„Unsichtbares Drama“: Papst Franziskus erinnert an Binnenflüchtlinge
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Der Papst-Text, der an diesem Freitag publik wurde, fordert „Aufnahme, Schutz, Förderung und Integration der Binnenvertriebenen“. So lautet auch das Motto des Welttags, der am 27. September dieses Jahres begangen wird.
Franziskus, der das Thema Flucht und Migration im Vatikan zur Chefsache gemacht hat, weist darauf hin, dass die Corona-Pandemie das Drama von Binnenflüchtlingen „nochmals verschärft hat“. „Diese Krise ließ“, so klagt er, „aufgrund ihrer Heftigkeit, ihrer Härte und ihrer geografischen Ausdehnung viele andere humanitäre Notsituationen, von denen Millionen von Menschen betroffen sind, kleiner erscheinen“. Doch dürften angesichts von Corona andere Dramen nicht in den Hintergrund rücken.
Das Migranten-Dossier ist im Vatikan Chefsache
Zum Beispiel die Tragödie der Binnenflüchtlinge. IDPs heißen sie im UNO-Fachsprech: „Internally Displaced Persons“. „Jahrzehntelang wurden sie kaum als eigenes Phänomen wahrgenommen, obwohl sie eine der größten Gruppen von schutzbedürftigen Menschen sind“, heißt es nicht ohne Selbstkritik auf einer .
Franziskus – selbst der Nachfahre italienischer Einwanderer in Argentinien – erinnert an die Flucht der Heiligen Familie vor den Schergen des Herodes nach Ägypten. „Leider können sich in unseren Tagen Millionen von Familien in dieser traurigen Realität wiedererkennen“, fährt er dann fort. In jedem Flüchtling sei Jesus gegenwärtig: „Wir sind aufgerufen, in ihren Gesichtern das Antlitz des hungrigen, durstigen, nackten, kranken, fremden und gefangenen Christus zu erkennen, der uns fragend anblickt (vgl. Mt 25,31-46).“
Die Papst-Botschaft legt ihren Lesern sechs Punkte ans Herz: Sie sollten sich über das Phänomen Migration informieren, sollten Migranten als ihre Nächsten ansehen (nicht nur „aus Pflichtgefühl“), sollten sie nach ihren Erlebnissen und Gefühlen fragen, sollten mit ihnen teilen, und sollten sie fördern – aber nicht über ihre Köpfe hinweg, sondern in Zusammenarbeit mit ihnen.
„Wenn man über Migranten und Flüchtlinge spricht, bleibt man allzu oft bei den Zahlen stehen“, notiert Franziskus. „Aber es geht nicht um Zahlen, es geht um Menschen! Wenn wir sie treffen, werden wir sie kennenlernen. Und wenn wir ihre Geschichten kennen, werden wir sie verstehen können.“ Dabei werde man zum Beispiel begreifen, „dass diese Ungewissheit, die wir infolge der Pandemie leidvoll erfahren haben, ein dauernder Bestandteil im Leben der Vertriebenen ist“.
„Immer mehr Botschaften - aber keiner hört zu“
Dieser Punkt, dass man mit Flüchtlingen und Migranten reden sollte, ist dem Papst offenbar besonders wichtig. Liebe beginne mit Zuhören, formuliert er: „In der heutigen Welt gibt es immer mehr Botschaften, aber die Haltung des Zuhörens geht verloren.“
Lehren aus der Corona-Krise
Auch das nutzt er, wie mehrfach in seiner Botschaft, zu einem Abschweifen in Richtung Corona-Krise: „In diesem Jahr 2020 herrschte in unseren Straßen wochenlang Stille. Es war eine dramatische und beunruhigende Stille, die uns aber die Möglichkeit geboten hat, die Schreie der Schwächsten, der Vertriebenen und unseres schwer kranken Planeten zu hören.“
Die Pandemie habe uns gelehrt, „dass wir alle im selben Boot sitzen“ – das sollte uns auch die Augen für das Leid von Binnenflüchtlingen öffnen. Allerdings, von paternalistischer Bevormundung der Hilfsbedürftigen hält Franziskus nichts: „Wenn wir die Menschen, denen wir unsere Hilfe anbieten, wirklich fördern wollen, müssen wir sie miteinbeziehen und sie zu Protagonisten ihrer Erlösung machen.“
(vatican news)
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