Papst hält Kiew-Besuch für nicht friedensdienlich
Anne Preckel – Vatikanstadt
Auf die Frage des argentinischen Journalisten Joaquín Morales Sol, warum er nicht nach Kiew reise, wo „die einfachen Leute sicher auf Sie warten“, : „Ich kann nichts tun, was die höheren Ziele gefährden würde, nämlich ein Ende des Krieges, einen Waffenstillstand oder zumindest einen humanitären Korridor. Welchen Sinn hätte es, wenn der Papst nach Kiew reist und der Krieg am nächsten Tag weitergeht?“ Der Vatikan hatte zuletzt zu verstehen gegeben, dass Möglichkeiten eines Papstbesuches in Kiew ausgelotet würden.
Zugleich machte der Papst deutlich, dass er bereit sei, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um den Krieg zu beenden: „Es ist für jeden, der es genau sehen will, klar, dass ich der Regierung signalisiert habe, dass sie den Krieg im nächsten Augenblick beenden kann“, so Franziskus mit Verweis auf sein selbst initiiertes Gespräch mit dem russischen Botschafter beim Heiligen Stuhl. „Um ehrlich zu sein, würde ich gerne etwas dafür tun, dass es in der Ukraine keinen einzigen Toten mehr gibt. Nicht eine mehr. Und ich bin bereit, alles zu tun“, versicherte der Papst.
Papst suchte Botschafter auf
Franziskus hatte am 25. Februar überraschend die russische Botschaft beim Heiligen Stuhl aufgesucht und dort eine halbe Stunde mit Botschafter Alexander Avdeev gesprochen. Franziskus‘ Aufsuchen des Botschafters kann als sehr ungewöhnlich eingestuft werden. : „Ich war allein. Ich wollte nicht, dass mich jemand begleitet. Das war meine persönliche Verantwortung. Diese Entscheidung habe ich in einer Nacht des Nachdenkens über die Ukraine getroffen.“
Mit Blick auf Vermittlungsbemühungen des Vatikans für ein Ende des Krieges in der Ukraine sagte der Papst: „Es gibt immer Bemühungen. Der Vatikan ruht nie.“ Einzelheiten könne er aber nicht nennen, da es sich „dann nicht mehr um diplomatische Bemühungen handeln“ würde. „Aber die Versuche werden nie aufhören“, so Franziskus. Auf die Frage, warum er denn bei seinen Friedensappellen nie Putin oder Russland namentlich nenne, erklärte das katholische Kirchenoberhaupt: „Ein Papst benennt niemals ein Staatsoberhaupt, geschweige denn ein Land, das seinem Staatsoberhaupt überlegen ist.“
Sein Verhältnis zum russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I., der den Ukraine-Krieg rechtfertigt, bezeichnete der Papst in dem Interview als „sehr gut“, ohne auf dessen Haltung zu Putins Krieg einzugehen. Er bedauere, dass der Vatikan ein zweites Treffen mit dem Patriarchen, das für Juni angesetzt war, habe absagen müssen: „Aber unsere Diplomatie war sich darüber im Klaren, dass ein Treffen zwischen den beiden zu diesem Zeitpunkt zu viel Verwirrung führen könnte.“
Verhältnis zur Orthodoxie: Papst setzt auf Dialog
Jeder Krieg sei „in dieser Welt und auf dieser Stufe der Zivilisation anachronistisch“, unterstrich Franziskus. Dass er bei einer seiner letzten Generalaudienzen öffentlich die ukrainische Flagge geküsst habe, sei „eine Geste der Solidarität mit ihren Toten, mit ihren Familien und mit denen, die unter der Emigration leiden“, gewesen, erklärte er weiter.
Journalismus und Argentinien
Weiter drehte sich das Interview um die Themen Journalismus und einen möglichen Argentinien-Besuch des Papstes. Unter den „Versuchungen des Journalismus“ sei Desinformation „die schwerwiegendste“, so Franziskus: „Journalismus ist ein edler Beruf, wenn er seine Aufgabe, zu informieren, erfüllt. Desinformation ist das Gegenteil von Information.“
Seine alte Heimat würde er gerne wiedersehen, denn er habe Argentinien „nie vergessen“, so der Papst. Für einen Besuch müssten allerdings „mehrere Umstände zusammenkommen“, fügte er an ohne konkreter zu werden.
-letzte Aktualisierung um 12.10: Themen Journalismus und Argentinien -
(la nacion/vatican news – pr)
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