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Richard Kick vom Betroffenenbeirat des Erzbistums München und Freising überreicht Papst Franziskus eine Herz-Skulptur. Richard Kick vom Betroffenenbeirat des Erzbistums München und Freising überreicht Papst Franziskus eine Herz-Skulptur. 

„Wir brechen auf“: Überlebende von Missbrauch beim Papst

Am 6. Mai sind 15 Betroffene von sexuellem Missbrauch vom Münchner Marienplatz aus aufgebrochen und losgeradelt. Ihr Ziel: Rom und ein Treffen am Mittwoch mit Papst Franziskus bei der Generalaudienz. Martin Mölder hat sie dort und bei ihrer Ankunft in Rom am Dienstag getroffen, neben anderen war Richard Kick vom Betroffenenbeirat des Erzbistums München und Freising dabei.

Martin Mölder - Vatikanstadt

„Wir hatten unglaubliche Gespräche, sehr intensive Gespräche. Leute, die noch nie an der Öffentlichkeit waren, haben sich entschieden, an die Öffentlichkeit zu gehen und zu sprechen“, blickt Richard Kick vom Betroffenenbeirat des Erzbistums München und Freising gegenüber Radio Vatikan auf die gemeinsame Radtour nach Rom zurück, mit der die Betroffenen ein Zeichen setzen wollten.

Es geht um alle Missbrauchten weltweit

„Und das war mir ganz besonders wichtig, dass wir ausstrahlen, dass wir eine Gemeinschaft sind von Betroffenen im klerikalen Kontext. Dass wir aber gleichzeitig unseren Fokus geweitet haben: Es geht um alle Missbrauchten weltweit, insbesondere Kinder. Und hier wollen wir weiter (für Aufklärung, Anm.) kämpfen, denn ich glaube, wir haben bewiesen, dass wir es können.“

Ankunft in Rom nach rund 720 Kilometern
Ankunft in Rom nach rund 720 Kilometern

Kick ist immer noch bewegt, als er das sagt. Zehn Tagesetappen mit einer Länge von 60 bis 100 Kilometern liegen am Dienstagnachmittag hinter den Rad-Pilgern. Unter dem Motto „Wir brechen auf! Kirche, bist du dabei?“ wollen sie als Betroffene von sexuellem Missbrauch mit dieser besonderen Radtour zur Bewusstseinsbildung beitragen.

Endlich Empathie

„Die Betroffenen erleben bisher bei dem Thema Aufarbeitung Kampf, Misstrauen, Abwehr, Bürokratie und nicht, dass einer einfach nur nett ist.“

Robert Köhler von der Initiative „Wir-wissen-Bescheid.de“ hat die Pilgertour mitorganisiert und wahrgenommen, dass die Gruppe jeden Tag näher zusammengerückt ist. „Unter Betroffenen findet man recht schnell einen Weg, wie man miteinander umgehen muss. Wenn man an Grenzen kommt.. Das war zwei Mal so, dass zwei Leute einfach Tränen in den Augen hatten, weil sie sagen: Mensch, da ist der Bischof oder Pfarrer oder wer auch immer, die sind so nett zu mir. Die erleben bisher bei dem Thema Aufarbeitung Kampf, Misstrauen, Abwehr, Bürokratie und nicht, dass einer einfach nur nett ist. Die Liebe Gottes ist nicht empathielos.“

Erleichterung, Stolz und Zufriedenheit bei den Rad-Pilgern
Erleichterung, Stolz und Zufriedenheit bei den Rad-Pilgern

