Generalaudienz: Der Wortlaut der Katechese von Papst Franziskus
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Heute widmen wir uns einer weiteren wesentlichen Dimension des Gebets: dem Segen. Wir führen unsere Reflexion zum Gebet fort. Schon in den Schöpfungsberichten (vgl. Gen 1-2) segnet Gott das Leben immer wieder. Immer. Er segnet die Tiere (1,22), er segnet Männer und Frauen (1,28), und er segnet auch den Sabbat, den Tag der Ruhe, an dem man sich an der ganzen Schöpfung erfreuen kann (2,3).
Es ist Gott, der segnet. Auf den ersten Seiten der Bibel finden wir eine ständige Abfolge von Segen. Gott segnet, aber auch die Menschen bringen ihren Lobpreis zum Ausdruck, und bald erkennt man, dass der Segen eine besondere Kraft besitzt, die den, der ihn empfängt, sein Leben lang begleitet und das Herz des Menschen dafür bereit macht, sich von Gott verändern zu lassen (Zweites Vatikanisches Konzil, Sacrosanctum Concilium, 61).
Am Anfang der Welt steht also Gott, der segnet, der ?gut spricht“: Er sieht, dass das Werk seiner Hände gut und schön ist, und als die Schöpfung mit dem Menschen vollendet ist, erkennt er, dass es ?sehr gut“ war (Gen 1,31). Doch schon bald bekommt die Schönheit, die Gott in sein Werk gelegt hat, erste Kratzer: der Mensch wird zu einem verderbten Geschöpf, das fähig ist, das Böse und den Tod in die Welt zu tragen. Nichts aber kann das Gute auslöschen, das Gott seiner Schöpfung eingeprägt hat. Eine Prägung des Guten, die Gott der Welt, der menschlichen Natur, uns allen gegeben hat: die Fähigkeit zu segnen – also ?gut zu sprechen", zu preisen – und die Tasache, gesegnet zu sein. Gott hat sich weder mit der Schöpfung noch mit der Erschaffung des Menschen geirrt. Die Hoffnung der Welt liegt ganz und gar in Gottes Segen: Er liebt uns immer noch – ja, er ist auch weiter der, der – wie der Dichter Péguy sagt – auf unser Wohl hofft.
Gottes großer Segen ist Jesus Christus. Das ist ein Segen für die ganze Menschheit, ein Segen, der uns alle gerettet hat. Er ist das ewige Wort, mit dem der Vater uns gesegnet hat, ?als wir noch Sünder waren“ (Röm 5,8): das Wort, das Fleisch wurde und für uns am Kreuz geopfert worden ist.
Gott ist geduldig
Der heilige Paulus verkündet mit ergriffenen Worten den göttlichen Liebesplan und sagt: ?Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Grundlegung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor ihm. Er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und zu ihm zu gelangen nach seinem gnädigen Willen, zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn“ (Eph 1,3-6). Es gibt keine Sünde, die das Bild Christi, das in einem jedem von uns gegenwärtig ist, vollständig auslöschen kann. Keine Sünde kann das Bild auslöschen, das Gott uns gegeben hat. Das Bild Christi. Sie kann es verunstalten, aber sie kann es nicht der Barmherzigkeit Gottes entziehen. Ein Sünder mag lange Zeit in seinen Irrtümern verharren, Gott aber ist geduldig und hofft bis zuletzt, dass sich sein Herz am Ende öffnen, verändern wird. Gott ist wie ein guter Vater und wie eine gute Mutter - er ist auch eine gute Mutter: Vater und Mutter, die nie aufhören, ihr Kind zu lieben, egal, wie oft es auch irren mag. Immer.
