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Kuss eines Papstes auf Füße, die auf Abwege gerieten - an diesem Gründonnerstag im römischen ³Ò±ð´Úä²Ô²µ²Ô¾±²õ von Civitavecchia Kuss eines Papstes auf Füße, die auf Abwege gerieten - an diesem Gründonnerstag im römischen ³Ò±ð´Úä²Ô²µ²Ô¾±²õ von Civitavecchia 

Papst wäscht Häftlingen die Füße: „Dient und bittet um Vergebung“

Papst Franziskus hat Häftlingen eines italienischen ³Ò±ð´Úä²Ô²µ²Ô¾±²õses die Füße gewaschen und mit ihnen die Messe vom letzten Abendmahl gefeiert. Der private, knapp zweistündige Besuch fand am Donnerstagnachmittag im ³Ò±ð´Úä²Ô²µ²Ô¾±²õ von Civitavecchia etwa 70 Kilometer von Rom statt, wie der Vatikan im Anschluss mitteilte.

Salvatore Cernuzio und Anne Preckel – Vatikanstadt

Im Gefängnis von Civitavecchia kniet Papst Franziskus, dem bei seiner jüngsten Maltareise das Gehen teils schwerfiel, an diesem Gründonnerstag vor zwölf Häftlingen nieder, wäscht und küsst ihre Füße. Es sind Männer und Frauen unterschiedlichen Alters und verschiedener Nationalitäten. Seine Geste sei ein Zeichen, das bedeute: „,Ich verurteile niemanden. Ich versuche, allen zu dienen'", erklärt der Papst dazu während der Messe zum letzten Abendmahl, ,in Coena Domini', die er in der Haftanstalt feiert.

Der Häftling Balduz nimmt nach der Fußwaschung seine Maske ab und küsst die Hand des Papstes, dann legt er seine Stirn auf sie. Er tut dies zweimal. In Ägypten, wo er herkommt, ist das ein Zeichen höchster Dankbarkeit. „Danke“, flüstert der Mann, der am 8. Juni in die Freiheit zurückkehren wird. „Danke“, antwortet der Papst.

Auch der 38-jährige Daniele ist nach der Fußwaschung bewegt: „So etwas passiert einem nur einmal im Leben“, sagt der Italiener mit dem Plastikrosenkranz am Hals. Er war Vorsitzender eines Vereins für behinderte Kinder und landete „wegen einer Dummheit“ im Gefängnis: „Während der Pandemie wurde das Geld knapp und ich habe ein Verbrechen begangen“. Nach zwei Jahren Haft wird Daniele bald zu seiner Familie zurückkehren können. Papst Franziskus empfiehlt ihm, jeden Tag zu beten. Der junge Mann bejaht. Er sagt: „Das Gefängnis hat mich gerettet. Ich hätte sonst einen schlechteren Weg eingeschlagen.“

Zögert nicht, sich zu bücken: Papst Franziskus
Zögert nicht, sich zu bücken: Papst Franziskus

Es sind Häftlinge aus Italien, Nigeria, Ägypten, der Slowakei, der Ukraine, den Niederlanden, Albanien und Amerika, die Papst Franziskus in der Haftanstalt von Civitavecchia besucht. Franziskus wäscht ihnen allen die Füße und wiederholt damit die Geste Jesu beim letzten Abendmahl. Insgesamt 530 Insassen sind in dem Gefängnis untergebracht, hinzu kommt ein Gefängnispersonal von mehreren hundert Menschen, die täglich in diesem ganz eigenen Kosmos wirken. Beim Papstbesuch sind die Direktion der Haftanstalt wie auch die italienische Justizministerin Marta Cartabia anwesend.

Nicht alle können an diesem Gründonnerstag an der Abendmahlsmesse mit Franziskus in der Gefängniskapelle teilnehmen, doch der Jubel ist groß, als der Papst den Raum betritt: „Viva il Papa! Daje Francé!" Die Messfeier wird von Häftlingen musikalisch gestaltet, die auch als Messdiener und Lesende dienen. Ein Mann mit kahlgeschorenem Kopf und einer Tätowierung im Gesicht stimmt den Refrain an, gemeinsam wird gesungen, der Papst lächelt.

Dienen und vergeben

„Wie schön wäre es, wenn dies jeden Tag und für alle Menschen möglich wäre: aber es gibt immer ein Interesse, das wie eine Schlange ist, die hereinkommt“

Die Predigt des Papstes dreht sich um die Themen Vergebung und Dienen. Franziskus spricht über Jesu Zeichen der Fußwaschung an seinen Jüngern. Es sei schon „seltsam“, so Franziskus, „Jesus wäscht die Füße des Verräters, desjenigen, der ihn verkauft.“ Das sei Jesu Botschaft: „Ihr müsst euch untereinander die Füße waschen. Es ist das Symbol: Ihr müsst euch gegenseitig dienen; einer dient dem anderen, ohne Interesse. Wie schön wäre es, wenn dies jeden Tag und für alle Menschen möglich wäre: aber es gibt immer ein Interesse, das wie eine Schlange ist, die hereinkommt.“

Papst Franziskus spricht mit leiser Stimme. Statt Eigeninteressen zu verfolgen, gelte es „alles ohne Interesse zu tun“, schärft er seinen Zuhörern ein. Es gehe darum, einander zu dienen, Geschwister zu sein, den anderen wachsen zu lassen und zu korrigieren. „Auf diese Weise müssen die Dinge vorankommen. Dienen!“

