ÃÛÌÒ½»ÓÑ

Blick zurück: Als Johannes Paul II. Kanada besuchte

Franziskus‘ Bußreise nach Kanada ist keineswegs die erste Visite eines Papstes in diesen Breiten: Auch Johannes Paul II. (1978-2005), der „Eilige Vater“, reiste mehrmals nach Kanada. Und auch ihm war die Begegnung mit den in Kanada lebenden einheimischen Völkern ein Anliegen: Die Stunde sei gekommen, „Wunden zu verbinden und alle Spaltungen zu heilen“.

Zusammengestellt von Schwester Bernadette M. Reis, Vatikanstadt

1984: Die erste Apostolische Reise nach Kanada, Johannes Paul II. landet in Québec. Es ist der 9. September; bis zum 20. September tourt er durchs Land, verlässt es schließlich wieder von Ottawa aus. Die zwölf Tage geben ihm Gelegenheit, mehrfach mit Vertretern indigener Völker zusammenzutreffen, die in Kanada leben.

Die Kirche ist deine Kirche

Am 10. September, dem Tag nach seiner Ankunft in Kanada, begegnet der Papst einer Gruppe ursprünglicher Völker (darunter auch Inuit) im Nationalheiligtum von Saint Anne de Beaupré in Québec, einer jahrhundertealten Kult- und Pilgerstätte in Nordamerika. Unter den Anwesenden sind zehn verschiedene nationale Gruppen vertreten.

Im englischen Teil seiner Ansprache spricht Johannes Paul II. von der Bedeutung der „Versöhnung zwischen den Völkern“. „Wenn wir wirklich glauben, dass Gott uns nach seinem Ebenbild geschaffen hat“, sagt er, „werden wir in der Lage sein, einander mit unseren Unterschieden zu akzeptieren“. Er fügt hinzu, dass nur Jesus „die Ketten“ jeder Form von Egoismus sprengen könne. Der schönste Teil seiner Rede erläutert das Wesen der Kirche: „Es ist eure Kirche.... Sie ist wie die Verstecke, die eure Vorfahren entlang der Routen ihrer Reisen eingerichtet haben, damit niemand auf einmal ohne Proviant dasteht“.

Ansprache Johannes Pauls am 10. September 1984 im Nationalheiligtum von St. Anne de Beaupré

Christus ist selbst Indianer

Am 15. September besucht Papst Johannes Paul den Wallfahrtsort der kanadischen Märtyrer in Huronia; dort feiert er einen Wortgottesdienst. Es ist seine zweite Begegnung mit Vertretern der indigenen Bevölkerung. Insgesamt nehmen etwa 100.000 Gläubige an der Veranstaltung auf dem Platz vor dem Heiligtum teil.

In seinen Worten erinnert der Heilige Vater an die Geschichte der Jesuitenmission Sainte-Marie bei den Huronen – und daran, dass das Märtyrerheiligtum 1644 von einem seiner Vorgänger, Papst Urban VIII., „als Wallfahrtsort, dem ersten seiner Art in Nordamerika“, bestätigt wurde. Dieser Ort sei ein „Symbol der Einheit des Glaubens in einer Vielfalt von Kulturen“.

Johannes Paul erinnert an die acht Jesuiten, die in der Mission lebten: „Diese Missionare gaben ihr Leben hin und freuten sich auf den Tag, an dem die Eingeborenen ihre volle Reife erlangen und die Führung in ihrer Kirche ausüben würden. Der heilige Johannes de Brébeuf träumte von einer Kirche, die voll und ganz katholisch und voll und ganz huronisch ist“.

Mit Blick auf die Kulturen der indigenen Völker sagt Papst Johannes Paul: „Im Laufe ihrer langen Geschichte ist die Kirche selbst ständig durch neue Traditionen bereichert worden, die ihrem Leben und ihrem Erbe hinzugefügt wurden. Und heute sind wir dankbar für die Rolle, die die indigenen Völker nicht nur im multikulturellen Gefüge der kanadischen Gesellschaft, sondern auch im Leben der katholischen Kirche spielen“. Und er erinnert seine Zuhörer daran, dass „das Christentum nicht nur für das indianische Volk von Bedeutung ist, sondern dass Christus in den Gliedern seines Leibes selbst ein Indianer ist“.

Ansprache von Papst Johannes Paul im Märtyrerheiligtum Huronia am 15. September 1984

Ich proklamiere eure Würde und unterstütze euer Schicksal

Das ursprüngliche Programm der Papstreise nach Kanada von 1984 hatte eigentlich auch eine weitere Begegnung mit „First Nations“, Métis, Inuit in Fort Simpson vorgesehen; doch wegen schlechten Wetters konnte der Gast aus Rom dort nicht landen. Stattdessen verkündete er die Botschaft, die er für diese Gelegenheit vorgesehen hatte, von Yellowknife aus.

