Flughafenseelsorge: Da, wenn man sie braucht
Radio Horeb: Herr Kohlhuber, wie viele Menschen kommen denn jeden Tag in die Flughafenseelsorge und mit welchen Anliegen?
Franz Kohlhuber: Wir haben keine festen Zahlen, wie viele Menschen jeden Tag zu uns kommen, weil das jeden Tag unterschiedlich ist. Wir haben Tage, wo es sehr ruhig ist, und wir haben Tage, wo einer dem anderen die Türklinke in die Hand gibt. Wir sind schwerpunktmäßig zuständig für Sozialdienste für Passagiere und Reisende, aber auch für Mitarbeitende am Flughafen.
Radio Horeb: Kann es sein, dass jemand, der aus dem Urlaub zurückkommt, beim letzten Espresso an der Bar seinen Geldbeutel vergessen hat und jetzt hier ohne Geld ankommt und noch ein Bahnticket nach Nürnberg benötigt?
Franz Kohlhuber: Dann strecken wir das Geld vor und bitten den Passagier einfach, uns in den nächsten Tagen das Geld zurück zu überweisen. Das ist so was ganz Banales. Was häufiger passiert, ist einfach alles, was mit dem Thema Tod zu tun hat.
Radio Horeb: Zum Beispiel?
Franz Kohlhuber: Es passieren Todesfälle während eines Fluges. Es laufen Reanimationen am Flughafen. Wir hatten hier am Flughafen, seit ich da bin, in den letzten zehn Jahren auch schon zweimal einen Suizid. Wir begleiten die Polizei bei der Überbringung von Todesnachrichten. Es kann vorkommen, dass Urlauber-Eltern aus dem Urlaub zurückkommen und sich der Sohn am Vortag das Leben genommen hat und sie es dann erst hier erfahren, wenn sie ankommen. Wir begleiten die Angehörigen.
Radio Horeb: Und auf Seiten der Mitarbeiter?
Franz Kohlhuber: Auf Seiten der Mitarbeiter kommen Mitarbeiter des Flughafens von einer Fluglinie von einem anderen Arbeitgeber am Flughafen zu uns - mit Themen wie Burnout, lange Krankheiten, Mobbing am Arbeitsplatz. Sehr oft taucht das Thema Schulden zurzeit auf. Menschen sind nicht mehr in der Lage, ihr Leben zu finanzieren. Und wir versuchen da dann einfach Hilfestellung zu geben oder weiter zu vermitteln an Beratungsstellen.
Radio Horeb: Die Flughafenseelsorge hilft im Grunde bei einer ganzen Bandbreite von Themen. Also ganz unterschiedlichen Schicksale. Wie gehen Sie denn persönlich damit um?
Franz Kohlhuber: Ich habe eine Ausbildung als Notfallseelsorger und eine Zusatzausbildung im Bereich Traumapastoral und habe so für mich im Laufe der Zeit meine Schutzmechanismen entwickelt. Für mich ist mein Glaube ganz wichtig - und das ist das Zentrum: dass ich weiß, das, was ich tue, tue ich im Namen Gottes. Ich weiß, er ist dabei, wenn ich zum Beispiel zu einem Todesfall gerufen werde und ich schaffe es noch, dann gehe ich vorher kurz in die Christophorus-Kapelle hier am Flughafen. Und da werde ich manchmal ganz kindlich und sage ,Lieber Gott, du schickst mich da jetzt hin, gib mir bitte die tiefe Zuversicht, dass du auch dabei bist, denn gemeinsam schaffen wir das.' Und wenn die Betreuung abgeschlossen ist, gehe ich wieder in die Kapelle. Zünde meistens eine Kerze für den Verstorbenen an und für seine Angehörigen und gebe sozusagen für mich bewusst diesen Betreuungsfall wieder Gott zurück und sage: ,Ich habe jetzt das Meine getan, jetzt musst du wieder schauen, wer sich weiter um diese Menschen kümmern kann'.
Radio Horeb: Was kann die Flughafenseelsorge leisten und was nicht?
Franz Kohlhuber: Was wir nicht leisten können, ist längerfristige Begleitung. Wir können hier keine Therapie anbieten, sondern wir schauen, dass wir Menschen mit Nöten an ihrem Wohnort oder vielleicht gerade nicht am Wohnort in eine Beratungsstelle vermitteln können, dass wir ihnen Adressen geben, wo ihnen langfristig geholfen werden kann. Wir können diese Sachen einfach nicht gewährleisten, sondern es ist immer eine kurzfristige aktuelle Hilfe, die wir anbieten können.
Die Kapelle am Münchner Flughafen ist Tag und Nacht geöffnet, die Flughafenseelsorge rund um die Uhr erreichbar, tagsüber in Präsenz, nachts in Bereitschaft.
(radio horeb – gs)
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