Van der Bellen über den Papst: „Überhaupt nicht weltfremd”
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
„Ich schätze Papst Franziskus ungemein“, sagte der frühere Grünen-Politiker Van der Bellen im Anschluss an die Audienz in einer Pressebegegnung. Mit seinen beiden Enzykliken und über Umwelt- und soziale Fragen werde das Kirchenoberhaupt „sicher in die Geschichte eingehen“. Er habe den Papst auch nach Österreich eingeladen, „wobei mir völlig klar ist: Eigentlich gibt es andere Prioritäten für ihn.“ Das Verhältnis zwischen dem Heiligen Stuhl und Österreich sei „ausgezeichnet“, „wir würden uns alle sehr freuen, wenn es klappen würde“. Der Papst steuere aber lieber die Peripherien und bestimmte Krisenregionen an wie den Irak, „das war eine geradezu sensationelle Reise mit viel internationaler Aufmerksamkeit“, sagte Van der Bellen mit Blick auf die Papstvisite vom März 2021. „Auch das schätze ich sehr an ihm, die Bemühung um den interreligiösen Dialog, in dem Fall mit Schiitinnen und Schiiten, aber er traf auch mit sunnitischen Führern in Kairo zusammen. Das sind alles sehr wichtige Initiativen im Bemühen um den Weltfrieden." Überall dort, „wo sich der Vatikan bemüht, seine weltweiten Kontakte zu nutzen, um Frieden und Sicherheit auf der Welt zu fördern“, komme ihm eine besondere Rolle zu.
Auf die Frage, ob Papst Franziskus beim Thema Migration „weltfremd“ sei, reagierte der österreichische Präsident mit den Worten: „Überhaupt nicht. Der Papst ist offenbar der Ansicht, auch kleine Aktionen können helfen, gerade dann, wenn sie Symbolcharakter haben.“ Van der Bellen erinnerte daran, dass Franziskus bei seinem Besuch in Lagern auf der griechischen Insel Lesbos mehrere Flüchtlingsfamilien nach Rom mitgenommen hatte. „Die Kirche fördert über verschiedene Organisationen humanitäre Aufenthalte außerhalb der griechischen Inseln. Derartige Initiativen finden häufig statt auch ohne öffentliche Aufmerksamkeit.“
Konflikte, die Fluchtbewegungen auslösen, früh entschärfen
Der österreichische Präsident würdigte in diesem Zusammenhang die Bemühungen des Heiligen Stuhles, Konflikte, die Flüchtlingswellen auslösen können, möglichst früh zu entschärfen. „Wir sorgen uns derzeit zum Beispiel auch über die Situation im Libanon, wie sich das entwickeln wird. Der Libanon steht de facto ohne funktionsfähige Regierung da, es betrifft eine starke christliche Minderheit. Der Vatikan hat ein waches Auge auf solche Krisenherde, wie sie sich entwickeln, immer mit dem Versuch, rechtzeitig entgegenzuwirken.“ Österreich hatte im Zug des Syrienkriegs 2015 rund 900.000 Geflüchtete aufgenommen, mehr als die meisten anderen europäischen Länder. Kurze Zeit darauf schloss das Land die Grenzen und betreibt auch heute eine Migrationspolitik, die in den Herkunftsländern ansetzt und keine weiteren Menschen aufnehmen will.
Lob für Einsatz in der Klimakrise
Van der Bellen lobte auch das Engagement des Papstes und des Heiligen Stuhles in der Klimakrise mit Blick auf den nächsten Klimagipfel COP 26 im November in Glasgow. „Ich bin mir nicht sicher, ob der Papst persönlich hinfahren wird, aber der Vatikan wird sicher sehr engagiert sein in der Vorbereitung für die Glasgow-Konferenz, weil auch der Vatikan das Gefühl hat, die Zeit drängt, es bleibt nicht mehr viel Zeit, entsprechende Maßnahmen für die Klimakrise zu setzen.“ Mit Bezug auf die Corona-Pandemie sprachen Franziskus und der österreichische Präsident kurz über Möglichkeiten der Verteilung von Impfstoffen an ärmere Länder, etwa in Afrika.
Die Audienz dauerte rund 25 Minuten, danach sprach Van der Bellen mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Diesen hatte er bereits am Sonntagabend in der österreichischen Botschaft beim Heiligen Stuhl zu einer Unterredung getroffen, an der auch der vatikanische „Außenminister“ Erzbischof Paul Richard Gallagher sowie der aus Ghana stammende Kurienkardinal Peter A. Turkson teilnahm, der Präfekt des Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen.
Mit Van der Bellen reisten seine Ehefrau Doris Schmidauer und zwei Ministerinnen der Regierungspartei ÖVP: Karoline Edtstadler (Europa/EU) und Leonore Gewessler (Umwelt). Insgesamt umfasste die Delegation 14 Personen. Van der Bellen schenkte dem Papst ein Gemälde einer österreichischen Künstlerin mit Behinderung, Karin Mayer, sowie 20 Ziegen für Familien in Burundi, eine erfolgreiche und bereits länger laufende Solidaritätsaktion der österreichischen Caritas.
Van der Bellen war bereits im November 2017 mit Papst Franziskus im Vatikan zusammengetroffen.
(vatican news)
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