„Euch zu grüßen bedeutet, den Anfängen der menschlichen Gesellschaft in dieser weiten Region Nordamerikas Ehrerbietung zu erweisen. Euch zu grüßen bedeutet, mit Ehrfurcht an Gottes Plan und Vorsehung zu erinnern, wie sie sich in eurer Geschichte entfaltet und euch bis zum heutigen Tag geführt haben. Euch in diesem Teil eures Landes zu grüßen bedeutet, die Ereignisse des menschlichen Lebens heraufzubeschwören, die sich auf dem Schauplatz von Gottes ursprünglicher Schöpfung, der majestätischen Natur in diesen Breiten, abgespielt haben. Gleichzeitig blicke ich auf eure Vergangenheit zurück, um eure Würde zu proklamieren und euer Schicksal zu unterstützen.“

Dann zitierte er ein Dokument aus dem Jahr 1537 mit dem Titel Pastorale Officium, in dem sein Vorgänger Paul II. „die Rechte der einheimischen Völker jener Zeit unterstrich“, so Johannes Paul. „Er bekräftigte ihre Würde, verteidigte ihre Freiheit und versicherte, dass sie nicht versklavt oder ihrer Güter und ihres Eigentums beraubt werden dürften.“ Aber er sprach auch die Realität an: „Aus der Geschichte geht hervor, dass eure Völker im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Opfer von Ungerechtigkeiten durch Neuankömmlinge wurden, die in ihrer Blindheit oft eure gesamte Kultur als minderwertig ansahen“.

„Die Stunde ist gekommen, um die Wunden zu verbinden und alle Spaltungen zu heilen. Es ist eine Zeit der Vergebung, der Versöhnung und des Engagements für den Aufbau neuer Beziehungen. Heute möchte ich die Freiheit verkünden, die für ein gerechtes und angemessenes Maß an Selbstbestimmung in eurem eigenen Leben als indigene Völker erforderlich ist. Gemeinsam mit der ganzen Kirche verkünde ich alle eure Rechte - und die damit verbundenen Pflichten. Und ich verurteile auch die physische, kulturelle und religiöse Unterdrückung…“

Auszüge aus der Radio- und Fernsehbotschaft von Papst Johannes Paul II. an die indigenen Völker Kanadas vom 18. September 1984

Dies ist eine entscheidende Zeit in eurer Geschichte

Zum Abschluss einer Reise in die Vereinigten Staaten im September 1987 besuchte Papst Johannes Paul II. schließlich am 20. September Fort Simpson in Kanada. Es war fast auf den Tag genau drei Jahre nach seinem durch die Unbilden des Wetters verhinderten Besuch von 1984.

In seiner Ansprache wiederholte Papst Johannes Paul einiges von dem, was er in seiner Fernseh- und Radiorede vom 18. September 1984 vorgestellt hatte. Er bekräftigte erneut ihr „Recht auf ein gerechtes und angemessenes Maß an Selbstverwaltung, zusammen mit eigenem Territorium und angemessenen Ressourcen, die für die Entwicklung einer lebensfähigen Wirtschaft für die heutigen und zukünftigen Generationen notwendig sind“.

„Ist das nicht die tiefste Hoffnung der Indianer, Métis und Inuit in Kanada? Mehr zu sein!“ Mehr sein zu wollen, so erklärte Johannes Paul, dürfe aber nicht nur in „vermehrtem Besitz“ gesucht werden: „Ein Volk, das so handeln würde, würde dadurch das Beste seines Erbes verlieren; um zu leben, würde es seine Lebensgründe opfern“.

„Was würde aus dem Leben der Indianer, Inuit und Métis werden, wenn sie aufhören würden, die Werte des menschlichen Geistes zu fördern, die sie seit Generationen erhalten haben? Wenn sie die Erde und ihre Gaben nicht mehr als etwas betrachten, das ihnen vom Schöpfer treuhänderisch gegeben wurde? Wenn die Bande des Familienlebens geschwächt werden und die Instabilität ihre Gesellschaften untergräbt? Wenn sie eine fremde Denkweise annehmen, in der die Menschen nach dem, was sie haben, und nicht nach dem, was sie sind, betrachtet werden?“

„Die Seele der Ureinwohner Kanadas hungert nach dem Geist Gottes, denn sie hungert nach Gerechtigkeit, Frieden, Liebe, Güte, Stärke, Verantwortung und Menschenwürde! Dies ist eine entscheidende Zeit in eurer Geschichte. Es ist wichtig, dass ihr geistig stark und klarsichtig seid, wenn ihr die Zukunft eurer Stämme und Nationen aufbaut. Seid versichert, dass die Kirche diesen Weg mit euch gehen wird!“

Papst Johannes Paul II. an die indigenen Völker, Fort Simpson, 20. September 1987

Eure Lebensweise muss bewahrt und gepflegt werden

Nach der Zeremonie auf dem Fort Simpson Camp Ground feierte der Papst eine Messe – und lobte in seiner Predigt die „vertrauensvolle Beziehung“ der Ureinwohner zum Schöpfer. „Sie betrachten die Schönheit und den Reichtum des Landes als aus seiner gütigen Hand stammend.“

„Als indigene Völker stehen Sie vor einer großen Herausforderung: der Förderung der religiösen, kulturellen und sozialen Werte, die Ihre Menschenwürde bewahren und Ihr künftiges Wohlergehen sichern sollen. Ihr Sinn für das Teilen, Ihr Verständnis von menschlicher Gemeinschaft, das in der Familie verwurzelt ist, die hochgeschätzten Beziehungen zwischen Alten und Jungen, Ihre spirituelle Sicht der Schöpfung, die zu verantwortungsvoller Pflege und zum Schutz der Umwelt aufruft - all diese traditionellen Aspekte Ihrer Lebensweise müssen bewahrt und gepflegt werden.“

Predigt von Papst Johannes Paul während der Messe in Fort Simpson, Kanada, am 20. September 1987

(vatican news – sk)

 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

25. Juli 2022, 10:03