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Archivbild: Papst Franziskus und Pater Hans Zollner Archivbild: Papst Franziskus und Pater Hans Zollner 

D/Kanada: „Ein starkes Zeichen“

Für den vatikanischen Kinderschutzexperten und Jesuitenpater Hans Zollner ist die Papstreise nach Kanada ein starkes Zeichen. Die Konsequenz der Präventionsmaßnahmen, auch im Vatikan, dürfen jedoch nicht nachlassen, sagt er im Gespräch mit dem Domradio.

DOMRADIO.DE: „Die Kirche kniet nieder und bittet um Vergebung.“ Das hat der Papst gestern bei seiner ersten Rede auf kanadischem Boden gesagt, begleitet von einer ganzen Reihe von Gesten. War das in Ihren Augen ein guter Auftakt einer solchen Bußreise?

Pater Hans Zollner SJ (Vatikanischer Kinderschutzexperte am Institut zum Schutz vor Missbrauch der päpstlichen Universität Gregoriana): Ich glaube, das war ein sehr guter Beginn einer Bußwallfahrt, wie der Papst das ja nennt. Ein Zeichen – nicht nur, dass er trotz seiner gesundheitlichen Probleme dort hingefahren ist, – sondern, dass er auch mit diesen starken Worten und diesen starken Zeichen begonnen hat.

Hier das Interview mit P. Hans Zollner

DOMRADIO.DE: Worte sind ja das eine und Gesten das andere. Welche Gesten fanden Sie gelungen?

Zollner: Ich glaube, dass es schon sehr wichtig ist, unter mehrere Rücksichten, dass er an diesen Ort hingereist ist, dass er den Boden betreten hat. Das ist ja das Allerwichtigste auch für viele indigene Völker, dass der Boden, die Erde, was ihre Heimat ist und das auf eine Art und Weise eine Verbundenheit auch ausdrückt für sich selber, mit der Schöpfung, mit all dem, was da lebt. Dass er also auch gezeigt hat, dass er die Kritik am Kolonialismus insgesamt ernst nimmt und den Anspruch von indigenen Völkern insgesamt für so wertvoll hält, dass er das auch wirklich anerkennt.

„Er hat im wahrsten Sinne des Wortes damit auch gezeigt, dass er in den Schuhen von anderen gehen kann.“

Das Zweite ist, dass er diese Mokassins, die ihm geschenkt worden waren und von denen man ihnen gesagt hatte, dass er sie doch bei seiner Reise nach Kanada von Rom aus mitnehmen sollte, tatsächlich auch wieder zurückgebracht hat und im wahrsten Sinne des Wortes damit auch gezeigt hat, dass er in den Schuhen von anderen gehen kann, dass er also sehr einfühlsam, sehr nahe bei all dem ist, was Menschen da erlitten haben, was sie auch in ihrer Gemeinschaft an Wunden erlebt haben.

DOMRADIO.DE: Im Falle der kanadischen Indigenen kommt jetzt Missbrauch auch Hand in Hand mit Rassismus daher. Was bedeutet diese Kombination für die Aufarbeitung?

Zollner: Jede Aufarbeitung hat Spezifika. Jede Auseinandersetzung mit all dem Schrecklichen, was in der Vergangenheit geschehen ist, hat seine eigenen Konnotationen. Und für alle indigenen Völker Amerikas – das betrifft ja nicht nur Nordamerika, das ist sicherlich auch Südamerika und das ist ja die Heimat des Papstes, das sollte man auch in diesem Zusammenhang nicht vergessen – hat es diese besondere Verbindung zwischen der westlichen, der europäischen Oberhoheit und der Kolonialisierung, dem Minderbewerten von anderen Rassen.

Und das ist für den Papst sicherlich eine wichtige Gelegenheit, auch darauf hinzuweisen, wie er ja in seinen Worten getan hat, dass er die gleiche Würde für die Menschen in den Mittelpunkt stellt und damit auch schon sagt, dass das Christentum, so wie wir es heute verstehen, sehr weit von dem entfernt ist, was die damaligen Kolonialherren und auch die christlichen Missionare, die da kamen, darunter verstanden haben, was ihr Auftrag ist.

DOMRADIO.DE: Was ist jetzt weiter besonders wichtig, – die Reise geht ja noch einige Tage – damit der Papst die Betroffenen wirklich erreichen kann?

