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Giftig: Der Atompilz von Hiroshima 1945 Giftig: Der Atompilz von Hiroshima 1945 

Papst Franziskus und die katholische Atombombe

Die Visite von Papst Franziskus in Hiroshima und Nagasaki am Sonntag kann man schon jetzt als historisch bezeichnen. Nicht, weil er nach Johannes Paul II. erst der zweite Papst ist, der die Schauplätze der Atombomben-Abwürfe auf Japan von 1945 aufsucht. Sondern weil er von Nagasaki aus eine „Botschaft gegen Atomwaffen“ lancieren wird, die für die katholische Friedensethik eine Zeitenwende bedeutet.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Die französische Zeitung „Le Monde“ berichtet an diesem Samstag, dass an der Papstbotschaft monatelang lang gefeilt wurde – und dass die Vertreter mehrerer Regierungen versucht haben, den Text, der vom Vatikan-Dikasterium für ganzheitliche Entwicklung und vom Staatssekretariat erstellt wurde, aufzuweichen.

Vergeblich: Franziskus wird an diesem Sonntag aller Voraussicht nach proklamieren, dass schon der Besitz von Atomwaffen und das Konzept der nuklearen Abschreckung moralisch illegitim sind. Das ist eine Verschärfung der bisherigen lehramtlichen Position.

Japan und die Atombomben

Johannes Paul II. nannte nukleare Abschreckung â€žmoralisch akzeptabel“

„Vor allem europäische Regierungen haben das Gespräch mit uns gesucht“, erklärt der Sekretär des Ganzheitlichkeits-Dikasteriums, der Geistliche Bruno-Marie Duffé. Die Regierungsvertreter, unter ihnen auch Emissäre aus Paris, seien im vergangenen Juni zu langen Gesprächen im Vatikan empfangen worden.

Schon bisher haben sich die Päpste vehement für nukleare Abrüstung eingesetzt. Allerdings nannte Johannes Paul II. 1982, also mitten im Kalten Krieg, eine „auf Gleichgewicht beruhende Abschreckung“, wie Ost- und Westblock sie damals praktizierten, „unter den derzeitigen Umständen moralisch akzeptabel“.

Vatikan hat Nichtverbreitungs-Vertrag als einer der ersten Staaten ratifiziert

Franziskus entwickelt diese Position nun fort. Er reagiert darauf, dass die Staatenwelt entgegen dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen keinerlei Anstrengungen unternimmt, um über nukleare Abrüstung zu verhandeln. Der Vatikan hatte den 2017 abgeschlossenen Vertrag, entgegen seinen sonstigen Usancen, als einer der ersten Staaten ratifiziert. 32 andere Staaten sind ihm bisher darin gefolgt, darunter allerdings keiner, der (offiziell oder uneingestanden) Atomwaffen besitzt, also die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea. Dem Vatikan geht es darum, moralischen Druck auszuüben, um den nuklearen Rüstungswettlauf rund um den Globus zu beenden und die Dynamik umzukehren.

„Ich habe zum Vertreter einer Regierung gesagt: Glauben Sie, dass sich der internationale Terrorismus mit der Atombombe bekämpfen lässt?“

Außerdem zweifelt Franziskus daran, dass atomare Abschreckung in unserer Zeit noch Wirkung entfaltet. „Ich habe zum Vertreter einer Regierung gesagt: Glauben Sie, dass sich der internationale Terrorismus mit der Atombombe bekämpfen lässt?“, berichtet Monsignore Duffé.

Frankreich steht vor einem Dilemma

Vor allem Frankreich stellt die neue Haltung des Vatikans vor ein Dilemma. Einerseits ist das Land kulturell noch zutiefst katholisch geprägt, andererseits gehört sein Besitz von Atombomben zum nationalen Narrativ und wird oft als wichtige Voraussetzung seiner Souveränität gesehen. Präsident Macron hat seine Sicht der Dinge noch nicht offiziell erläutert. Von der Bischofskonferenz des Landes war sogar schon seit 1983 zum Thema atomare Abrüstung nichts mehr zu hören, schreibt „Le Monde“.

Eigentlich müsste die Regierung in Paris, falls sie der bisherigen Linie folgen will, ihr veraltetes nukleares Arsenal mit viel Geld erneuern. Bemühungen, in der Öffentlichkeit eine atomfreundliche Stimmung zu erhalten, sind längst im Gang. In ein entsprechendes Seminar an der Elite-Hochschule ENS hat jetzt aber auch Duffé eine Einladung erhalten; er soll die neue, verschärfte Haltung von Papst Franziskus erklären.

Ist die Lehre vom gerechten Krieg jetzt überholt?

Kritiker der neuen Vatikanlinie bringen vor, dass sie keinen Weg aufzeige, wie die Weltgemeinschaft denn zu einer neuen Abrüstungsrunde kommen könnte. Und wie sich denn Nordkorea oder auch Iran anders als durch nukleare Abschreckung in Schach halten ließen. Diplomaten und Militärs fragen sich laut „Le Monde“, ob die Kirche ihre Lehre vom gerechten Krieg, die vor allem die Heiligen Augustinus und Thomas von Aquin entwickelt haben, jetzt zugunsten einer Theologie des Friedens ganz fallenlassen will?

Die Antwort: Ja, danach sieht es tatsächlich aus. Auch die US-Regierung spürt übrigens starke christliche Bedenken gegen ihr Atomarsenal, besonders von evangelikaler Seite. Der Druck hat dazu geführt, dass immer kleinere, gezielter einsetzbare Nuklearwaffen entwickelt werden – was aber zugleich die Hemmschwelle, sie auch einzusetzen, senkt.

Die jüdische, die muslimische, die Hindu-Bombe

Der französische Militärbischof Antoine de Romanet fordert in „Le Monde“ jetzt dringend eine Abstimmung der Konfessionen und Religionen untereinander, was ihre Haltung zur Bombe betrifft. „Die großen religiösen Traditionen sind mehrheitlich in den neun Staaten vertreten, die über Atomwaffen verfügen: Katholiken in Frankreich, Anglikaner in Großbritannien, Evangelikale in den USA, Orthodoxe in Russland, Juden in Israel, Hindus in Indien, sunnitische Muslime in Pakistan, Konfuzianer in China und Nordkorea. Aber die meisten Religionsführer vertreten in Sachen Atom die Position ihrer jeweiligen politischen Führung.“

Aus diesem Reigen schert Papst Franziskus jetzt aus.

(vatican news)
 

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23. November 2019, 13:08