Myrrhe - Was es mit diesem Geschenk der Könige auf sich hat
Tatsächlich ist Myrrhe ein äusserst wertvolles Geschenk, ein richtiger Luxusartikel. Bereits die alten Ägypter versuchen, die dornigen Bäume anzubauen. Sie brauchen sie für die rituelle Totenkonservierung und wollen sie nicht mehr importieren. Denn der Myrrhenbaum wächst nur im trockenen Klima Somalias, Äthiopiens und Südarabiens.
Das Harz der Myrrhe kommt im profanen und im sakralen Leben vielfältig zum Einsatz. Die Ägypter verwenden Myrrhe als Räuchermittel und zum Einbalsamieren der noblen Toten. Auch im alten Judentum werden die Verstorbenen mit einem Gemisch aus Aloe und Myrrhe eingerieben. Nikodemus hat laut etwa 100 Pfund von diesem Gemisch für die Bestattung Jesu gebracht – eine wahrhaft königliche Totengabe!
Der Gesalbte – zum Sonderstatus geölt
In altorientalischen Kulturen sind Salbungsriten mit Ölen und Balsamen Königen und hohen Priestern vorbehalten. Später übernehmen die religiösen Spezialisten des Judentums diese Praxis, um . Myrrhe ist auch Bestandteil des Chrisams. Von der Taufe bis zur Krankensalbung kann so Myrrhe die katholischen Rituale begleiten.
Die grossen Könige Saul, David und Salomon wurden gesalbt, um ihren Sonderstatus unter den Menschen hervorzuheben. Jesus wird im Neuen Testament zum Gesalbten: „Messias" auf Hebräisch, „Christos" auf Griechisch. Ein Gesalbter, weil laut Prophezeiung ein Nachkomme Davids über das Volk Israel herrschen und Gottes Reich herbeiführen soll. Für die Urchristen war Jesus der Gesalbte Gottes, der spiritualisierte Erlöser, der durch seinen Tod und die Auferstehung das kommende Heil verheisst.
Das Geschenk der drei Weisen verweist auf den Werdegang Jesu: Myrrhe als Zeichen des Königs. Aber auch seines Leidens am Kreuz: Myrrhe schmeckt bitter, hätte aber den Schmerz gelindert!
Weniger Leid am Kreuz?
Bereits die Sumerer setzten Myrrhe als Arzneimittel ein, wie Tontafeln aus dem dritten Jahrtausend vor Christus beweisen. Der griechische Historiker Herodot (484–425 vor Christus) erklärt, dass man den verwundeten Soldaten im persischen Krieg Wein mit Myrrhe gereicht habe, weil das den Schmerz lindere. Laut Markusevangelium wurde Jesus vor der Kreuzigung ein ebensolcher Trank gereicht, den er jedoch ablehnte (Mk 15,23). Wollte Jesus ganz bei sich sein in den letzten Stunden? Missfiel ihm die Bitterkeit des Getränks? Bei Matthäus heisst es, der Wein, der Jesus vor der Kreuzigung angeboten wurde, sei mit Galle vermischt gewesen. Nach einem Schluck habe Jesus abgelehnt.
Vielleicht rührte die Bitterkeit nicht von Galle, sondern von Myrrhe? Wollte Jesus der Bitternis der Stunde eine freudvolle Zukunft entgegenstellen? Hätte Jesus etwas Myrrhe zu sich genommen, so wären die Schmerzen am Kreuz wohl erträglicher gewesen. Myrrhe hat eine desinfizierende, blutstillende und krampflösende Wirkung und findet bis heute Verwendung in der Medizin. Die Myrrhe war übrigens die Arzneipflanze des Jahres 2021!
Myrrhe wirkt anziehend
Mit dem Überbringen der Myrrhe verweisen die drei Weisen auf die spätere Anziehungskraft der Worte und Taten Jesu. Das Myrrheharz wurde nämlich wegen seines intensiven Duftes auch als Parfüm, ab und an gar als Aphrodisiakum genutzt.
Im oder etwa symbolisiert die Myrrhe die Liebe oder steht in Bezug zu Liebeswerbung. Welches Geschenk wäre besser geeignet gewesen, Jesu Appelle an die Nächstenliebe und die ungeheure Kraft, die seine Worte auf die Mitmenschen ausübten, zu symbolisieren als die unscheinbare Myrrhe?
( Natalie Fritz - kath. ch)
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