Ich erinnere mich, dass ich oft gesehen habe, wie die Leute zur Besuchszeit vor den Gefängnissen Schlange standen - wie viele Mütter dort Schlange standen, um ihren Sohn im Gefängnis zu sehen. Sie hören nicht auf, ihren Sohn zu lieben, und sie wissen, dass die Leute, die im Bus vorbeifahren, denken: ?Ah, das ist die Mutter dieses Verbrechers… Doch ihnen ist der Sohn wichtiger als die Schande, so wie wir Gott wichtiger sind als alle Sünden, die wir begehen können. Denn er ist Vater, er ist Mutter, er ist reine Liebe, er hat uns für immer gesegnet. Und er wird nie aufhören, uns zu segnen
Eine starke Erfahrung ist es, wenn man diese biblischen Segenstexte in einem Gefängnis oder in einer Rehabilitationsgruppe liest; weil er Menschen, die trotz der schweren Fehler, die sie gemacht haben, das Gefühl gibt, dass sie der Vater im Himmel auch weiter liebt. Dass er hofft, dass sie sich endlich dem Guten öffnen. Selbst wenn sich ihre engsten Verwandten von ihnen abgewandt haben, weil sie glauben, dass sie hoffnungslos verloren sind, sind sie für Gott noch immer seine Kinder. Und manchmal geschehen Wunder: Männer und Frauen, die wiedergeboren werden. Denn Gottes Gnade verändert das Leben: Er nimmt uns so, wie wir sind, aber er belässt uns nie so, wie wir sind.
Denken wir an die Begegnung Jesu mit Zachäus (vgl. Lk 19,1-10). Alle sahen nur das Böse in ihm, Jesus aber sah das verborgene Gute, und über diese Neugier, Jesus zu sehen, lässt er die Barmherzigkeit wirken, die ihn rettet. Und so hat sich also zuerst das Herz, und dann das Leben des Zachäus verändert. In den ausgegrenzten, zurückgewiesenen Menschen erkannte Jesus den unauslöschlichen Segen des Vaters.
Er ist ein öffentlicher Sünder, er hat viele schlimme Dinge getan, aber Jesus hat dieses unauslöschliche Zeichen des Segens des Vaters gesehen - daher sein Mitgefühl. Dieser Satz, der im Evangelium so oft wiederholt wird, ?er hatte Mitleid mit ihm", dieses Mitleid veranlasst ihn, ihm zu helfen und sein Herz zu ändern. Mehr noch, so hat er sich mit jedem Menschen identifiziert, der in Not ist (vgl. Mt 25,31-46). In der Passage des Schlussprotokolls, nach dem wir dereinst alle gerichtet werden, Matthäus 25, sagt Jesus: ?Ich war dort, ich war hungrig, ich war nackt, ich war im Gefängnis, ich war im Krankenhaus, ich war dort."
Dem Gott, der segnet, antworten wir, indem wir ihn preisen: Es ist das Gebet des Lobs, der Anbetung und des Dankes. Der Katechismus schreibt: ?Das segnende Gebet ist Antwort des Menschen auf die Gaben Gottes. Weil Gott Segen spendet, kann das Herz des Menschen dafür den lobpreisen, der die Quelle allen Segens ist“ (KKK 2626). Das Gebet ist Freude und Dankbarkeit. Gott hat nicht gewartet, bis wir uns bekehren, als er anfing, uns zu lieben: er hat uns schon viel früher geliebt; schon in dem Moment, als wir noch Sünder waren.
Hören wir auf zu fluchen
Wir können diesen Gott, der uns segnet, nicht nur preisen, wir sollen alles in ihm preisen, alle Menschen, Gott, unsere Brüder und Schwestern, die Welt. Das ist die Wurzel der christlichen Demut, die Fähigkeit, sich gesegnet zu fühlen und die Fähigkeit zu segnen. Wenn wir das alle täten, würde es sicherlich keine Kriege geben. Diese Welt braucht Segen und wir können Segen geben und Segen empfangen.
Der Vater liebt uns. Und uns bleibt die Freude, ihn zu preisen, ihm zu danken und von ihm zu lernen, nicht zu verfluchen, sondern zu preisen. Und hier nur noch ein Wort für Menschen, die oft fluchen. Menschen, die immer ein hässliches Wort auf den Lippen und im Herzen tragen, einen Fluch. Wir sollten uns fragen: Habe ich diese Angewohnheit, zu fluchen? Bitten wir den Herrn um die Gnade, diese Gewohnheit zu ändern, denn wir haben ein gesegnetes Herz, und aus einem gesegneten Herzen kann kein Fluch kommen. Möge der Herr uns lehren, niemals zu fluchen, sondern immer zu segnen.
(vatican news - übersetzung: silvia kritzenberger)
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