„Bittet Jesus um Vergebung“

Und er fährt fort: „Gott vergibt alles und Gott vergibt immer! Wir sind es, die müde werden, um Vergebung zu bitten.“ Jeder trage vielleicht etwas im Herzen, das ihn belaste, habe eine „Leiche im Keller“, so Franziskus. „Bittet Jesus um Vergebung“, fährt er fort: „,Herr, vergib mir. Ich werde versuchen, anderen zu dienen, aber Du dienst mir mit Deiner Vergebung‘ - Es gibt einen, der richtet, aber es ist ein ziemlich seltsamer Richter, der Herr: Er richtet und vergibt.“

Einander dienen und vergeben – diesem Wunsch gelte es zu folgen. Das gelte auch für Priester: „Wir Priester sollten die Ersten sein, die anderen dienen, nicht andere ausbeuten", ergänzt Franziskus dann:  â€žKlerikalismus führt uns manchmal auf diesen Weg. Aber wir müssen dienen. Dies ist ein Zeichen, auch ein Zeichen der Liebe für diese Brüder und Schwestern und für Sie alle hier", sagt er. Am Ende der Predigt - langes Schweigen.

Messe in der Haftanstalt Civitavecchia
Messe in der Haftanstalt Civitavecchia

Gebete für diejenigen, die es nicht schaffen

Ein junger Mann betet „für unsere zerbrechlichsten Gefährten, die ihr Leben im Gefängnis verloren haben - auf dass der Herr sie in seine liebende Umarmung aufnehme und Glückseligkeit auf ihre Gesichter scheinen lasse“. Applaus brandet auf für die Gefährten, die es nicht geschafft haben. Gewalt, psychische Störungen, Süchte, soziale Ausgrenzung – im Raum des Gefängnisses sind Abgründe und Zerbrechlichkeit, aber auch Hoffnungen und Neuanfänge greifbar.  

Kamen sich ziemlich nahe: Papst und Gefängnisinsassen
Kamen sich ziemlich nahe: Papst und Gefängnisinsassen

Nach der Messe trifft der Papst noch in einem anderen Gebäude des Gefängniskomplexes mit Insassen der Hochsicherheitstraktes zusammen: Es sind weniger als fünfzig, verschiedenen Alters und mit unterschiedlichen Geschichten. Der Papst scherzt mit einigen von ihnen, einen Mann mit Pflaster auf der Nase fragt er: „Haben sie dich geschlagen?“ Der Mann lacht und schüttelt dem Papst die Hand. Ein älterer Mann öffnet einen Umschlag und zeigte einige Fotos: „Das sind meine Enkelkinder... ich habe sie nie gesehen“. Franziskus hört zu und schüttelt Hände, segnet Familien, streichelt Kindern die Wangen, nimmt Zeichnungen und Geschenke entgegen.

„Danke, danke für das, was Sie tun, und machen Sie weiter“

Franziskus spricht im Gefängnis auch mit Polizisten, Sozialarbeitern und Sicherheitsbeamten. „Ich kann nicht glauben, dass Sie hierhergekommen sind, Heiliger Vater“, sagt ein Wachmann. Der Papst dankt der Direktion der Haftanstalt und allen Mitarbeitern für ihren Einsatz: „Danke, danke für das, was Sie tun, und machen Sie weiter."

Besuch im Gefängnis von Civitavecchia: Geschenke für den Papst
Besuch im Gefängnis von Civitavecchia: Geschenke für den Papst

Ein Papst an der Peripherie

„Wir sind dem Heiligen Vater dankbar, dass er wieder einmal eine existenzielle Peripherie gewählt hat, um eine Botschaft der Nähe und der Hoffnung in die Welt zu tragen“, kommentierte Raffaele Grimaldi, Leiter der italienischen Gefängnisseelsorge, die Geste des Papstes, als er von dem Besuch erfuhr. „Zwölf Häftlingen die Füße zu waschen, sich vor ihrer Armut und Schwäche zu verneigen - denjenigen die Füße zu waschen, die den Weg der Gewalt gegangen sind und die Rechte der Unschuldigen mit Füßen getreten haben -, bedeutet für uns eine demütige, unbegreifliche und skandalöse Geste, die Jesus, der gute Hirte, gegenüber der Menschheit gewirkt hat“, so Grimaldi. 

Seit Beginn seines Pontifikats hat Papst Franziskus die Gründonnerstagsmesse außerhalb des Vatikans gefeiert und dabei zumeist Gefängnisse aufgesucht. Dabei wusch er den Insassen, Männern wie auch Frauen, Christen wie Muslimen oder anderen Religionsangehörigen, die Füße. Dabei erklärte der Papst den Strafgefangenen den Ritus der Fußwaschung als dienende und liebende Geste Jesu an den anderen und bezeichnete sich selbst als „Sünder“.

Auch in einem Flüchtlingszentrum und in einem Krankenhaus war der Papst in den vergangenen Jahren am Gründonnerstag eingekehrt. Lediglich in der Pandemiezeit feierte er die Abendmahlsmesse zwei Mal nicht außerhalb der Vatikanmauern. Im letzten Jahr ging er in der Privatwohnung des ehemaligen Kurienkardinals Giovanni Angelo Becciu, der sich aktuell in einem Vatikanprozess verantworten muss.

Der Besuch fand abgeschirmt von der Öffentlichkeit statt, allerdings haben Vertreter der Vatikanmedien den Papstbesuch begleitet und dokumentiert. 

(vatican news – pr)
 

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14. April 2022, 20:58