Papst: Mut für Wandel nach Pandemie nötig
Mario Galgano - Vatikanstadt
Auch der anglikanische Primas und Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, richtete eine Botschaft an die Teilnehmerinnen und Gäste: „Arme und gefährdete Menschen verdienen besondere Aufmerksamkeit und Respekt“, sagte er. Der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella ging auf die Pandemie als Herausforderung ein, um eine bessere Gesellschaft zu schaffen.
Ärzte, Krankenschwestern, Supermarkt- und Reinigungspersonal, Pflegepersonal, Freiwillige, Ordensleute: Vor den Augen von Unternehmern, Fachleuten, Wirtschaftswissenschaftlern, Vertretern von Institutionen und Kultur, die seit Donnerstag in Verona am XI. Festival der Soziallehre der Kirche teilnehmen, lobte Franziskus in seiner Videobotschaft das Beispiel dieser „einfachen Menschen“, die in der von der Pandemie geprägten Zeit die Geschichte aller getragen und gezeigt hätten, dass „niemand allein gerettet wird“.
Keiner wird allein gerettet
Eben dieses Konzept – „niemand wird allein gerettet“ -, das während der akuten Phasen der gesundheitlichen Notlage mehrfach bekräftigt und dann in der schwarz auf weiß festgehalten wurde, wiederholte Franziskus in der Videobotschaft, mit der er das Festival eröffnete, das noch bis zum 28. November geht und das sich mit grundlegenden Themen wie Bildung, Kultur, Wohnen, Mobilität, Arbeit, Familie, Gesundheit und geopolitischen Problemen befasst. Die Schwerpunktländer sind Afghanistan, Irak, Syrien, Libanon und der afrikanische Kontinent. „Mutig in der Hoffnung - Schöpferisch mit Mut“ ist das Motto der Veranstaltung. Es gehe darum, den Wandel zu gestalten, knüpfte der Papst daran an, „denn wir wissen, dass wir nicht gleich aus der Krise herauskommen: wir werden besser oder schlechter herauskommen“. Franziskus:
„Kühnheit, Hoffnung, Kreativität und Mut sind keine Synonyme, sondern stellen eine Verbindung von Absichten, Tugenden, Offenheit und Ansichten über die Realität dar, die die menschliche Seele stärken. Aber nicht nur...“
Mit Kühnheit Christ sein
Ein Blick auf die durch Covid ausgelöste Krise veranlasste den Papst zu seinen Überlegungen: „Die Pandemie“, so sagte er, „hat es uns ermöglicht, viele Weggefährten wiederzufinden und zu würdigen, die trotz ihrer Angst ihr Leben eingebracht haben. Wir konnten erkennen, dass unser Leben von ganz gewöhnlichen Menschen geprägt und getragen wird, die zweifellos die entscheidenden Ereignisse unserer gemeinsamen Geschichte geschrieben haben: Ärzte, Krankenschwestern, Apotheker, Supermarktangestellte, Reinigungskräfte, Pfleger, Transportunternehmer, Männer und Frauen, die für die Bereitstellung lebenswichtiger Dienstleistungen und für Sicherheit sorgen, Freiwillige, Priester, Nonnen und so weiter...“
Die Arbeit dieser Männer und Frauen in einer Zeit, die Gewohnheiten und Lebensstile revolutioniert hat, erinnere an das Gleichnis von den Talenten im Matthäus-Evangelium, das letzte Gleichnis vor dem Text, in dem es heißt, dass wir nach der Nächstenliebe beurteilt würden: „Das Gleichnis von den Talenten scheint also die programmatische Rede Jesu zu sein, gerade über die Kühnheit, die notwendig ist, um Christ zu sein“, bemerkt der Papst. „Gegen jedes Gutmenschentum und Fatalismus fordert Jesus die Menge auf, ihre Talente mutig einzusetzen. Es spielt keine Rolle, wie viele oder welche Talente jemand hat. Jesus fordert sie auf, sie zu riskieren und zu investieren, um sie zu vermehren“, sagte der Papst.
