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Ukraine: „Man hätte früher intervenieren müssen“

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist nicht vom Himmel gefallen, sondern hat sich schon lange abgezeichnet, ja eigentlich schon 2014 angefangen.

Davon ist Bischof Franz-Josef Overbeck überzeugt. „Die Situation, die sich seit dem 24. Februar dieses Jahres zeigt, ist das Ergebnis einer langen Entwicklung, die schon sichtlich vorbereitet war, als es zur Annexion der Krim im Jahre 2014 kam.“ Das sagte Overbeck am Montag im Gespräch mit Radio Vatikan. „Und spätestens da habe ich schon gedacht - ich war damals schon katholischer Militärbischof für die deutsche Bundeswehr –: da hätte interveniert werden müssen.“

Man hätte Putin den damaligen Bruch des Völkerrechts nicht durchgehen lassen und wieder auf ‚business as usual‘ schalten dürfen. „Das hängt meiner Überzeugung nach damit zusammen, dass das Selbstbestimmungsrecht eines Volkes unbedingt zu achten ist! Das gehört auch zu der UN-Charta, und das hat jedes andere Land jeweils zu akzeptieren.“

„Siegt Recht über  Gewalt – oder Gewalt über Recht?“

Bis ins Letzte durchbuchstabiert bedeutet das: Man darf jetzt nicht so tun, als wäre die Krim irgendwie russisch und für die Ukraine auf ewig verloren. Und man darf die Ukraine nicht dazu drängen, die Krim um des lieben Friedens willen aufzugeben. Jedenfalls warnt Overbeck, der auch Bischof von Essen ist, davor, Russlands Verstöße gegen das Völkerrecht hinzunehmen. „Sollte man dem nicht widerstehen, werden sich viele andere Länder auch eingeladen fühlen, ähnlich zu agieren: Man denke nur an den weiteren Osten, an Taiwan und entsprechende andere Länder. Das heißt, hier droht eine wirkliche Gefahr…“

Bischof Overbeck
Bischof Overbeck

Overbeck bringt’s auf eine einfache Formel: „Siegt hier das Recht über die Gewalt – oder die Gewalt über das Recht?“ Es stimme ja, was Jesaja schreibe, dass nämlich der Friede ein Werk der Gerechtigkeit sei (vgl. Jes 32,17). Wer echten Frieden und „damit auch Freiheit“ wolle, der müsse „alles tun, was wir können, damit das Recht über die Gewalt siegt“.

Waffen liefern - ein moralischer Eiertanz

Was bedeutet das nun für die heikle Frage der Waffenlieferungen an die bedrängte Ukraine? Papst Franziskus scheint davon nicht viel zu halten, doch viele Denker argumentieren: Der Überfallene muss sich auch verteidigen können.

Radio Vatikan: Interview mit Bischof Overbeck zum Krieg in der Ukraine

Overbeck: „Auf dem Hintergrund des Gesagten wird deutlich, dass man eben ein Selbstverteidigungsrecht auch für das ukrainische Volk und die Ukraine selbst akzeptieren muss. Das bedeutet, dass sie das aus eigener Kraft alleine nicht können. Und dass deswegen ethisch etwas getan wird, was in der Tat immer am Rande sowohl des Legalen wie auch des Klugen ist: Kämpfe mit Waffengewalt auszutragen.“

Nikopol
Nikopol

Das deutet auf einen moralischen Eiertanz. „Auf der anderen Seite wissen wir aber, dass wir einen Aggressor haben, der mit roher Gewalt und unendlicher Form von Grausamkeit vorgeht. Da müssen wir klar signalisieren: Hier ist eine Grenze.“

„Wie auch immer die Lösung aussieht...“

Die Rolle des Papstes angesichts des Ukraine-Kriegs hält Bischof Overbeck vor allem mit Blick auf die Ökumene für wichtig: „Dass wir, weil ja hier Völker, die beide vom Christentum bestimmt sind, gegeneinander streiten und kämpfen, alles tun, damit Brücken gebaut werden. Brücken, die nicht öffentlich sein müssen, die aber helfen, zu Formen der Annäherung zu kommen.“

Das gelte natürlich auch in politischer Hinsicht. Hier könnten Papst Franziskus oder auch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin nach Überzeugung des deutschen Bischofs dazu beitragen, dass ein Weg in Richtung Lösung gegangen wird – „wie auch immer die Lösung dann aussieht“.

Wer Waffen liefert, lädt Schuld auf sich

„Ich glaube auf der anderen Seite, dass wir aber auch immer sagen müssen: Wer immer Waffenlieferungen leistet oder unterstützt, muss sich genau derselben Problematik gewärtig sein, wie derjenige, der Waffen nutzt. Jeder, der das tut, lädt Schuld auf sich. Jeder, der das tut, tötet Leben. Jeder, der das tut, bringt unendliches Leid über viele. Wenn auch die Ziele, warum das geschieht, unterschiedlich konnotiert sind, wie man an Russland und der Ukraine sieht – trotzdem bleibt genau das das Problem.“

Der Papst im April mit Familien, die aus der Ukraine geflohen sind
Der Papst im April mit Familien, die aus der Ukraine geflohen sind

Und darum gelte eigentlich und weiterhin: „Je weniger Waffen, desto weniger Leid… Aber in dem konkreten Fall ist das ja leider nicht so.“

Die europäischen Bischofskonferenzen sprächen in Sachen Waffenlieferungen nicht mit einer Stimme, hat Overbeck beobachtet; er ist auch Vize-Präsident des EU-Bischofsverbands Comece. Je näher ein Staat an der Ukraine liege, desto stärker würben auch die dortigen Kirchenführer für Waffenlieferungen. „Auch weil sie zum Teil wissen: Das ist der Schutz unseres Existenzrechtes, das möglicherweise sonst in Frage stünde, wenn die russischen Truppen wirklich gen Westen vorrücken könnten.“

(vatican news – sk)
 

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13. Dezember 2022, 11:59