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Papst Franziskus während des Interviews für den italienischen Sender Canale 5 Papst Franziskus während des Interviews für den italienischen Sender Canale 5 

Papst-Interview: „Gleichgültigkeit tötet uns“

In einem halbstündigen Interview für den italienischen Fernsehsender Canale5 hat Papst Franziskus erneut dazu eingeladen, sich im Kampf gegen die Corona-Pandemie impfen zu lassen. Weiter ermutigte er dazu, den Wert des Glaubens als Geschenk Gottes wiederzuentdecken.

Im Rahmen eines Specials wurde das Interview am Sonntagabend ausgestrahlt. Eingangs wiederholte der Papst mit Blick auf die Pandemie die bereits öfter getätigte Äußerung, dass man „aus einer Krise nie unverändert herauskommt, niemals. Wir kommen besser oder schlechter heraus.“ Es sei nun der Moment, eine gründliche Bestandsaufnahme zu unternehmen: „Es gibt im Leben immer große Werte, aber die großen Werte müssen in das Leben des Moments übersetzt werden“, so der Pontifex, der in diesem Zusammenhang eine Reihe aktueller und dramatischer Geschehnisse aufzählt, von den Kindern, die Hunger leiden und nicht zur Schule gehen können, bis hin zu den Kriegen, die verschiedene Teile der Erde überziehen. „Die Statistiken der Vereinten Nationen dazu sind schrecklich“, zeigte sich das Kirchenoberhaupt betroffen und mahnte: „Wenn wir aus dieser Krise herauskommen, ohne diese Dinge zu sehen, dann wird der Ausweg eine weitere Schlappe sein. Und es wird schlimmer sein. Schauen wir nur diese beiden Probleme an: Die Kinder und die Kriege.“

Zum Nachhören: Papst-Interview für Canale 5

Impfen ist keine Option, sondern ethisch geboten

Sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen ist für Franziskus ein Gebot der Ethik, auch das hatte er bei verschiedenen Gelegenheiten bereits gesagt. Und so antwortete er auch auf eine entsprechende Frage des Journalisten Fabio Marchese Ragona: „Ich glaube, dass sich aus ethischen Gründen alle impfen lassen sollten. Das ist keine Option, das ist eine ethische Handlung. Denn du setzt deine Gesundheit, dein Leben aufs Spiel, aber du setzt auch das Leben der anderen aufs Spiel.“ Und er fügte hinzu, dass auch er selbst sich für die in Kürze startende Impfkampagne im Vatikan angemeldet habe. „Ja, das muss man machen. Wenn die Ärzte es als eine Sache ansehen, die gut geht und die keine speziellen Risiken birgt, warum sollte man sich nicht impfen lassen?“ Er verstehe nicht, wie manche Menschen in eine selbstschädigende Leugnung dieser Tatsachen verfallen könnten, so Franziskus weiter.

Ein Standbild aus dem Papst-Interview für Canale 5
Ein Standbild aus dem Papst-Interview für Canale 5

Es sei nun an der Zeit, nicht mehr in der Ich-Form zu denken: „Entweder retten wir uns alle mit dem ,wir‘ oder es rettet sich keiner.“ In diesem Zusammenhang reflektierte Franziskus über ein Thema, das ihm bekanntermaßen sehr am Herzen liegt: Die Geschwisterlichkeit: „Das ist die Herausforderung. Dem Nächsten nahe zu sein, seiner Situation, den Problemen, den Menschen nahe sein.“ Dem gegenüber stehe allerdings die „Wegwerfkultur“, die Tatsache, Dinge, die einen nicht direkt angingen, von sich wegzuschieben… „Die Gleichgültigkeit tötet uns, denn sie entfernt uns voneinander. Das Schlüsselwort für den Ausgang aus der Krise ist dagegen das Wort Nähe.“ Dies gelte gleichermaßen für die Führungspersönlichkeiten in Kirche und Politik, die ihre Konflikte in diesem Moment einmal „in Ferien schicken“ sollten, unterstrich der Papst.

Abtreibung ein Problem, das auch ein Atheist mit seinem Gewissen lösen muss

Die Krise, die mit der Pandemie einhergehe, habe die „Wegwerfkultur“ gegenüber den Schwächsten der Gesellschaft nur noch verstärkt, zeigte sich der Papst mit Blick auf Arme, Migranten und ältere Menschen besorgt. Insbesondere teilte er seine Überlegungen zur Abtreibung mit, mit der ungewünschte Kinder beseitigt werden. „Das Problem der Abtreibung“, so gab er zu bedenken, „ist kein religiöses Problem, sondern es ist ein menschliches Problem, vor-religiös, es ist ein Problem der menschlichen Ethik“, erst dann religiös. „Das ist ein Problem, das auch ein Atheist mit seinem Gewissen lösen muss. Ist es richtig, ein Menschenleben auszulöschen, um ein Problem zu lösen, was für ein Problem auch immer?“

Franziskus kommentiert Lage in den USA

Doch auch einen Blick auf die jüngsten, aktuellen Vorfälle in den USA warf der Papst in dem ausführlichen Interview. Er sei „überrascht“ gewesen, „weil das ein Volk ist, das in der Demokratie sehr diszipliniert ist“, sagte Franziskus über die Geschehnisse in Washington. Allerdings könne es auch „in den reifsten Realitäten immer etwas geben, das nicht funktioniert“, wenn Menschen einen Weg einschlügen, „der sich gegen die Gemeinschaft, gegen die Demokratie, gegen das Gemeinwohl richtet.“ Nun, wo diese Ausschreitungen geschehen seien, könne man das Phänomen „klar sehen“ und „Abhilfe schaffen.“ Ohne Umschweife verurteilte der Papst die Gewalt: „Wir müssen nachdenken und gut verstehen, und, um [solche Dinge] nicht zu wiederholen, aus der Geschichte lernen“. Und weiter: „Diese para-regulären Gruppen, die nicht gut in die Gesellschaft eingegliedert sind, werden früher oder später solche Gewaltaktionen ausführen.“

Papst bedauert abgesagte Reisen

Zu guter Letzt beantwortete der Papst auch die Frage, wie er selbst mit den Einschränkungen lebe, die die Pandemie mit sich bringt. Franziskus gestand ein, dass er sich „wie im Käfig“ fühle, und bedauerte die abgesagten Reisen, verlieh jedoch gleichzeitig seiner Hoffnung Ausdruck, dass die im März geplante Reise in den Irak tatsächlich stattfinden könne. In diesem Moment verbringe er mehr Zeit im Gebet und telefoniere mehr, erzählte der Papst, der wiederholte, wie wichtig einige der Momente für ihn seien, die diese Pandemie hervorgebracht habe, so beispielsweise der außerplanmäßige  Urbi et Orbi-Segen am vergangenen 27. März auf dem menschenleeren Petersplatz, ein „Ausdruck der Liebe für alle Menschen“, der „neue Wege zeigt, wie man sich gegenseitig helfen kann.“ Der Glaube, so Franziskus in diesem Zusammenhang, „ist zuallererst ein Geschenk.“ „Für mich ist der Glaube eine Gabe, weder du noch ich noch irgendjemand kann aus eigener Kraft Glauben haben: Es ist ein Geschenk, das dir der Herr gibt“ - und das man nicht kaufen könne. Das ausführliche Interview schließt mit dem Wunsch des Papstes, dass 2021 ein Jahr sein möge, in dem es „kein Aussondern gibt, in dem es keine egoistischen Verhaltensweisen gibt“ und in dem Einheit über Konflikte siegen möge. 

(vatican news - cs)

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11. Januar 2021, 10:05