Wandel aktiv gestalten
So seien die Betreuung durch einen Arzt ebenso wie die Hilfe eines Pflegers, der Dienst eines Freiwilligen ebenso wie der eines Apothekers oder einer Reinigungskraft Beispiele für „Talente, die sinnvoll eingesetzt werden...“. „Das ist die Hoffnung, die die Kreativität mit Kühnheit und Mut aufrechterhält und lenkt“, hob Franziskus hervor. Und er erneuerte die Aufforderung, „in der Hoffnung zu gehen, die kühn ist, die es versteht, über die persönliche Bequemlichkeit, die kleinen Gewissheiten und Kompensationen, die den Horizont einengen, hinauszuschauen, um sich den großen Idealen zu öffnen, die das Leben schöner und würdiger machen“. Und dann fügte er an:
„Hoffnung, so habe ich bei anderen Gelegenheiten gesagt, ist wie ein Anker am anderen Ufer. Es ist diese Kühnheit, die zu neuen Handlungen anregt, die Fähigkeiten ausrichtet, das Engagement fördert, das Leben lebendig macht.“
„Wer hofft, weiß, dass er Teil einer Geschichte ist, die von anderen aufgebaut wurde und die er als Geschenk erhalten hat, so wie im Gleichnis von den Talenten. Und er weiß auch, dass er dieses Geschenk zum Tragen bringen muss“, betonte Papst Franziskus noch. Abschließend rief er in seiner Botschaft den Festival-Teilnehmern die Einladung des Gründers der Veranstaltung in Verona in Erinnerung: „Engagiert euch weiter, indem ihr den Weg beschreitet, den Pater Adriano Vincenzi mit euch für die Kenntnis und die Ausbildung in der Soziallehre der Kirche vorgezeichnet hat. Wie der Slogan dieser Ausgabe besagt: Wo immer Sie sind, gestalten Sie den Wandel! Wo immer Sie sind.“
Hintergrund
An diesem Donnerstag endete in Lugano das zweite Festival der kirchlichen Soziallehre unter dem Titel „Mutig in der Hoffnung, kreativ sein mit Courage“, das wie im letzten Jahr dem bekannten Festival in Verona vorausgeht. Unter demselben Titel geht es dann dort bis Sonntag mit dem Festival weiter. Markus Krienke ist Mitorganisator und Moderator beim Festival in Lugano. Der Professor für moderne Philosophie und Sozialethik an der theologischen Fakultät von Lugano und Direktor der Cattedra Rosmini erläutert uns, worum es bei dem Festival geht:
„In Lugano wird das Festival von der Gruppe Laudato si' ausgerichtet. Diese Gruppe vereinigt 15 christliche Vereinigungen von den christlichen Arbeitgebern, über die Cattedra Rosmini und den Osservatore Democratico bis hin zu Missio und Alliance Sud in sich. Fast jede Vereinigung ist dann für eine Veranstaltung innerhalb des Festivals verantwortlich. Jeder der vier Tage war durch zwei Veranstaltungen gekennzeichnet: In einem ersten Teil ging es um Perspektiven, während der zweite Teil Erzählungen und Erfahrungen Platz machte. Das Festival zeichnet es nämlich aus, Menschen über ihre konkreten Erfahrungen zu Wort und miteinander in Austauch kommen zu lassen.
Im schweizerischen Tessin geht es also um die Hoffnung, welche vom ökologischen Umdenken ausgeht, das ja von Papst Franziskus in Laudato si' gefordert wird. In Diskussionsrunden, Vorträgen, Gruppenarbeiten, Buchvorstellungen, Schulstunden und anderen Veranstaltungen geht es darum, wie von den Grundprinzipien der christlichen Soziallehre konkrete gesellschaftliche Prozesse ausgehen können.“
Zu Wort kommen Jugendliche, Frauen, Politiker, Unternehmer, Arbeitnehmer, paralympische Athleten und andere. Sie berichten von ihrer Hoffnung und ihren Visionen, aber auch darüber, was ihnen Grund zu Hoffnung gibt. Am abschließenden Abend des Festivals von Lugano schalten sich Beobachter aus der ganzen Welt hinzu, um die universale Perspektive von Gerechtigkeit und Hoffnung zu unterstreichen.
Mit Blick auf die Videobotschaft des Papstes, die gleichzeitig in Verona wie in Lugano gezeigt wurde, meint Krienke:
„Papst Franziskus bezeichnete in seiner Videobotschaft, die am Donnerstagabend das Festival zum Abschluss erreichte, die Hoffnung als ,mutig, sie versteht es, über die persönliche Bequemlichkeit hinauszublicken, aber auch über die kleinen Sicherheiten und Aufrechnungen, die den Horizont einengen, um sich den großen Idealen zu öffnen, die das Leben schöner und würdiger machen'. In diesem Sinn hat das Festival die Hoffnung als Kraft im Heute begriffen und nicht als Vorgriff auf eine unbekannte Zukunft. Sie verschiebt nicht auf morgen, sondern schärft den Blick für die Verantwortung eines jeden im Hier und Jetzt.“
(vatican news)
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