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Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen (Evangelium vom Sonntag, 8.11.2020), Codex Rossanensis VI. Jhdt. Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen (Evangelium vom Sonntag, 8.11.2020), Codex Rossanensis VI. Jhdt. 

Unser Sonntag: Die Umkehr nicht auf die lange Bank schieben

Pfarrer Stephan Rüssel ruft uns in dieser Betrachtung dazu auf, Umkehr und Bekehrung nicht vor uns her zu schieben, bis es zu spät ist. Wir müssen uns vor Augen halten: Unser irdisches Leben, das ist die Zeit der Gnade. Mit dem Tod ist die Zeit der Gnade zu Ende. Der Herr warnt uns daher immer wieder: Es gibt ein zu spät!

Pfarrer Stephan Rüssel

Mt 25, 1–13

32. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

„Des Teufels liebstes Möbelstück ist die lange Bank“. Sie kennen sicherlich diesen Spruch. Gemeint ist mit der langen Bank: Umkehr und Bekehrung aufzuschieben, - vor uns her zu schieben - , bis es zu spät ist. Die lange Bank sind das Aufschieben von Gebet, Mitfeier der Heiligen Messe und Empfang der Sakramente, weil man gerade etwas wichtigeres zu tun hat. Und darum ist die lange Bank des Teufels liebstes Möbelstück. Die lange Bank ist für ihn das sicherste und probateste Mittel.

Zum Nachhören

Um die lange Bank geht es im heutigen Evangelium. Wir müssen uns vor Augen halten: unser irdisches Leben, das ist die Zeit der Gnade. Mit dem Tod ist die Zeit der Gnade zu Ende. Der Herr warnt uns daher immer wieder: es gibt ein zu spät! Denn der Bräutigam lässt auf sich warten.  Und dann kommt er plötzlich und unerwartet.

Sein Kommen ist wie ein schnelles und eiliges Vorübergehen, so dass keine Zeit mehr bleibt für eine weitere Vorbereitung.

Nicht die Verspätung des Bräutigams und auch nicht das Einschlafen der Jungfrauen war verhängnisvoll, sondern das Ausgehen des Öls, genauer gesagt: das Vernachlässigen der Vorratshaltung, das war verhängnisvoll. In Bezug auf uns, auf das Kommen des Herrn bei unserem Tod, stellt das Öl der Jungfrauen alles dar, was die heiligmachende Gnade enthält.

„Für das Kommen des Herrn reichen also nicht einige gute Vorsätze als Vorbereitung“

Denn es schadet nicht, wenn man eingeschlafen ist und der Herr kommt, solange man sich im Stand der heiligmachenden Gnade befindet. Für das Kommen des Herrn reichen also nicht einige gute Vorsätze als Vorbereitung. Sonst haben wir kein Öl, wenn der Herr kommt. So wie es bei den törrichten Jungfrauen der Fall war.

Das heutige Evangelium ist ein ernster Mahnruf. Ein Mahnruf, weil Christus die Menschen liebt und unser ewiges Heil will. Wir dürfen deshalb durch unseren Alltag das Entscheidende in unserem Leben, nämlich unser ewiges Heil nicht in den Hintergrund rücken lassen, oder gar vergessen. Materialismus und Konsumismus sind nämlich auch für den Christen eine ständige Verführung und Gefahr. Unsere Ölkrüge müssen also voll sein.

Bereits der Prophet Jesaja vergleicht die Heilszeit mit einem Festmahl, dass Gott bereitet. Unser Herr Jesus Christus hat dieses Bild mehrfach aufgegriffen und spricht von einem Hochzeitsmahl. Die Juden zur Zeit Jesu erwarteten nämlich das Kommen des Messias als Hochzeitsfeier Gottes mit Seinem erneuerten Volk. Und dazu bedarf es aber einer entsprechenden Vorbereitung.

Die Begriffe „töricht“ und „klug“ sind der alttestamentlichen Weisheitsliteratur entnommen. Das Wort „töricht“ steht dort für „gottlos“ und das Wort „klug“ für „gottesfürchtig“. Die verschlossene Tür zum Festsaal bringt dann die einmalige und unwiderrufliche Bedeutung unseres Lebens zum Ausdruck. Denn wann Gott uns heimruft, und wann Er durch das zweite Erscheinen Seines Sohnes auf  Erden der Zeit ein Ende setzt, das wissen wir nicht. Wir haben keinen Einfluß darauf. Wer also letztlich gar nicht mehr mit dem Kommen Jesu im persönlichen Tod oder im allgemeinen Gericht rechnet, der nimmt Gott nicht ernst und erweist sich als „töricht“.

Immer mit dem Kommen Gottes rechnen

Wichtig ist, daß dann unsere Ölkrüge mit der heiligmachenden Gnade gefüllt sind. Der heilige Augustinus deutet das Öl auch als die Lebenshaltung, aus der heraus der Christ handeln soll. Jeder trägt Verantwortung für seine Lebensgestaltung. Und diese Verantwortung vor Gott ist unteilbar. Sie ist Aufgabe jedes einzelnen Menschen. Jeder trägt also Verantwortung für sein Öllicht, für sein Leben. Von der eigenen Vorbereitung auf das Himmelreich können wir, wenn der Herr im Tod zu uns kommt, nichts abgeben, selbst wenn wir es wollten. Auf der anderen Seite können wir uns auch nichts leihen. In diesem Punkt trägt jeder die Verantwortung für sich selbst.

