Papst: Ich träume von einer pastoraleren und offeneren Kirche
Mario Galgano - Vatikanstadt
Es gibt eine Sache, die den Papst in den letzten Jahren besonders glücklich gemacht hat: „Alles, was die pastorale Linie der Vergebung und des Verständnisses für die Menschen betrifft. Jedem einen Platz in der Kirche zu geben.“ Das antwortet Franziskus der Journalistin der argentinischen Tageszeitung „La Nación“, Elisabetta Piqué, in einem neuen Interview in der Casa Santa Marta anlässlich des 10-jährigen Jubiläums seiner Wahl am 13. März.
Eine Kirche mit offenen Türen
Sein Traum sei es, Türen zu öffnen: „Offene Türen, das ist es, was ich wirklich will. Türen öffnen und Wege gehen“. Und die Kirche, die er sich für die kommenden Jahre vorstelle, sei eine Kirche, die „pastoraler, gerechter und offener“ sei, so wie es das Zweite Vatikanische Konzil vorgezeichnet habe: „Wir müssen diesen Weg gehen. Nun ist die Konkretisierung schwierig“, gab er zu. Die Interviewerin unterstrich die Tatsache, dass Franziskus viel auf die „verlorenen Schafe“ schaue und dass diese Haltung einige Katholiken in eine Krise gebracht hätte, wie es dem älteren Bruder im Gleichnis vom verlorenen Sohn erging: „Das passiert immer“, so der Papst, „ein Schlüsselwort Jesu ist 'alle'. Für mich ist das der Schlüssel zur pastoralen Offenheit. Alle sind im Haus. Es ist ein Geschrei, aber alle sind im Haus.“
Natürlich, so betonte er, gebe es Widerstand und Opposition gegen Veränderungen, sogar „Jesus hatte eine Menge Opposition“, aber es sei notwendig, in der „Freiheit des Heiligen Geistes“ zu handeln und den Willen Gottes zu suchen. Franziskus sprach über die Ausbildung künftiger Priester und wies auf die Notwendigkeit einer Überprüfung der Priesterseminare hin.
Zu den Reformen in der Kirche
Zum Thema Reformen merkte er an, dass „die Dikasterien neu organisiert worden sind und das Kardinalskollegium selbst jetzt freier ist“. In Bezug auf den wirtschaftlichen Bereich des Heiligen Stuhls würdigte er den verstorbenen Kardinal George Pell, der ihm geholfen hatte, die Wirtschaftsreform auf den Weg zu bringen: „Ich bin ihm sehr dankbar.“ Jetzt helfe ihm das Wirtschaftssekretariat in dieser Hinsicht sehr. Vorher sei es Pater Juan Antonio Guerrero Alves SJ gewesen, „der in dreieinhalb Jahren die Dinge systematisiert hat, und jetzt ist es ein Laie, Maximino Caballero“, erinnerte der Papst.
In Bezug auf die Bedeteung des Papsttums, die in seinem programmatischen Dokument erwähnt wird, erinnerte er an das, was Paul VI. getan habe, „ein großer Mann, ein Heiliger“, an Johannes Paul II. „der große Verkünder der Frohen Botschaft“, an Johannes Paul I. „der enge Seelsorger, der bestimmten Dingen, die nicht gut liefen, ein Ende setzen wollte“, und an Benedikt XVI., „ein mutiger Mann“, der sich durch die Tiefe seines Lehramtes auszeichnete: „Er war der erste Papst, der die Frage des Missbrauchs offiziell ansprach. Er war ein großer Theologe, aber er war auch ein Mann, der sich selbst aufs Spiel gesetzt hat. Ich vermisse Benedikt, weil er ein Wegbegleiter war.“
Das Stimmrecht auf der Synode
In Bezug auf die Synodalität betont er, dass es sich um einen fortlaufenden Prozess handele: „Vor etwa zehn Jahren wurde ernsthaft darüber nachgedacht, und es wurde ein Dokument verfasst, das ich zusammen mit den Theologen unterzeichnet habe, in dem es heißt: Das ist das Maximum, das wir erreicht haben, jetzt ist etwas mehr nötig.“ So sei zum Beispiel von allen akzeptiert worden, dass Frauen nicht wählen dürfen: „In der Synode für das Amazonasgebiet wurde also die Frage gestellt: Warum dürfen Frauen nicht wählen? Sind sie Christen zweiter Klasse?“ Auf die Frage der Journalistin, ob jetzt nur eine Frau oder alle wählen werden, antwortete der Papst: „Alle, die an der Synode teilnehmen, werden wählen. Eingeladene oder Beobachter werden nicht abstimmen. Jeder, der an einer Synode teilnimmt, hat das Recht zu wählen. Ob Mann oder Frau. Alle, alle. Das Wort 'alle' ist für mich grundlegend.“
Die Gefahren der Gender-Ideologie
Franziskus bekräftigt dann, dass er keine neue Enzyklika schreibe und verneint die Frage, ob er gebeten worden sei, ein Dokument zum Thema Gender zu schreiben. In diesem Zusammenhang bekräftigt er, dass er „immer einen Unterschied zwischen der pastoralen Arbeit mit Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung und der Gender-Ideologie macht“. Das seien zwei verschiedene Dinge. Die Gender-Ideologie sei gegenwärtig eine der gefährlichsten ideologischen Kolonisierungen. Sie gehe über die sexuelle Sphäre hinaus. „Warum ist sie so gefährlich? Weil sie die Unterschiede verwässert, und der Reichtum von Männern und Frauen und der gesamten Menschheit besteht in der Spannung der Unterschiede. Sie wächst durch die Spannung der Unterschiede. Die Geschlechterfrage verwässert die Unterschiede und macht die Welt gleich, alles stumpft ab, alles ist gleich. Und das widerspricht der menschlichen Berufung“, so der Papst.
