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Sinai - Verklärung des Herrn Sinai - Verklärung des Herrn 

Unser Sonntag: Die Begegnung auf dem Berg zwischen Kreuz und Auferstehung

Die postmoderne Zeit scheint feste Identitäten nicht besonders zu mögen. Was en vogue ist, ist eher fluide, so Pfarrer Andrzej Dominik Kuciński. Jesu Identität dagegen ist festgelegt und seine Verklärung soll helfen, die Auferstehung zu verstehen. Bis heute.

Andrzej Dominik Kuciński

Mk 9,2-10

8. Sonntag im JK B 

Wir wissen es nicht genau. War es Hermon, Karmel, Tabor oder noch ein anderer Berg? Das ist nicht so entscheidend. Es geht jedenfalls um einen Berg, also ein schwerwiegendes Motiv der Heilsgeschichte.

Zum Nachhören

Auf dem Berg Moria hat Abraham seinen Sohn beinahe geopfert und entdeckt, dass Gott gar keine Menschenopfer will; auf dem Berg Sinai hat Mose im Namen des Volkes Israel einen Bund mit Gott geschlossen; zu einer Wanderung bis zum Berg Horeb wurde Prophet Elija veranlasst. Der Berg ist ein Ort, wo Gott sich zeigt. Das haben auch vorchristliche Religionen geahnt, wenn wir zum Beispiel an die Rolle des Olymps in der griechischen Mythologie denken. Auf einem Berg geschieht im heutigen Evangelium etwas, wofür die auserwählten Jünger Jesu nicht vorbereitet sind. Es kommt zu einer Verklärung, also Verwandlung, die auf Griechisch als „Metamorphose“ bezeichnet wird.

„Es ist eine Gestaltänderung, eine Änderung der morphe, die gewissermaßen ein Gegenstück zu der Kenose des präexistenten Gottessohnes im Philipperhymnus darstellt.“

Es ist eine Gestaltänderung, eine Änderung der morphe, die gewissermaßen ein Gegenstück zu der Kenose des präexistenten Gottessohnes im Philipperhymnus darstellt. Dort hält er nicht daran fest, in der morphe Gottes zu sein, sondern nimmt die morphe eines Knechtes an. Hier zeigt er aber seine transzendente Herrlichkeit, seine Normalgestalt, die durch nichts Irdisches nachgemacht werden kann.

Die Betrachtung zum Sonntagsevangelium im Video

Was ist die eigene Identität?

Was tut Jesus auf dem Berg? Und vor allem, warum tut er das? Muss er sich selbst vergewissern, wer er ist? Ist er auf der Suche nach der eigenen Identität? Braucht er eine Bestätigung von den höchsten Autoritäten des Alten Testaments? Die Verunsicherung über die eigene Identität gehört in unsere Zeit. Immer mehr Menschen haben damit Probleme. Was darf ich noch sagen? Was macht das Christliche aus? Was bedeutet, an eigener Kultur, Tradition, Sprache, Geschichte, Nationalität festzuhalten? Darf man das noch? Was heißt Mann oder Frau zu sein? Darf man das noch festlegen? Fragen über Fragen. Viele fürchten beinahe Eingriffe irgendeiner Gesinnungspolizei ins eigene Leben, sei es allein durch manche mediale Aufarbeitung von verschiedenen Themen oder den sozialen Druck, der in bestimmten Kreisen immer größer wird. Die postmoderne Zeit scheint feste Identitäten nicht besonders zu mögen. Was en vogue ist, ist eher fluide. Alles fließt. Heute bin ich hier, morgen kann ich schon woanders stehen. Das gilt auch für meine eigene Identität, über die ich selbst bestimmen will. Das Feste wirkt beängstigend, begrenzend, fesselnd. Das Fließende spannend, anregend, zukunftsweisend.

Jesus ist der Logos

Aber Jesu Identität fließt nicht. Sie ist sehr wohl festgelegt. Er ist der Logos, der in die menschliche Geschichte eingetreten ist. Die Transzendenz, welche die Immanenz angenommen hat. Der Unbegrenzte hat sich begrenzen lassen. Das kann nur einer, der sehr wohl weiß, wer er ist. Gott wurde Mensch und dadurch den Menschen so nah, dass sie Gefahr laufen, ihn hinter der menschlichen Gestalt nicht mehr zu erkennen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich dieser menschgewordene Gott einen seltsamen Heilsweg ausgewählt hat: Er möchte Gottes Herrschaft auf der Erde herbeiführen, aber nicht anders als durch Leiden und Tod, die zur Auferstehung führen sollen.

„Für ihn gibt es keine Herrlichkeit ohne Erniedrigung“

Für ihn gibt es also keine Herrlichkeit ohne Erniedrigung. Und genau das macht seine Nachfolge so schwierig. Wie einem folgen, der vorerst zum Sterben einlädt? Deshalb die Verklärung. Nicht wegen Jesus, sondern wegen seiner Jünger und all ihrer geistlichen Nachkommen bis zum Ende der Zeiten. Es sind wir, die wir uns vergewissern müssen, in wessen Fußstapfen wir treten. Wir können nicht ohne die hoffnungsvolle Zuversicht leben, dass unser Leid und unser Tod am Ende in der Glorie der Auferstehung überwunden werden.