Zollner: Ich glaube, das Wichtigste ist, dass er dabei bleibt, dass er zuhört, dass er die Zeichen, die Symbole, die ihm da begegnen werden, die Worte aufnimmt, die Tänze, die Federn, die Gegenstände, die ihm dargeboten werden. Und dass er auch diejenigen anhört oder wenigstens mit hineinnimmt, die durch so eine Reise, durch so eine Geste nicht das erleben werden, wie Sie ja ausdrücken, die sehr kritisch sich dem gegenüber verhalten, was da überhaupt angezielt ist, aber auch, dass er auch mit vollem Herzen, mit aller seiner Menschlichkeit da bleibt und dass er dem nicht ausweicht.

Aber das ist, glaube ich, von ihm zu erwarten, wie von sonst Keinem in der Kirche. Auch er zeigt da schon, wie wir auf Betroffene zugehen müssen, wie wir bereit sein müssen, das anzunehmen, was immer sie in den Mittelpunkt stellen. Also welche Art von Zeichen, von Worten und von konkreter Tat sie sich wünschen und dem soweit auch irgendwie möglich auch entsprechen.

DOMRADIO.DE: Sie haben gerade eine Kritik ganz kurz schon angerissen. Es gibt auch die Kritik von Indigenen, das seien ja alles Gesten und wichtiger sei jetzt auch eine höhere finanzielle Entschädigung zur Verfügung zu stellen. Ist da in Ihren Augen was dran?

Zollner: Also ich habe gelesen, dass die kanadische katholische Kirche, die einer der Betreiber von diesen Kinderheimen war, neben anderen Kirchen, weitere Besitztümer verkaufen, um eben – wie immer man das nennt – Entschädigungen, Wiedergutmachungen oder Anerkennungszahlungen leisten kann.

„Es sind viele Diözesen und viele Ordensgemeinschaften in große finanzielle Schieflage geraten, weil sie schon seit vielen Jahren auch Entschädigungszahlungen in großer Summe geleistet haben.“

Man muss dazu sagen, dass es ja nicht der Beginn ist. Es ist seit den 90er Jahren in der kanadischen Kirche auch ein Weg der Versöhnung beschritten worden. Das ist jetzt sozusagen auch ein Höhepunkt, dass der Papst selbst diesen Faden aufnimmt.

Und es sind viele Diözesen und viele Ordensgemeinschaften in große finanzielle Schieflage geraten, weil sie schon seit vielen Jahren auch Entschädigungszahlungen in großer Summe geleistet haben. Das wird sicherlich nicht immer dem entsprechen können, was sich manche Betroffene vorstellen. Aber es ist vermutlich im Rahmen dessen, was in einer Rechtslage wie in der kanadischen Gesellschaft eben möglich, sicherlich das Angemessene.

DOMRADIO.DE: Ausgehend von der Kanadareise, wo der Papst um Vergebung für Übergriffe und Misshandlungen, die in der Vergangenheit liegen, bittet, müsste er deutlich noch mehr tun, noch härter durchgreifen, um heute missbrauchsfördernde Strukturen innerhalb der katholischen Kirche aufzubrechen?

Zollner: Also das Wichtigste, was wir tun müssen als katholische Kirche und was er getan hat, ist das die Gesetze und die notwendigen Maßnahmen eigentlich existieren. Was geschehen muss, – und da sind die römischen Behörden tatsächlich ein Teil davon, da sind aber auch immer die Ortskirchen auch gefordert – ist das umzusetzen, was eigentlich schon an Maßnahmen und an rechtlichen Notwendigkeiten und Regelungen besteht. Das ist ja nicht so, dass es da nichts gäbe, sondern wenn man das konsequent umsetzen würde, was schon als Gesetzesnorm gilt, dann wären wir da auch schon sehr weiter, auch mit den Strukturen.

„Also wir brauchen nicht so sehr viel neue Gesetze, sondern wir brauchen die Konsequenz beim Durchführen.“

Aber das ist etwas, was er sich auf die Fahnen geschrieben hat und er 2019 auch mit den Änderungen im Kirchenrecht eine andere Dimension auch für die strukturelle und die institutionelle Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht angeht. Also wir brauchen nicht so sehr viel neue Gesetze, sondern wir brauchen die Konsequenz beim Durchführen. Das ist eben etwas, wo er selber natürlich vorangehen muss, nicht nur die römischen Behörden, sondern auch die jeweiligen Ortskirchen, in welchem Land auch immer die sind – und bis in die Diözesen und die Ordensgemeinschaften ihre eigene Verantwortung auch wahrnehmen müssen und der nicht ausweichen sollten.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

(domradio – mg)

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27. Juli 2022, 10:27