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Schweiz: Kirchenrechtler spricht über kirchliche Moral

Für den Zeitraum der letzten 70 Jahre werde man von bis zu 15.000 Missbrauchsfällen im Land ausgehen müssen, so der Schweizer Kirchenrechtler und Präventionsbeauftragte Stefan Loppacher. Er äußerte sich wenige Tage nach dem Schweizer Missbrauchsbericht in einem Interview.

Gründe für die Vertuschung von Missbrauch im Raum der Kirche sieht Loppacher auch im Kirchenrecht. Dieses habe zu einer Vermischung zwischen Moral und Recht geführt, führte Loppacher in einem Interview mit Tamedia am Freitag aus. Wenn ein Geistlicher einen Jungen missbraucht habe, sei dies mit Homosexualität begründet worden, was man auch moralisch verurteilt hätte. Viel gravierender sei aber Sex zwischen einem Kleriker und einer Frau bewertet worden, da dies als „richtiger Zölibatsbruch“ wahrgenommen worden sei. Aus biblischen und kultischen Reinheitsvorstellungen heraus würden Frauen in dieser Perspektive als weniger rein angesehen werden. Dies präge das Bild vieler Kirchenvertreter bis heute, so Loppacher.

Im Bezug auf Missbräuche habe man nur das Ziel gehabt, „die Täter zu ihrem eigenen Heil vor sich selbst zu schützen und zur Umkehr zu bewegen“, führte Loppacher mit Blick auf Vertuscher innerhalb der Kirche weiter aus. Transparente Aufarbeitung und Benennung der Schuld sei nicht Teil des Kirchenrechts gewesen, so das Urteil des Präventionsbeauftragten. 

Hintergrund

Stefan Loppacher ist Experte für Kirchenstrafrecht und Präventionsbeauftragter im Bistum Chur. Zudem ist er auch Geschäftsführer des Fachgremiums „Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld" der Schweizer Bischofskonferenz.

Die Universität Zürich hatte am 12. September in einer Studie 1002 Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in der Schweiz seit der Mitte des 20. Jahrhunderts dokumentiert, zudem wurden immer mehr Vorwürfe laut gegenüber Mitgliedern der Schweizer Bischofskonferenz, welche systematisch Missbrauchsfälle vertuscht haben sollen.

(kath.ch – jo)

 

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15. September 2023, 16:48