Ahnungslose Apostel

Jesus wird vor den Augen seiner ahnungslosen Apostel verklärt. Als Begleiter hat er dabei die zwei wichtigsten prophetischen Gestalten des Alten Testaments: Mose, den Vermittler und den Garanten des Gesetzes sowie Elija, den bewährten Eiferer für die Exklusivität des JHWH-Glaubens. Ihre Anwesenheit zeigt, dass sich in Jesus alle göttlichen Verheißungen des Alten Testamentes sowie eschatologischen Hoffnungen Israels (auf einen neuen großen Propheten bzw. auf die Wiederkunft des Elija) erfüllen. Wenn eine solche Herrlichkeit Gottes erscheint, macht sie die Menschen perplex und sprachlos. „Wir wollen drei Hütten bauen!“ könnte auch vielleicht heißen: „Irgendwie habe ich keine Ahnung, was hier los ist, aber möge dieser Moment fortdauern.“

Stimme aus der Wolke

Entscheidend sind aber nicht die Worte der beteiligten Menschen, sondern die Stimme aus der Wolke, wiederum Zeichen der Transzendenz. Diese bekräftigt die Identität Jesu, wie schon bei der Taufe: „Das ist mein geliebter Sohn“, was zu einem Auftrag wird: „auf ihn sollt ihr hören“. Es handelt sich also nicht um eine wunderbare Schau zur Befriedigung von Schaulustigen. Die Erfahrung geht in eine Aufgabe über. Die Worte dieses Jesus sind zu befolgen, weil er der durch die Autorität des Vaters bekräftigte Sohn ist.

Es folgt dann noch ein Gespräch Jesu mit den Jüngern, in dem ihnen das beim Evangelisten Markus bereits wohlbekannte Schweigegebot ausgesprochen wird. Zugleich aber wird eine Zäsur mitgegeben: Bis er auferstanden ist, darf man die Erfahrung auf dem Berg nicht weitererzählen. Das wirft die Frage auf, was denn die Auferstehung bedeutet, weil die Apostel aus dem zeitgenössischen Judentum eigentlich nur die allgemeine Auferstehung aller Toten am Ende der Zeiten kennen. Aber die Auferstehung eines Einzelnen?

„Die Frage der Jünger, was es bedeutet aufzuerstehen, ist eine bleibende Herausforderung auch für die Jünger des einundzwanzigsten Jahrhunderts.“

Deshalb kann man sagen, dass die Perikope von heute einen offenen Schluss hat. Denn die Frage der Jünger, was es bedeutet aufzuerstehen, ist eine bleibende Herausforderung auch für die Jünger des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Es sind wir, die wir immer wieder auf die Frage antworten müssen, was es heißt, die Auferstehung zu erleben. Den Inhalt der Verklärung bildet eine Christophanie, also die Offenbarung Christi als Sohn Gottes. Aber die Brücke zur Auferstehung ist dabei wesentlich. Denn so sehr die Passion Christi den Horizont des Evangeliums und damit auch die Frage der Nachfolge Jesu bestimmt, bedeutet sein österliches Mysterium nicht bloß das Leiden und den Tod, sondern auch die Auferstehung, deren Vorwegnahme die Verklärung darstellt.

Evangelien als dauerhaftes Zeugnis der Sendung Jesu 

Es ist alles andere als einfach, das Mysterium Christi zu verstehen und es dann noch anzunehmen. Generationen von Menschen, die damit konfrontiert werden, reiben sich daran. Sie hadern mit dem Schicksal Jesu, wenn sie erfahren, dass dieses auch zu ihrem Schicksal werden soll. Seit den Zeiten von Jesus selbst hat sich da nicht viel geändert. Deshalb wird in den Evangelien ständig davon gesprochen. Eigentlich sind sie nichts anderes als ein dauerhaftes Zeugnis der Sendung Jesu Christi, die sich im Paschamysterium offenbart. Auch heute gilt es deswegen im Christentum das Pascha-Mysterium, das Ostergeheimnis Jesu Christi hervorzuheben.

„Das Ostergeheimnis ist unser Alleinstellungsmerkmal“

Das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Ohne Christus kein Christentum. Ohne Kreuzestod und Auferstehung kein Christus. Alle Versuche, die Klarheit dieses Zusammenhangs abzuschleifen bzw. zu verzerren, können nur zur Verzerrung Jesu Christi, seiner Verharmlosung und schließlich zu seiner Entlassung in die historische Bedeutungslosigkeit führen. Stattdessen gilt es, Jesus nicht an unsere Bequemlichkeit anzupassen, sein Kreuz und seine Auferstehung in der Kirche und in der Welt erstrahlen zu lassen sowie keine Angst zu haben, die Menschen damit bekannt zu machen, auch auf das Risiko hin, dass sie nicht hören wollen. Das macht das Christusereignis nicht weniger glaubwürdig. Ganz im Gegenteil.

„Wenn der Mensch auf die Rettung durch Gott hoffen will, so muß er unter dem Kreuz Christi verharren“

Sehr eindrucksvoll zeigte der heilige Johannes Paul II. in seinem Buch „Die Schwelle der Hoffnung überschreiten“ diesen zentralen, unverzichtbaren, doppelten Inhalt des Christentums auf: „Das Christentum ist eine Religion des Heils, das heißt, um den theologischen Ausdruck zu verwenden, es ist Soteriologie. Die christliche Soteriologie konzentriert sich auf das Ostergeheimnis. Wenn der Mensch auf die Rettung durch Gott hoffen will, so muß er unter dem Kreuz Christi verharren. Und dann, am Sonntag, der auf den Karsamstag folgt, muß er vor dem leeren Grab stehen und wie die Frauen von Jerusalem hören: „Er ist nicht hier denn er ist auferstanden“ (Mk 28,6). Zwischen dem Kreuz und der Auferstehung steht die Sicherheit, daß Gott den Menschen rettet, daß er ihn rettet durch Christus, durch sein Kreuz und seine Auferstehung.“


(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)

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24. Februar 2024, 10:59