Papst Franziskus hofft weiter auf Friedens-Dialog mit Moskau
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Natürlich sei es „immer schwierig“, mit Staaten zu sprechen, die einen Krieg vom Zaun gebrochen hätten, so Franziskus auf der „fliegenden Pressekonferenz“.
„Es ist schwierig, aber wir dürfen es nicht für aussichtslos erklären, wir müssen die Möglichkeit eines Dialogs mit allen – mit allen! – offenhalten. Denn im Dialog gibt es immer die Möglichkeit, dass sich Dinge ändern, dass man auch andere Ansichten vorbringt. Ich schließe den Dialog mit keiner Macht aus – ob sie im Krieg steht oder ob sie der Angreifer ist. Solcher Dialog ist nötig: Er stinkt sozusagen, aber er ist nötig.“
Differenziert äußerte sich der Papst auf die Frage eines deutschen Journalisten, ob es richtig sei, der Ukraine Waffen zu liefern. Das sei einerseits „eine politische Entscheidung“, doch habe sie wichtige moralische Implikationen.
„Sie kann unmoralisch sein, wenn dahinter die Absicht steht, den Krieg anzuheizen, oder Waffen zu verkaufen - oder Waffen wegzugeben, die mir zu nichts mehr nutze sind. Die Motivation ist es, was zu großen Teilen den moralischen Charakter dieses Tuns bestimmt. Sich (gegen einen Angriff) zu verteidigen, ist hingegen nicht nur erlaubt, sondern auch ein Ausdruck der Liebe zum Vaterland.“
Lob für deutsche Bemühungen um Wiedergutmachung nach dem Weltkrieg
Franziskus rief wie schon in , schärfer über den theologischen Begriff des „gerechten Kriegs“ nachzudenken. Und er lobte dem deutschen Fragesteller gegenüber ausdrücklich die Bemühungen Deutschlands um Aufarbeitung und Wiedergutmachung nach dem Zweiten Weltkrieg.
„Eines der Dinge, die ich von euch gelernt habe, ist die Fähigkeit, zu bereuen und für die Irrtümer des Kriegs um Vergebung zu bitten. Und mehr als das: nicht nur um Vergebung zu bitten, sondern auch für die Irrtümer des Kriegs zu bezahlen! Das stellt euch ein gutes Zeugnis aus! Das ist ein Beispiel, dem man folgen sollte.“ Der hl. Papst Johannes Paul II. (1978-2005) hat im Heiligen Jahr 2000 in einem Bußakt im Petersdom um Vergebung für die Sünden und Verbrechen von Katholiken im Lauf der Geschichte gebeten: eine sogenannte „Reinigung des Gedächtnisses“.
Geduld und Dialogbereitschaft gegenüber China
Nicht nur gegenüber Russland, sondern auch gegenüber China bekräftigte Franziskus auf der „fliegenden Pressekonferenz“ seine Dialogbereitschaft. Der chinesische Präsident Xi Jinping hat zeitgleich mit dem Papst Kasachstan besucht; zu einer Begegnung der beiden ist es aber nicht gekommen.
„Um China zu verstehen, braucht es ein Jahrhundert – und wir leben nicht unbedingt ein Jahrhundert lang… Wir haben den Weg des Dialogs gewählt und sind offen für Dialog. Es gibt eine bilaterale vatikanisch-chinesische Kommission, die gut arbeitet, aber langsam, denn der chinesische Rhythmus ist langsam… Das ist ein Volk von unendlicher Geduld… Es ist nicht leicht, die chinesische Mentalität zu verstehen, aber man muss sie respektieren.“
Ob er China für „antidemokratisch“ halte, wollte der Papst nicht beantworten. Stattdessen bekräftigte er, man dürfe beim Versuch, mit China ins Gespräch zu kommen, „die Geduld nicht verlieren“.
Dem Westen bescheinigte er auf eine weitere Frage hin, derzeit nicht in bester Verfassung zu sein: „Er ist kein Erstkommunionkind, wirklich nicht… Denken wir mal an den politischen und mystischen Geist von Schuman, Adenauer und De Gasperi, diesen Großen – wo sind sie heute?“ Franziskus, der 2016 mit dem Aachener Karlspreis ausgezeichnet wurde, beklagte „soziale Ungerechtigkeit“, mangelhafte Aufnahme von Migranten, Populismus und den „demographischen Winter“ in vielen europäischen Ländern.
Pläne zu einem neuerlichen Papstbesuch am Golf
Die Fragen, die dem Papst hoch über den Wolken gestellt wurden, streiften wie üblich alle möglichen Schauplätze. Das Regime von Nicaragua rief der lateinamerikanische Papst dazu auf, zumindest die des Landes verwiesenen Mutter-Teresa-Schwestern wieder zuzulassen; auf die Frage nach seiner Haltung zu aktiver Sterbehilfe versetzte er, man solle das Töten besser den Tieren überlassen.
Was künftige Reisen betrifft, sprach der 85-Jährige von seiner Hoffnung, die verschobene Reise nach Südsudan und Kongo im nächsten Februar nachzuholen; darüber habe er in diesen Tagen mit dem anglikanischen Primas Justin Welby, der ihn auf dieser Reise begleiten soll, gesprochen. Die nächste Reise (für November ist ein Besuch in Bahrein geplant, Anm.) wolle er auf jeden Fall antreten, sagte er vor den Journalisten. Franziskus hat 2019 als erster Papst der Geschichte die arabische Halbinsel besucht.
Auch auf die Fährnisse „vieler Kirchen in Europa, darunter der deutschen“, wurde der Papst von einem deutschen Reporter angesprochen. Er entgegnete, angesichts eines „Geistes der Säkularisierung, des Relativismus“ in einer Gesellschaft komme es darauf an, den eigenen Glauben kohärent zu leben.
„Wenn eine Kirche – ganz gleich, in welchem Land oder Bereich – mehr an Geld, an Entwicklung, an Pastoralpläne denkt als an Seelsorge und sich in diese Richtung bewegt, dann zieht das die Menschen nicht an… Ich glaube, die Hirten müssen vorangehen, aber wenn sie den Geruch der Schafe verloren haben und die Schafe den Geruch der Hirten, dann kommt man nicht vorwärts. Manchmal – ich spreche da von allen allgemein, nicht nur von Deutschland – denkt man darüber nach, wie man erneuern, wie man die Seelsorge moderner machen kann; das geht in Ordnung, aber es muss immer in den Händen eines Hirten liegen. Wenn die Seelsorge in den Händen der ‚Wissenschaftler‘ der Seelsorge liegt, die diese oder jene Meinung vertreten… Jesus hat die Kirche mit Hirten gemacht, nicht mit politischen Führern!“
Lob für die kasachischen Gastgeber
Der Papst lobte Bischöfe, die seinen Brief an die katholische Kirche in Deutschland vor Beginn des „Synodalen Wegs“ in ihren Bistümern verbreitet haben. Immer wieder verweist Franziskus, wenn man ihn auf die Reformbemühungen in Deutschland anspricht, auf diesen Brief.
Voll des Lobes war der Papst für die Gastgeber seiner Reise nach Kasachstan. Der Wille des Landes, „nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell voranzukommen“, habe ihn überrascht. Dass die Regierung sich schon seit zwanzig Jahren für den interreligiösen Dialog engagiere, zeuge von „Weitsicht“.
(vatican news)
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