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Marx bei einer Pressekonferenz am 4. Juni Marx bei einer Pressekonferenz am 4. Juni 

Papst belässt Kardinal Marx im Amt

Papst Franziskus nimmt das Rücktrittsgesuch von Kardinal Reinhard Marx als Erzbischof von München und Freising nicht an. Das ergibt sich aus einem Brief des Papstes an Marx, den der Vatikan an diesem Donnerstag veröffentlichte.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Wörtlich schreibt Franziskus: „Mach weiter, so wie Du es vorschlägst, aber als Erzbischof von München und Freising.“ Er dankt Marx für seinen „Mut“ und rät der katholischen Kirche, die Missbrauchs-Krise „anzunehmen“.

„Wir müssen für die Geschichte Verantwortung übernehmen, sowohl als einzelner als auch in Gemeinschaft“, so der Papst. „Angesichts dieses Verbrechens können wir nicht gleichgültig bleiben. Das anzunehmen bedeutet, sich der Krise auszusetzen.“

„Sich der Krise aussetzen“

Marx hatte am 4. Juni einen Brief an Franziskus veröffentlicht, in dem er dem Papst den Verzicht auf sein Amt als Erzbischof von München und Freising anbot. Die katholische Kirche sei an einem „toten Punkt“ angekommen, so Marx. Mit seinem Amtsverzicht könne vielleicht ein persönliches Zeichen gesetzt werden für neue Anfänge, für einen neuen Aufbruch der Kirche. „Ich will zeigen, dass nicht das Amt im Vordergrund steht, sondern der Auftrag des Evangeliums“, so Marx in seinem Brief an den Papst, den dieser ihn danach bat zu veröffentlichen.

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Franziskus‘ Antwort auf das Angebot des Amtsverzichts aus München ist auf Spanisch verfasst; der Vatikan veröffentlichte an diesem Donnerstagmittag auch eine deutsche Übersetzung. In dem dreiseitigen Schreiben spricht der Papst den Münchner Kardinal als „lieber Bruder“ an. Marx habe den Mut unter Beweis gestellt, „sich angesichts der schrecklichen Wirklichkeit der Sünde zu erniedrigen“.

„Vogel-Strauß-Politik hilft nicht weiter“

Die gesamte Kirche sei „in der Krise wegen des Missbrauchs“; sie könne jetzt „keinen Schritt nach vorn tun, ohne diese Krise anzunehmen“., schrieb Franziskus Eine „Vogel-Strauß-Politik“ helfe nicht weiter, auch keine „Soziologismen und Psychologismen“: „Die Krise muss von unserem österlichen Glauben her angenommen werden“, und zwar sowohl vom Einzelnen als auch von der Gemeinschaft.

„Jeder Bischof muss sich seiner Verantwortung stellen“

Sexueller Missbrauch und der Umgang damit in der Kirche sei „bis vor kurzem“ eine „Katastrophe“ gewesen, räumte der Papst ein. „Sich der Heuchelei in der Art, den Glauben zu leben, bewusst zu werden, ist eine Gnade und ein erster Schritt, den wir gehen müssen.“ Nicht alle seien bereit dazu, sich der Krise „auszusetzen“ und sie „anzunehmen“, doch das sei der einzige Weg. „Denn ‚Vorsätze‘ zur Änderung des Lebens zu machen, ohne ‚das Fleisch auf den Grill zu legen‘, führt zu nichts.“

Natürlich müssten auch im Fall der Missbrauchsskandale „die geschichtlichen Vorkommnisse mit der Hermeneutik jener Zeit bewertet werden, in der sie geschehen sind“, schreibt Franziskus mit Blick auf die mangelnde Sensibilität der Kirche für sexualisierte Gewalt durch Kleriker in früheren Jahren. Das befreie aber niemanden von der Aufgabe, heute „Verantwortung zu übernehmen“. Jeder Bischof sollte sich jetzt fragen: „Was muss ich angesichts dieser Katastrophe tun?“

Dem Geist in die Wüste folgen

Verlangt werde jetzt mehr als ein „mea culpa“ – es gehe um eine „Reform“ der „Verhaltensweisen“. Dazu gehöre, „die Realität anzunehmen, wohin auch immer das führen wird“. Jesus habe sich „niemals auf eine Reformation eingelassen“, schreibt Franziskus und bittet in Klammern „um Erlaubnis für diese Formulierung“. „Sondern er hat sie mit seinem Leben bewirkt, mit seiner Geschichte, mit seinem Fleisch, am Kreuz. Und das ist der Weg, den auch Du, lieber Bruder, annimmst, indem Du Deinen Amtsverzicht anbietest."

Es sei wichtig, dass sich die Kirche jetzt vom Heiligen Geist „in die Wüste der Trostlosigkeit, zum Kreuz und zur Auferstehung“ führen lasse. „Es ist der Weg des Geistes, dem wir folgen müssen, und der Ausganspunkt ist das demütige Bekenntnis: Wir haben Fehler gemacht, wir haben gesündigt.“

Die heilsame Scham

Weder „Untersuchungen“ noch „die Macht der Institutionen“ oder gar „die Macht des Geldes“ werden nach Franziskus‘ Dafürhalten „uns retten“. Rettung komme nur durch das Schuldbekenntnis und durch „jene heilsame Scham, die die Türen öffnen wird zu jenem Mitleid und jener Zärtlichkeit des Herrn, die uns immer nah sind“.

Der Papst lobt die Bemerkung von Kardinal Marx aus seinem Rücktritts-Angebot, dass er sich weiter pastoral und für eine „geistliche Erneuerung der Kirche“ engagieren wolle. „Und genau das ist meine Antwort, lieber Bruder. Mach weiter, so wie Du es vorschlägst, aber als Erzbischof von München und Freising.“ Franziskus‘ Schreiben endet mit der Formel „mit brüderlicher Zuneigung“.

(vatican news)
 

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10. Juni 2021, 12:14