentliches Versagen, das schlimmstmögliche Ende. Zu dieser Zeit war es das schlimmstmögliche. Nun, diese Entmutigung, die die Jünger bedrückte, ist uns heute nicht ganz fremd. Auch in uns sammeln sich düstere Gedanken und Gefühle der Frustration: Warum gibt es so viel Gleichgültigkeit gegenüber Gott? Es ist merkwürdig, warum so viel Gleichgültigkeit gegenüber Gott? Warum so viel Böses auf der Welt? Seht, es gibt das Böse in der Welt! Warum nehmen die Ungleichheiten weiter zu und der ersehnte Frieden kommt nicht? Warum hängen wir derart dem Krieg an, sich gegenseitig weh zu tun? Und wie viele geschwundene Erwartungen, wie viele Enttäuschungen! Und wieder dieses Gefühl, dass die vergangenen Zeiten besser waren und dass es in der Welt, vielleicht sogar in der Kirche, nicht mehr so​​läuft wie früher … Kurz gesagt, die Hoffnung scheint auch heute noch manchmal unter dem Stein des Misstrauens besiegelt.
Und darüber nachzudenken lade ich jeden von euch ein: wo ist deine Hoffnung? Hast du eine lebendige Hoffnung, oder hast du sie dort versiegelt, hast du sie in der Schublade dort, wie eine Erinnerung? Bringt deine Hoffnung dich dazu, vorwärts zu gehen, oder ist sie eine romantische Erinnerung, als wäre es eine Sache, die es nicht gibt? Wo ist deine Hoffnung heute?
Ein Bild blieb fest in den Köpfen der Jünger: das Kreuz. Und dort endete alles. Es war das Ende von allem. Doch kurz darauf haben sie direkt im Kreuz einen Neuanfang entdeckt. Liebe Brüder und Schwestern, so sprießt Gottes Hoffnung, wird geboren und wiedergeboren in den schwarzen Löchern unserer enttäuschten Erwartungen; und dennoch enttäuscht sie, die wahre Hoffnung, nie. Denken wir genau an das Kreuz: Aus dem furchtbarsten Folterinstrument hat Gott das größte Zeichen der Liebe erlangt. Dieser Holz des Todes, das zum Baum des Lebens geworden ist, erinnert uns daran, dass Gottes Anfänge oft mit unseren Enden beginnen (...): So liebt er es, Wunder zu wirken. Schauen wir also heute auf den Baum des Kreuzes, damit in uns Hoffnung keimt: diese tägliche Tugend, diese schweigsame Tugend, demütig, aber diese Tugend, die uns auf den Füßen hält, die uns dabei hilft, weiter zu gehen. Ohne Hoffnung kann man nicht leben. Denken wir: Wo ist meine Hoffnung? Heute, blicken wir auf den Baum des Kreuzes, damit in uns Hoffnung keimt: dass wir von der Traurigkeit geheilt werden - wie viele Menschen sind traurig... Als ich noch auf der Straße herumgehen konnte (heute kann ich nicht mehr, weil sie mich nicht lassen), aber als ich in den Straßen in der anderen Diözese herumging, gefiel es mir, den Blick der Menschen zu beobachten. Wieviele traurige Blicke! Traurige Menschen, Menschen, die mit sich selbst redeten, Menschen, die nur mit dem Handy rumliefen, aber ohne Frieden, ohne Hoffnung. Und wo ist deine Hoffnung heute? Es braucht ein bisschen Hoffnung, nicht wahr?, um von der Traurigkeit geheilt zu werden, die uns krank macht: es gibt so viel Traurigkeit; um geheilt zu werden von der Bitterkeit, mit der wir die Kirche und die Welt beschmutzen. Brüder und Schwestern, betrachten wir das Kruzifix, dort. Und was sehen wir? Wir sehen den entblößten Jesus, den verwundeten Jesus, den gequälten Jesus. Und das Ende von allem? Dort liegt unsere Hoffnung.