Bei der Generalaudienz

Mittwochmorgen sitzt die Pilgergruppe 20 Meter entfernt vom Stuhl des Papstes auf dem Petersplatz – und Franziskus nimmt sich bei der Generalaudienz Zeit für die 15 Pilgerinnen und Pilger. „Wir waren oben ganz in der Nähe des Papstes. Wir waren dann die erste Gruppe, auf die er zugekommen ist. Er war im Rollstuhl , ist dann zu uns hingefahren worden, ist dann aber aufgestanden aus dem Rollstuhl und die zwei Meter auf uns zugelaufen, hat uns begrüßt und mit uns gesprochen. Und er hat auch gesagt, das Thema ist ein sehr Schwieriges. Er betet für uns und wir sollen auch für ihn beten.“

Robert Köhler und andere der Gruppe erklären dem Papst bei der Generalaudienz das Anliegen der Radtour, die Überlebende des sexuellen Missbrauchs aus Bayern nach Rom führte. Doch Franziskus ist bereits informiert und weiß schon von der besonderen Mission. „Er war vorbereitet. Er hat mit der kurbelnden Handbewegung schon gesagt: Ah, Ihr seid die Radfahrer. Kardinal Marx hat ihm auch vorher erzählt, was wir tun, warum wir das tun, und auch als er zum Schluss gegangen ist, meinte er noch: Radelt Ihr jetzt wieder heim? Natürlich im Spaß, und das hat auch ein Stückchen Nähe gebracht.“

Ein Herz mit viel Symbolkraft und ein Appell

Die Pilgergruppe überreicht Papst Franziskus bei dem Treffen eine dreidimensionale Herz-Skulptur, Zeichen dafür, dass sie sich offene Herzen wünschen für Ihr Leid, für ihre Anliegen und für Veränderungen in der katholischen Kirche, die Missbrauch wesentlich stärker ins Bewusstsein bringen soll. Diese Botschaft ist auch beim Papst angekommen, sagt Robert Köhler. „Das Herz konnte übergeben werden, und es hat tatsächlich seine Wirkung entfaltet. Franziskus hat gemerkt, wir wollen Emotion, wir wollen Herz, wir wollen nicht Dinge für den Kopf machen. Das ist das, was auch er wollte.“

Die Gruppe überreicht dem Papst außerdem noch einen Brief. Darin formulieren die Betroffenen Forderungen zu einem strikten Umgang mit Missbrauch in der katholischen Kirche. „Wir erwarten, dass Sie alles in Ihrer Macht Stehende tun, dass in alle Winkel der Weltkirche hinein das Thema sexueller wie spiritueller Missbrauch gesehen, aufgearbeitet und durch entsprechende Präventionsmaßnahmen unterbunden wird.“ Anfänge seien zwar gemacht, aber es brauche weiterhin „ein starkes und klares Engagement aller Verantwortungsträger innerhalb der Kurie und in die Diözesen der Weltkirche hinein". Der Brief endet mit dem Appell an Franziskus: „Setzen Sie auch ein klares Zeichen gegenüber Tätern und Bischöfen, die ihrer Verantwortung nicht nachgekommen sind und diese bis heute zum Teil nicht wahrnehmen."

„Er will, dass wir weitermachen"

Gestartet vom Münchener Marienplatz ist die Pilgerguppe mit dem besonderen Anliegen rund 720 Kilometer später und nach zehn Tagen auf dem Petersplatz angekommen. Die zum Teil physisch und psychisch anstrengende Radtour hat sich gelohnt, sagt Robert Köhler, auch für ihn persönlich.

„Ja, ich nehme mit, dass der Vatikan uns wertgeschätzt hat, dass der Papst uns wertgeschätzt hat. Und diese Wertschätzung können wir, wenn wir weiter an dem Thema wirken - also Aufarbeitung machen, uns um Betroffene kümmern - auch mitnehmen. Und wir können jedem in der katholischen Kirche, der nicht will, einfach sagen: Wir waren beim Papst und der will, dass wir weitermachen.“

Am Donnerstag ist ein Treffen der Gruppe mit dem deutschen Präventionsexperten Hans Zollner geplant. Der Jesuit leitet das Safeguarding-Institut für Anthropologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom.

(vatican news - mm)

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17. Mai 2023, 14:38