Adveniat-Geschäftsführer ist nach Argentinien-Wahl besorgt
DOMRADIO.DE: Javier Milei wird neuer Präsident Argentiniens. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie das erfahren haben?
Pater Martin Maier SJ (Hauptgeschäftsführer von Adveniat): Das ist eine Wahl des Protests und der Verzweiflung. Es ist ein Protest gegen die bisherige Regierung, zu der ja auch Mileis Gegenkandidat Sergio Massa als Wirtschaftsminister gehört. Und es ist Verzweiflung gegenüber der sozialen und wirtschaftlichen Situation in Argentinien.
40 Prozent der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsschwelle, zehn Prozent in extremer Armut. Das mag eine Teilerklärung für dieses Wahlergebnis sein.
DOMRADIO.DE: Milei erinnert in seiner Rhetorik und in seinem Gebaren stark an Donald Trump in den USA und den brasilianischen Expräsidenten Jair Bolsonaro. Warum haben ihm dennoch so viele Menschen ihre Stimme gegeben?
Maier: In wirtschaftlich und geopolitisch schwierigen Zeiten neigen Menschen dazu, denen nachzulaufen, die einfache Lösungen versprechen. Und Milei hat einfache Lösungen versprochen. Er möchte die Dollarisierung in Argentinien einführen, die Zentralbank abschaffen und er möchte in einer extrem liberalen Wirtschaftspolitik die Sozialausgaben kürzen. Er sagt, das sei der Weg, um die Lösungen zu finden und um Argentinien wieder groß zu machen.
DOMRADIO.DE: Milei stilisiert sich als eine Art messianische Erlöserfigur mit simplen Rezepten. Er will einen knallharten neoliberalen Kurs fahren. Was würde es denn bedeuten, wenn er seine Ziele wirklich umsetzen kann?
Maier: Das würde zuerst einmal bedeuten, dass die Lebenssituation der Menschen in Argentinien, die in Armut leben, noch prekärer und ungesicherter wird. Es ist jetzt schon von möglichen sozialen Unruhen die Rede. In Argentinien sind die Gewerkschaften stark. Die werden sich natürlich gegen die Kürzung bei den Sozialausgaben stemmen.
DOMRADIO.DE: Papst Franziskus hatte vor der Wahl vor Rattenfängern gewarnt. Milei wiederum hatte im Wahlkampf den Papst als lausigen Linken und Kommunisten beschimpft. Denken Sie, dass der Ausgang der Wahl jetzt Auswirkungen auf potenzielle Reisepläne des Papstes in sein Heimatland Argentinien haben könnte? Und denken Sie, dass der Papst den Wahlausgang kommentieren wird?
Maier: Papst Franziskus hat wiederholt den Wunsch geäußert, sein Heimatland im Jahr 2024 zu besuchen. Es wurde spekuliert, ob der Wahlausgang bei den jetzigen Präsidentschaftswahlen darauf einen Einfluss haben könnte. Das war auch Gegenstand der letzten Fernsehdebatte von Sergio Massa und Javier Milei. Milei hat deutlich gemacht, dass er als Präsident selbstverständlich Papst Franziskus als Staatsoberhaupt des Vatikans empfangen würde, wenn er Argentinien besucht.
Ich denke nicht, dass sich Papst Franziskus direkt zum Ausgang der Wahlen äußern wird. Er hat vorab deutlich vor populistischen Versprechen gewarnt und vor denen, die einfache Lösungen vorspielen. Aber er wird meiner Ansicht nach nicht in Abhängigkeit des Wahlausgangs seine Reisepläne definieren.
DOMRADIO.DE: Adveniat setzt sich über seine lokalen Partner für die Armen in Argentinien ein. Was für Folgen wird Mileis Wahlsieg jetzt wohl für die Arbeit dieser Partner haben?
Maier: Die Konsequenz für unsere Arbeit zusammen mit unseren Partnern und Partnerinnen wird sein, dass wir uns noch mehr für die Armen einsetzen, uns noch mehr in unseren Projekten für ein menschenwürdiges Leben der Armen in Argentinien engagieren.
Wir stehen für eine Politik, die Papst Franziskus in seiner Enzyklika auch im fünften Kapitel umschrieben hat. Eine Politik, die die Menschenwürde in den Mittelpunkt stellt und sich nicht vor dem Finanzsektor beugt. Wörtlich sagt Franziskus in dieser Enzyklika: Denn der Markt allein löst nicht alle Probleme. Dazu gehört auch Bildung und politische Bewusstseinsbildung. Milei wird jetzt selbst Teil der politischen Kaste sein, die er so polemisch immer wieder bekämpft hat.
Er hat keine Mehrheit im Kongress und wird auf Koalitionen angewiesen sein. Er ist jetzt auch abhängig von Patricia Bullrich und Mauricio Macri, die Wahlempfehlungen für ihn ausgesprochen haben. Man muss sehen, wie er das, was er so vollmundig versprochen hat, politisch in die Tat umsetzen kann.
Das Interview führte Hilde Regeniter.
(domradio - mg)
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