Lasst uns uns also begreifen, wie in diesen beiden Aspekten die Hoffnung, die zu sterben scheint, wiedergeboren wird. Zuerst sehen wir Jesus entkleidet: „Nachdem sie ihn gekreuzigt hatten, verteilten sie seine Kleider durch das Los“ (V. 35). Gott entblößt: Der alles hat, lässt sich alles nehmen. Aber diese Demütigung ist der Weg zur Erlösung. So siegt Gott über unsere Trugbilder. Tatsächlich fällt es uns schwer, uns auszuziehen, die Wahrheit zu sagen; wir versuchen immer, die Wahrheit zu verbergen, weil sie uns nicht gefällt. die Wahrheit. Wir kleiden uns mit Äußerlichkeiten, die wir suchen und pflegen, mit Masken, um uns zu tarnen und uns besser zu zeigen, als wir sind. Es ist ein wenig die Angewohnheit der Maskierung: innere Maskerade, besser als die anderen zu scheinen... Wir denken, dass es wichtig ist, anzugeben, was herzumachen, damit andere gut über uns reden. Und wir schmücken uns mit Schein (...), mit Überflüssigem; aber auf diese Weise finden wir keinen Frieden, nicht wahr? Die Maskerade verschwindet dann und du schaust in den Spiegel mit dem häßlichen Gesicht, das du hast, aber dem wahren, dem, das Gott liebt, nicht das geschminkte, nein. Und Jesus, von allem befreit, erinnert uns daran, dass die Hoffnung wiedergeboren wird, indem wir die Wahrheit über uns sagen - sagt euch selbst die Wahrheit über euch - indem wir von der Doppelzüngigkeit ablassen, indem wir uns von der friedlichen Koexistenz mit unseren Falschheiten befreien. Manchmal sind wir daran gewöhnt, uns Falschheiten zu sagen, mit den Falschheiten zu leben, als wären sie Wahrheiten und wir enden vergiftet von unseren Falschheiten.
Das ist nötig: zurück zum Herzen, zum Wesentlichen, zu einem einfachen Leben, befreit von vielen unnützen Dingen, die die Hoffnung ersetzen. Heute, wo alles komplex ist und wir Gefahr laufen, den Faden zu verlieren, brauchen wir Einfachheit, um den Wert der Nüchternheit, des Verzichts, der Reinigung dessen, was das Herz verschmutzt und uns traurig macht, wiederzuentdecken. Jedem von uns fällt etwas Unnützes ein, das er loswerden kann, um sich selbst zu finden. Denk mal, wie wie viele unnütze Sachen. Hier, vor fünfzehn Tagen, in Santa Marta, wo ich wohne - das ist ein Hotel für viele Menschen - hat man darüber geredet, dass es schön wäre, in dieser Heiligen Woche in den Schrank zu schauen und auszumisten, die Sachen, die wir haben und nicht nutzen, rauszuwerfen.... Ihr könnt euch die Menge an Dingen nicht vorstellen! Es ist schön, sich von unnützen Dingen zu befreien. Und das ist an die armen Menschen gegangen, die Menschen, die es nötig haben. Auch wir, wie viele unnütze Dinge haben wir im Herzen - und raus damit. Schaut in euren Schrank: schaut rein. Das ist unnötig, unnötig, unnötig... und räumt dort auf. Schaut in den Schrank der Seele - du lachst, was? Es ist wahr, es ist wahr. Schaut in den Schrank der Seele: Wie viele unnütze Dinge hast du, wie viele dumme Illusionen. Kehren wir zurück zur Einfachheit, zu den wahren Dingen, die keine Maskerade brauchen. Das ist eine gute Übung!
Wir werfen einen zweiten Blick auf das Kruzifix und sehen Jesus verwundet. Das Kreuz zeigt die Nägel, die seine Hände und Füße durchbohren, seine Seite offen. Aber zu den Wunden des Körpers kommen die der Seele hinzu. Wie viel Angst! Jesus ist allein: Verraten, ausgeliefert und verleugnet von den Seinen, von seinen Freunden, auch von seinen Jüngern, verurteilt von religiöser und ziviler Macht, exkommuniziert, fühlt Jesus sich sogar von Gott verlassen (vgl. V. 46). Am Kreuz erscheint auch der Grund für die Verurteilung: «Das ist Jesus, der König der Juden» (V. 37). Es ist ein Hohn: Er, der geflohen ist, als sie versuchten, ihn zum König zu machen (vgl. Joh 6,15), wird dafür verurteilt, dass er sich selbst zum König gemacht hat; obwohl er kein Verbrechen begangen hat, wird er zwischen zwei Verbrecher gestellt und der gewalttätige Barabbas wird ihm vorgezogen (vgl. Mt 27,15-21). Kurz gesagt, Jesus ist an Leib und Seele verwundet. Ich frage mich: Wie hilft das unserer Hoffnung? Jesus nackt, von allem entblößt, was sagt das meiner Hoffnung, wie hilft es mir?
