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Benedikt XVI. - Archivaufnahme aus dem Jahr seines Rücktritts 2013 Benedikt XVI. - Archivaufnahme aus dem Jahr seines Rücktritts 2013  Leitartikel

Benedikt im Brunnen der Vergangenheit

„Auch im Vatikan wird nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird“: So beurteilt die Katholische Nachrichtenagentur die in den letzten Tagen aufgekochte Debatte über einen Beitrag des emeritierten Papstes zum Thema Priestertum und Zölibat.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Sobald die erste Aufregung vorübergezogen ist, dürfte es sich lohnen, den Text Benedikts XVI.‘ in das größere Ganze seines Denkens einzuordnen. Dabei fällt vor allem auf, dass Ratzinger-Benedikt in seinem Beitrag einmal mehr vom Judentum ausgeht: von der Kritik der Propheten am Tempelkult und von der jüdischen Kulttradition, die sich auf Mose und Aaron berief.

Dem christlichen Verhältnis zum Judentum hat schon der Essay gegolten, der im Sommer 2018 in der Zeitschrift „Communio“ veröffentlicht wurde und der dem neuen Text eng verwandt ist. Der emeritierte Papst sprach darin seine Überzeugung aus, dass das Judentum „nicht eine Religion unter anderen“ sei, sondern „in einer besonderen Situation steht und daher auch als solches von der Kirche anerkannt werden muss“.

„Das authentisch Jüdische und das Geheimnis Jesu besser verstehen“

Wem kommen da nicht die Bücher über Jesus von Nazareth in den Sinn, die Benedikt XVI. während seines Pontifikats (2005-13) veröffentlichte? Auch darin suchte er auf eine für einen Papst bis dahin beispiellose Weise das Gespräch mit dem Judentum. Dabei leitete ihn die Erkenntnis, dass Jesus Jude war und man daher gerade als Christ „das authentisch Jüdische und das Geheimnis Jesu besser verstehen“ sollte.

Hinabtauchen zu den jüdischen Wurzeln unseres Glaubens

Für den emeritierten Papst gehören nicht nur Altes (Erstes) und Neues Testament zusammen. Mehr noch: Jesus ist nach seiner Überzeugung „nur im Kontext von ‚Gesetz und Propheten‘ zu verstehen“. Man könnte das auf den Satz zuspitzen: Jesus, den Christen, gibt es nicht – es gibt nur Jesus, den Juden. Und das bringt auch den 92-jährigen Joseph Ratzinger noch dazu, in einem Aufsatz über das Priestertum tief in den „Brunnen der Vergangenheit“ (Thomas Mann) hinunterzuklettern – zu den jüdischen Wurzeln unseres Glaubens.

Das ist der Kontext des jetzt bekannt gewordenen Aufsatzes. Sicher gilt auch für diesen Text die Einladung zur Debatte, die Benedikt einst als Papst bei der ersten Veröffentlichung eines seiner Jesusbücher aussprach. Bestechend aber ist die Hartnäckigkeit, mit der der Emeritus an das Jüdische im Christlichen gemahnt.

(vatican news)

Stefan v. Kempis leitet das deutschsprachige Programm von Radio Vatikan / Pope. Er veröffentlichte mehrere Bücher über Benedikt XVI., darunter â€žBenedetto – Die Biographie“ im Benno Verlag Leipzig.
 

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17. Januar 2020, 09:09