Das Gleichnis hält uns somit vor Augen: es gibt Entscheidungsituationen, in denen Unterlassenes nicht mehr nachgeholt und Geschehenes nicht mehr wieder gut gemacht werden kann. Das heißt: den Eintritt in das Reich Gottes bereiten wir heute in unserem Alltag vor. Es gilt heute die Krüge mit Öl zu füllen. Das Öl sind die Opfer, sind unsere Gebete und die guten Werke, die guten Taten, die wir in unserem Leben verrichtet haben und der regelmäßige Empfang der heiligen Sakramente. Sie nähren unseren Glauben und füllen unsere Krüge mit Öl. Denn mitten in der Nacht dürfen wir alle schlafen. Auch wenn mancher Tod überraschend und unverhofft kommt, so sind wir dann doch wie die klugen Jungfrauen gut vorbereitet.

Im übrigen: schon bei der Taufe wird auf diese Klugheit hingewiesen. Wenn die Taufkerze entzündet wurde, spricht der Priester zu Eltern und Paten: „Christus, das Licht der Welt, hat Ihr Kind erleuchtet. Es soll als Kind des Lichtes leben, sich im Glauben bewähren und dem Herrn und allen Heiligen entgegengehen, wenn er kommt in Herrlichkeit.“ Früher hieß es: „Empfange das brennende Licht und untadelig bewahre deine Taufe. Halte die Gebote Gottes. Wenn dann der Herr zur Hochzeit kommt und mit Ihm alle Seine Heiligen am himmlischen Hof, dann kannst du ihm entgegengehen und du wirst leben in Ewigkeit.“ Das brennende Öllämpchen war in der frühen Christenheit ein oft verwendetes Zeichen für den lebendigen, von Liebe erfüllten Glauben.

„Was immer du tust, – handle klug – und bedenke das Ende!“

Schon die Römer kannten den Spruch: was immer du tust, – handle klug – und bedenke das Ende! Zwar ist Klugheit in unserer heutigen Zeit zu einem schillernden Begriff geworden. Heute verstehen viele darunter Schlauheit, Gerissenheit und Cleverness. Ursprünglich verband man aber mit der Klugheit den klaren Blick, Weisheit, Weitsicht und Überblick. Und so versteht ihn auch die Heilige Schrift. So verliert die christliche Klugheit nie den Blick auf das Ziel der Zeiten. Das unterscheidet sie von der „Torheit“, die ganz im Diesseits, ganz im Heute, ganz im Konsum und Materialismus verhaftet ist.

Es geht also im Gleichnis von den zehn Jungfrauen sowohl um das Hier und Heute, als auch um die Zukunft. Die Zukunft ist nicht etwas Fernes, etwas Fernliegendes, um das wir uns jetzt noch nicht zu kümmern bräuchten. Im Gegenteil: die Zukunft ist jeden Tag bereits gegenwärtig. Wir entscheiden heute über sie. Denn nur wer über den Tag hinaus, über sein irdisches Leben hinaus vorausdenkt und sorgt, der ist klug. Sonst ist die Zukunft schnell unwiderruflich verpasst. Denn wir dürfen nicht übersehen: es gibt im Leben Fristen. Die letzte Frist für einen Menschen, der mit dem Herrn in den himmlischen Hochzeitssaal eingehen will, ist der Tod. Und der Tod steht leider nicht im Kalender, so daß wir uns auf ihn einrichten könnten.

„Darum seid bereit, denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde“

Das ist auch der Grund, warum der Herr uns mahnt: „darum seid bereit, denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.“ Wer Gebet, Anbetung und Sakramentenempfang nicht heute ernst nimmt, der riskiert ein „zu spät“.

„Ich kenne euch nicht“. Dieses Wort des Bräutigams, dass er zu den Ausgesperrten durch die verschlossene Tür spricht, ist im Grunde noch schlimmer als das des Weltenrichters: „Weg von mir ihr Verfluchten!“ Denn Gott hat den Menschen als Sein Ebenbild erschaffen. Wenn dann der Bräutigam sagt, „Ich kenne euch nicht“, dann ist nichts mehr übrig geblieben vom göttlichen Ebenbild. „Ich kenne euch nicht“, das heißt, dass die „Törichten“ sich vollständig und endgültig von Ihm entfremdet haben.

Wenn der Schöpfer einen Menschen, den Er ins Dasein rief und den Er an sich zu ziehen gewillt war, nicht mehr kennt, dann ist das das schlimmste Schicksal, dass einem Menschen widerfahren kann: nämlich vor Gott als Unbekannter dazustehen, weil er selber Gott nicht kannte. Und das ist tatsächlich die größte Torheit, die der Mensch sich leisten kann.

Es gilt darum: wachsam und klug zu sein. Das heißt: immer genügend vorbereitet zu sein. Immer genügend Öl in Form von Opfer, Gebet guten Werken und Empfang der Sakramente vorrätig zu haben. Und nicht auf des Teufels liebstem Möbelstück zu sitzen: der langen Bank.

(radio vatikan - claudia kaminski)

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07. November 2020, 09:23