Auch wir sind verletzt: Wer ist nicht verletzt im Leben? Und sehr oft mit verborgenen Wunden: Aus Scham verbergen wir sie. Wer trägt nicht die Narben vergangener Entscheidungen, Missverständnisse, Schmerzen, die im Inneren bleiben und schwer zu überwinden sind? Aber auch von erlittenem Unrecht, von scharfen Worten, von harten Urteilen? Gott verbirgt vor unseren Augen die Wunden nicht, die seinen Körper und seine Seele durchbohrt haben. Er zeigt sie, um uns zu zeigen, dass zu Ostern ein neuer Durchgang geöffnet werden kann: Lichtlöcher aus seinen Wunden machen. Aber Eure Heiligkeit, übertreiben Sie nicht, könnte mir jemand sagen. Nein es ist wahr: versuch es, versuch es. Versuch, das zu tun. Denk an deine Wunden, die nur du kennst, die jeder im Herzen versteckt hat. Und schau den Herrn an. Und du wirst sehen, wie aus diesen Wunden Lichtlöcher kommen. Jesus klagt am Kreuz nicht, sondern liebt. Er liebt und vergibt denen, die ihn verletzen (vgl. Lk 23,34). So verwandelt er Böses in Gutes, so verwandelt er Schmerz in Liebe.
Brüder und Schwestern, es geht also nicht darum, vom Leben nur ein wenig oder viel verletzt zu werden, der Punkt ist, was mit diesen Wunden zu tun ist. Die kleinen, die großen, die für immer ein Mal auf meinem Körper und in meiner Seele hinterlassen. Was mache ich mit meinen Wunden? Was machst du, du, du mit deinen Wunden? ,Nein Vater, ich habe keine Wunden' - ,Achtung, denk zweimal nach, bevor du das sagst'. Und ich frage dich: was machst du mit deinen Wunden, die nur du kennst? Du kannst sie sich in Groll und Traurigkeit entzünden lassen oder ich kann sie mit denen von Jesus vereinen, sodass auch meine Wunden leuchten. Denkt an die vielen jungen Leute, die die eigenen Wunden nicht aushalten und im Selbstmord einen Weg der Rettung suchen: heute, in unseren Städten, viele junge Menschen, die keinen Ausweg sehen, die keine Hoffnung haben und lieber darüber hinweggehen mit der Droge, mit der Gedankenlosigkeit... die Armen! Denkt an sie. Und du, was ist deine Droge, um die Wunden zu verdecken? Unsere Wunden können zu Quellen der Hoffnung werden, wenn wir, anstatt uns selbst zu bemitleiden oder sie zu verbergen, die Tränen anderer abwischen; wenn wir, anstatt uns über das zu ärgern, was uns genommen wird, uns um das kümmern, was anderen fehlt; wenn wir uns, statt in uns selbst zu grübeln, den Leidenden zuneigen; wenn wir, anstatt nach Liebe zu uns zu dürsten, diejenigen sättigen, die uns brauchen. Denn nur wenn wir aufhören, an uns selbst zu denken, finden wir uns selbst. Aber wenn wir weiter nur an uns selbst denken, finden wir uns nicht mehr. Und dadurch, sagt die Schrift, heilen unsere Wunden schnell (vgl. Jes 58,8) und die Hoffnung blüht wieder auf.
Denkt nach: eas kann ich für die anderen tun? Ich bin verwundet. Ich bin verweundet durch Sünde, durch die Geschichte, jeder hat seine eigene Wunde. Was mache ich? Lecke ich meine Wunden so, das ganze Leben? Oder sehe ich die Wunden anderer an und gehe ich mit der verwundeten Erfahrung meines Lebens, um zu heilen, um den anderen zu helfen? Das ist die Herausforderung heute, für alle von euch. Möge der Herr uns dabei helfen, vorwärts zu gehen.
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