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Die Münchner Frauenkirche Die Münchner Frauenkirche 

D: „Mich bewegt und beschämt das sehr“

Das Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum München-Freising hat vielerorts Betroffenheit ausgelöst.

Münchens Generalvikar Christoph Klingan, der an der Vorstellung des Gutachtens am Donnerstagmorgen in der bayerischen Landeshauptstadt teilnahm, nannte die Studie einen „wichtigen Baustein unserer Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch“.

„Meine Gedanken sind zunächst bei den Betroffenen, bei den Menschen, die durch Mitarbeiter der Kirche großes Leid erfahren haben. Mich bewegt und beschämt das sehr. Den Betroffenen muss, davon bin ich zutiefst überzeugt, unser erstes Augenmerk gelten. Diese Perspektive in den Mittelpunkt zu stellen, bleibt unser Auftrag.“

„Erstes Augenmerk gilt den Betroffenen“

Klingan dankte Missbrauchsopfern, die dazu bereit seien, mit der Bistumsleitung über Konsequenzen aus dem Gutachten zu sprechen. Das Erzbistum hatte bis zur Veröffentlichung des Gutachtens keine Kenntnis über dessen Inhalte. Es will, wie es schon am Mittwoch in einer Erklärung betonte, „möglichst bald mit dem Betroffenenbeirat und der Aufarbeitungskommission in der Erzdiözese in einen Austausch über das Gutachten treten“.

Die Bewegung „Wir sind Kirche“ erklärte in einer ersten Stellungnahme, die von einer Münchner Anwaltskanzlei erstellte Studie biete „erschreckende Einblicke in das mangelnde Verantwortungsbewusstsein klerikaler Amtsinhaber“. Die Bewegung fordert den emeritierten Papst Benedikt XVI. auf, „sich seiner kirchenstrukturellen wie moralischen Verantwortung zu stellen“ und ein „persönliches Schuldeingeständnis“ abzugeben.

„Vor allem muss der Abbau fehlgeleiteter klerikaler Machtstrukturen erfolgen“

Gleichzeitig warnt „Wir sind Kirche“ davor, das Missbrauchsgutachten „nur auf die Rolle von Ratzinger zu fokussieren“. Erstmals habe es eine ausführliche Zeitzeugenbefragung und nicht nur die Sichtung von Akten gegeben. Die katholische Kirche stehe in Deutschland „immer noch am Anfang der Aufarbeitung, die dringend intensiviert werden muss“. Auch die übrigen deutschen Bistümer sollten jetzt „möglichst nach gleichem Standard Missbrauchsgutachten vorlegen“.

„Vor allem muss der Abbau fehlgeleiteter klerikaler Machtstrukturen erfolgen. Rücktritte auf den verschiedenen Leitungsebenen mögen nötig sein. Wichtiger aber ist ein grundlegendes Umsteuern, damit der Kirchenleitung wieder Glaubwürdigkeit entgegengebracht werden und die ursprüngliche Hoffnungskraft des Christentums wieder zur Geltung kommen kann.“

kfd fordert ehrlichen Neuanfang der Kirche

„Erschüttert über das Ausmaß des Fehlverhaltens kirchlicher Verantwortlicher im Erzbistum München-Freising“ zeigt sich die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd). „Braucht es erst ein Gutachten aus jedem (Erz-)Bistum, damit Verantwortliche ihre Aufgaben ernst nehmen?“, fragt Mechthild Heil, kfd-Bundesvorsitzende. Angesichts eines historisch niedrigen Vertrauens in die katholische Kirche und massenhaften Kirchenaustritten müssen die deutschen Bischöfe umgehend ins Handeln kommen.

„Die Kirche als Glaubensgemeinschaft ist viel mehr als das Versagen von Verantwortlichen. Darum sind wir als kfd auch ein Teil dieser Kirche. Dennoch wird es immer schwerer für uns, auch andere davon zu überzeugen. Viele unserer Mitglieder sind angesichts immer neuer vertuschter Missbrauchsfälle verzweifelt.“ Nur ein ehrlicher und aufrichtiger Neuanfang könne das zerstörte Vertrauen der Menschen in die Kirche wieder aufbauen.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken fragt in einer Erklärung: â€žWann folgen endlich Konsequenzen, die der dramatischen Lage gerecht werden?“ Es sei klar, dass die katholische Kirche „ein systemisches Problem“ habe; dagegen sei es immer fraglicher, ob sie „die Aufarbeitung allein schaffe“.

Seewald verteidigt Benedikt XVI.

Der Journalist Peter Seewald, Autor einer monumentalen Biografie von Benedikt XVI., hat das Agieren des emeritierten Papstes beim Umgang mit Missbrauchsfällen in seiner Zeit als Erzbischof von München (1977-1982) verteidigt. Im konkreten Fall um den Priester und Missbrauchstäter Peter H. etwa gebe es „keinerlei Belege dafür, dass Ratzinger involviert ist“, sagte Seewald kurz vor der Veröffentlichung der Münchner Studie im ARD-Morgenmagazin.

Seewald hob auch das offensive Vorgehen Ratzingers gegen Missbrauch als Präfekt der Glaubenskongregation sowie später als Papst hervor. So habe dieser die Grundlagen für die Verfolgung des Missbrauchs geschaffen und eine „Null-Toleranz-Politik“ eingeführt. „Es steht fest, dass ohne Papst Benedikt die Aufarbeitung des Missbrauchs in der katholischen Kirche nicht so weit wäre, wie sie jetzt ist“, betonte Seewald.

„Lügengebäude eingestürzt“

Der Sprecher der Opfer-Initiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, erklärte, das Gutachten habe ein um den emeritierten Papst aufgebautes Lügengebäude zum Einsturz gebracht. Es sei nun klar, dass Joseph Ratzinger als Erzbischof von München und Freising mitverantwortlich sei. Katsch würdigte die Art und Weise, in der das Gutachten vorgestellt wurde. „Wir hoffen sehr, dass die Erschütterung, die nicht nur ich gespürt habe in dem Moment, dazu beiträgt, dass da jetzt was Neues aufgebaut wird.“ Dass in der Kirche alle so weiter machten wie bisher, funktioniere nicht mehr.

Rörig: Beteiligung von Betroffenen positiv

Der Missbrauchsbeauftragte der deutschen Regierung, Johannes-Wilhelm Rörig, kritisierte mit Blick auf das Münchner Gutachten das Verhalten „ranghoher Kleriker“. Das „vollständige Nicht-Wahrnehmen“ der Betroffenen verschlage sogar ihm beinahe die Sprache, sagte Rörig in Berlin. Ihn verstöre auch der Pragmatismus, mit dem „sexueller Missbrauch wegverwaltet worden ist“.

Weiter erklärte Rörig, für ihn sei es sehr positiv, dass die Gutachter die Beteiligung von Betroffenen als extrem wichtig eingeordnet und die Notwendigkeit eines „geschützten Raums“ betont hätten. Dies sei auch bei der Gemeinsamen Erklärung der Bistümer und Ordensgemeinschaften, die 2020 unterzeichnet worden sei, berücksichtigt worden.
 

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20. Januar 2022, 15:39