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Friedrich Spee: Ein Jesuit gegen Hexenverfolgung und Folter

Der deutsche Jesuit Friedrich Spee verfasste 1631 die erste katholische Schrift, die Einwände gegen Hexenverfolgung und Folter erhob. Zugleich war er Lyriker und ist bis heute mit Liedern im „Gotteslob“ vertreten. Der Kirchenhistoriker Frank Sobiech beschäftigte sich mit der Figur des herausragenden Ordensmannes.

Mehrere zehntausend Menschen in Europa starben in der frühen Neuzeit als vermeintliche Hexen oder Zauberer. Die meisten von ihnen gaben unter Folter jede ihnen zur Last gelegte Anschuldigung zu. Ihren Höhepunkt erreichten die Hexenprozesse im frühen 17. Jahrhundert, und der Jesuit Friedrich Spee (1591-1635) war ein Zeitgenosse dieser Welle.

Hexenprozesse im Heiligen Römischen Reich liefen nicht vor Kirchentribunalen, sondern vor weltlichen Gerichten. Jedes Territorium hatte eine eigene Gerichtsbarkeit. Spee beschäftigte sich also mit weltlichem Recht. Vor allem aber war es seine seelsorgerliche Erfahrung mit Frauen und Männern, die der Hexerei angeklagt waren, die in sein Werk „Cautio Criminalis“ einflossen. In diesem Buch übte der Moraltheologe als erster gewissermaßen innerkirchliche Kritik an der Praxis, den der Hexerei Angeklagten Geständnisse mit Folter abzupressen.

„Man kann schon sagen, dass es einen gewissen Konsens zwischen Politik und Kirche gab in der Frage der Hexenprozesse“

„Er beschäftigte sich insbesondere mit dem Amt des Beichtvaters, und sein Eindruck war, dass die Beichtväter auf die Pönitenten nicht hörten“, erklärt der Paderborner Kirchenhistoriker Frank Sobiech. „Sie ließen sich das, was das Gericht festgestellt hatte – und das war gemeinhin ein Schuldspruch – von den Pönitenten wiederholen, ansonsten erteilten sie keine Absolution.“ Standen die Beichtväter also grundsätzlich auf der Seite der weltlichen Justiz und versuchten, mit ihren Mitteln die Angeklagten, meistens Frauen, zu einem Geständnis zu bewegen? Der Historiker: „Man kann schon sagen, dass es einen gewissen Konsens zwischen Politik und Kirche gab in der Frage der Hexenprozesse.“

Hier zum Hören:

Sobiech hat als Habilitation ein umfangreiches Buch über Friedrich Spee vorgelegt und tief in den Archiven gegraben. Dass der Jesuit und Theologe tatsächlich in Paderborn in den Kerkern war und der Hexerei Angeklagte seelsorgerlich betreute, war manchmal angezweifelt worden  - der Historiker kann diese Tatsache in seiner Schrift jedoch belegen. Im Kontakt mit diesen Angeklagten, die Folter und Tod gewärtigten, reiften in Spee Ansichten heran, die sich von denen anderer Gefängnisseelsorger abhoben.

„Beichtväter wie Spee, die Widerstand leisteten, waren die Ausnahme“

Viele Beichtväter nämlich hatten - in einem allerdings dezidiert voraufklärerischen kulturellen Rahmen – ebensowenig wie die Richter den Anspruch herauszufinden, ob die Frau oder der Mann vor ihnen wirklich „eine Hexe“ oder „ein Zauberer“ war. Die Priester begnügten sich laut Sobiech überwiegend damit, „dass die Pönitenten bedingungsweise Hexerei gebeichtet haben. Das heißt: Sollte ich Hexerei betrieben haben, dann bereue ich dies und werde mich bessern“. Zwar seien die harten Seelsorger, die in der Beichte direkt das Geständnis wiederholt haben wollten, wohl in der Minderzahl gewesen. „Aber die meisten Beichtväter dürften sich in das System eingefügt haben. Beichtväter wie Spee, die Widerstand leisteten, waren die Ausnahme.“

Schrift gegen Folter kostete Spee den Lehrstuhl

Spee legte seine Kritik an den Hexenprozessen in seinem Buch „Cautio Criminalis“ vor, das 1631 anonym erscheinen musste. Allerdings äußerte der Moraltheologe seine Einwände gegen die Folter auch in Vorlesungen an der Universität Paderborn. Wie heikel das innerkirchlich war, zeigt die Tatsache, dass er daraufhin im Orden angeschwärzt wurde, wobei einige Mitbrüder ihn auch unterstützten und sogar der Ordensgeneral Muzio Vitelleschi seine Hand über ihn hielt, betont Sobiech.

Allerdings: Seinen Lehrstuhl verlor Spee, und zu den letzten Gelübden zugelassen wurde er auch nicht – aufgrund seiner Kritik an den seelsorgerlichen Gepflogenheiten gegenüber „Hexen“. Sein Werk aber trug Früchte. „Man kann sagen, dass die Cautio Criminalis von Spee wesentlich dazu beigetragen hat, die Hexenprozesse zu beenden“, erklärt der Historiker. Mit einer Art innerkirchlichem Widerstand verhalf der Ordensmann Spee seiner Kirche zur Überwindung einer grausamen, unmenschlichen und unchristlichen Praktik.

Friedrich Spee, der Lyriker

Friedrich Spee wirkte auch als Dichter. Einige Liedtexte von ihm sind im „Gotteslob“ zu finden, so das Adventslied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ und das Weihnachtslied „Zu Bethlehem geboren“. „Bisher war man der Auffassung, das dichterische Werk und die Cautio Criminalis hätten nichts miteinander zu tun“, erklärt Sobiech. „Wie kann es sein, dass ein Dichter wie Spee, der von Nachtigallen schrieb, sich mit Hexenprozessen beschäftigte? Es war aber genau andersherum: Die Tatsache, dass Spee ein feinfühliger Dichter war und sich mit der Natur beschäftigte, war die Grundlage dafür, dass die Hexenprozesse ihn regelrecht körperlich anfielen. Er hatte schlaflose Nächte. Wenn er das Feuer, den Scheiterhaufen sah, dann hat das in seinen Augen gebrannt und er sagte: Ich kann dazu nicht schweigen.“

Nach seiner Abberufung von der Universität wollte Spee im Dienst an den Kranken sterben. Und so war es. Der Jesuitenorden versetzte ihn nach Trier, dort steckte er sich bei der Pflege verwundeter Soldaten mit der Pest an. Mit nur 44 Jahren starb Friedrich Spee an der Seuche, sein Grab ist in der Gruft der Trierer Jesuitenkirche.

 

Für seine Würzburger Habilitationsschrift über Friedrich Spee erhielt Frank Sobiech, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kirchengeschichte und Patrologie an der Theologischen Fakultät Paderborn, mehrere Auszeichnungen. Sie erschien in englischer Fassung als Buch: : Friedrich Spee SJ and his Cautio Criminalis (1631). 

(vatican news – gs)

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31. Mai 2021, 09:29