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Papst Franziskus bei der Heiligen Messe am Sonntag in Kaunas Papst Franziskus bei der Heiligen Messe am Sonntag in Kaunas 

Litauen: Papstbesuch hat tiefen Eindruck hinterlassen

Franziskus hat bei den Menschen in Litauen in seinen zwei Tagen hier einen tiefen Eindruck hinterlassen. Eine Bilanz der ersten Reise-Etappe der Baltikumreise des Papstes von unserer Kollegin Gudrun Sailer aus Vilnius.

Pope: Was bleibt von der Etappe Litauen dieser Papstreise ins Baltikum?

Gudrun Sailer: „Für die Menschen in Litauen war das  eine ganz große Sache – geistlich, aber gewissermaßen auch politisch. Denn sie feiern ja in diesem Jahr 100 Jahre Unabhängigkeit vom zaristischen Russland, das war wie die Krönung, dass jetzt auch noch der Papst kam. Litauen ist auch heute noch, durch die Zeit der Verfolgung hindurch, eine zutiefst katholische Nation, in Europa nach Polen an zweiter Stelle. Ein kleines Land, aber ein geistlicher Ruhepol Europas. Wer immer konnte, kam zu einer der Begegnungen mit Franziskus.“

Pope: Welche Begegnung sticht besonders hervor?

Gudrun Sailer: „Schwer zu sagen. Fassen wir zusammen: zuerst der staatliche Teil, die Begegnung mit Präsidentin Graubauskaite und den Beamten, den Vertretern der Diplomatie und der Zivilgesellschaft, dabei hat der Papst Litauen ein großes Lob ausgesprochen, weil es in seiner Geschichte immer wieder dazu imstande war, mit Unterschieden konstruktiv umzugehen. Dann hat er im Marienheiligtum von Vilnius den Rosenkranz gebetet, da waren – und das ist eher einmalig bei Papstreise – Familien eingeladen, die vernachlässigte Kinder adoptiert haben, das ist eine offene Wunde in Litauen heute. Großartig und sehr berührend war auch die lange Begegnung mit den Jugendlichen vor der Kathedrale. Viele junge Leute denken heute in Litauen ans Auswandern, oder sie sind sehr versucht von der Kultur des Konsums, wie überall sonst in Europa; der Papst hat sie dazu aufgerufen, ihr Glück nicht im Starren auf sich selbst zu suchen, sondern im Gemeinsamen. Nur gemeinsam kann etwas wirklich Großes entstehen." 

Pope: Wie haben Sie die Sonntagsmesse mit dem Papst in Kaunas erlebt?

Gudrun Sailer: „Schön und groß! 100.000 Menschen kamen, bei einer Bevölkerung von nicht einmal drei Millionen Einwohnern sehr beachtlich. Da hat der Papst die Litauer dazu eingeladen, die schmerzhaften Aspekte ihrer Vergangenheit und Gegenwart zu akzeptieren und bewusst und bescheiden daran zu arbeiten, damit umzugehen, ohne andere zu beschuldigen. Menschen in Litauen sind da gerne etwas passiv, sagten mit Gesprächspartner, das sei ein Erbe des Sozialismus.“

Pope: Der 23. September ist ein Gedenktag für die Juden in Litauen, darauf ist der Papst beim Angelus eingegangen.

Gudrun Sailer: „Dreimal sogar. Der Gedenktag ist die Räumung des Ghettos in Vilnius, der am 23. September 1943 die intensive Phase des Holocaust in Litauen einläutete. Später in Vilnius hat der Papst auch ein Gebet gesprochen an einer Gedenkstele im ehemaligen Ghetto, und da merkte man eine direkte Linie zu Johannes Paul II., dem Papst aus Polen, Litauens Nachbarland, der Papst kam vor genau 25 Jahren nach Litauen; er war derjenige, dem es vorbehalten war, als Papst ganz neue Beziehungen zu den Juden zu etablieren, indem er als erster Papst Synagogen besuchte.“

Pope: Zwischenfrage, warum gab es keine eigene Begegnung mit den Juden von Litauen?

Gudrun Sailer: „Vermutlich weil das Zusammenleben glatt läuft, Litauen ist heute ein Land mit wenig Neigung zu Antisemitismus, so sagte mir ein Fachmann für den Holocaust im Baltikum. Und die jüdische Gemeinde ist klein, 4.000 Menschen. Vor dem Krieg gab es ein reiches jüdisches Leben in Litauen, 200.000 Juden, die allermeisten wurden von den Nazis binnen drei Jahren ermordet, das begann sofort nach ihrem Einmarsch 1941.“

„Die Opfer, die dieses Land gebracht hat, sein Leid über Jahrzehnte, seine Widerstandskraft, das ist einer der roten Fäden in dieser Etappe der Papstreise“

Pope: Diese schwere Geschichte der Verfolgung, des Leids auf litauischem Boden, inwiefern hat das ein Echo gefunden in dieser Etappe der Papstreise?

Gudrun Sailer: „Ja, es war bei wirklich vielen Begegnungen etwas wie der Grundton. Litauen hat ja in dichter Folge Fremd-Diktaturen ertragen, erst die Nazis, dann den Stalinismus, die Sowjetunion. Und aus den Reihen der Kirche gingen viele Märtyrer hervor. Nicht nur geweihte Amtsträger und Ordensleute, sondern auch ganz normale Katholiken. Bei der Begegnung mit den Priestern und Ordensleuten in Kaunas wurde dem Papst auch die Frage gestellt, gibt es eine Möglichkeit, solche Leute selig zu sprechen? Also die Opfer, die dieses Land im 20. Jahrhundert gebracht hat, sein Leid über Jahrzehnte, seine Widerstandskraft, das ist einer der roten Fäden in dieser ganzen Etappe der Papstreise. Das wurde ganz besonders eindringlich deutlich bei der letzten Begegnung: der Papst besuchte in Vilnius das Ex-KGB-Gefängnis, in dem die Russen – genau Zahlen gibt es nicht – bis in die 1960er Jahre hinein an die 1000 Menschen ermordeten und zahllose andere folterten, von diesen Erschießungen gibt es sogar dort gezeigte Filmaufnahmen, das Haus ist heute Museum. Der Papst sah eine diese schäbigen grüngestrichenen Zellen im Keller, den Hof mit Stacheldraht-Zaun und hielt draußen auf dem Platz vor einer großen Menge eine eindringliche Rede.“

Pope: Was werden die Litauer in Erinnerung behalten von dieser Reise?

Gudrun Sailer: „Litauen soll ein Leuchtturm der Hoffnung sein, ein Land mit einem guten Gedächtnis, es soll kreativ sein bei der Verteidigung der Rechte aller Menschen – das waren schon eindringliche Sätze, die da gefallen sind. In Litauen ist eine echte, tiefe Verehrung für den Papst zu spüren, nicht nur für diesen, sondern für alle Päpste, „Litauer lieben Päpste“, so hat es einer meiner Gesprächspartner hier ausgedrückt. Deshalb ist mein Eindruck, dass das, was Franziskus hier gesagt hat, sich die Menschen schon sehr zu Herzen nehmen, dass sie sich herausgefordert und besser orientiert fühlen.“

(Pope – gs)

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23. September 2018, 14:10