Ukraine: Die Friedensaktion des Heiligen Stuhls
Die Interviewerin führte dann das Thema Ukraine ein und fragte den Papst, ob die Massaker, die in diesem Land verübt worden seien, als Völkermord definiert werden könnten: „Es ist sicherlich ein technisches Wort, Völkermord“ - antwortet Franziskus – „aber es ist offensichtlich, dass, wenn Schulen, Krankenhäuser, Unterkünfte bombardiert werden, der Eindruck nicht so sehr der ist, einen Ort zu besetzen, sondern zu zerstören ... Ich weiß nicht, ob dies ein Völkermord ist oder nicht, es muss untersucht werden, es muss von den Menschen gut definiert werden, aber es ist sicherlich nicht eine Kriegsethik, die wir gewohnt sind.“
Der Papst fügt hinzu, dass der Vatikan derzeit auf diplomatischem Wege handelt, „um zu sehen, ob etwas erreicht werden kann“, präzisiert aber, dass es „keinen Friedensplan“ des Vatikans gebe, sondern vielmehr „einen Dienst des Friedens“, der diskret mit denjenigen vorangeht, die für den Dialog offen sind, auch im Hinblick auf ein Treffen von Vertretern auf internationaler Ebene zu diesem Thema: „Der Vatikan arbeitet daran.“
Dann bekräftigt der Papst abermals: „Ich bin bereit, nach Kyiv zu gehen. Ich möchte nach Kyiv gehen. Aber unter der Bedingung, dass ich auch nach Moskau gehe. Ich werde an beide Orte gehen oder an keinen.“ Auf die Frage, was wenn es unmöglich sei, nach Moskau zu gehen, antwortet er: „Es ist nicht unmöglich ... Ich sage nicht, dass es möglich ist. Aber es ist nicht an sich unmöglich. Wir hoffen, dass wir es schaffen ... Es gibt kein Versprechen, nichts. Ich habe diese Tür nicht geschlossen.“ Aber hat Putin sie nicht selber geschlossen?, fragt der Interviewerin. Dazu der Papst: „Aber vielleicht lässt er sich ablenken und öffnet sie, ich weiß es nicht. Der Krieg tut mir weh“, fügt er hinzu, „das ist es, was ich sagen will. Der Krieg tut mir weh.“
Reise nach Argentinien
Dann ist da noch das Thema einer möglichen Reise nach Argentinien. Der Papst bekräftigt, dass er gerne nach Argentinien reisen würde und dass, wenn er es bisher nicht getan habe, dies aus einer Reihe von Gründen geschah, die sich im Laufe der Zeit summiert hätten: „Es gab keine Weigerung zu gehen, es war alles geplant ... es geschah, dass die Dinge kompliziert wurden ... es gab zwei Jahre der Pandemie, die die Reisen, die gemacht werden mussten, ausfallen ließen ... Ich möchte gehen, ich hoffe, ich kann gehen. Ich hoffe, dass ich es schaffe.“ Und er fügt hinzu: „Die Rettung des Landes wird nicht von meiner Reise abhängen. Ich werde gerne gehen, aber ich denke ein wenig über die Dinge nach, die getan werden müssen, damit das Land vorankommt.“
Wissen, wie man wartet
Auf die Frage nach den Fehlern, die in den zehn Jahren seines Pontifikats begangen wurden, verweist der Papst schließlich auf die Ursache eines jeden Fehlers, die Ungeduld: „Manchmal steigt mir das Blut zu Kopf. Dann verliert man die Geduld, und wenn man die Ruhe verliert, rutscht man aus und macht Fehler. Man muss wissen, wie man wartet.“
(vatican news)
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