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Bischof Rudolf Voderholzer von Regensburg Bischof Rudolf Voderholzer von Regensburg 

D: Bischof Voderholzer erläutert seine Haltung zum Reformprozess

Der Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland sorgte in den vergangenen Tagen und Wochen für viele Debatten. Am Wochenende kam dies unter anderem auch bei den Ratzinger-Schülerkreis-Treffen in Rom zur Sprache.

Von Dienstag bis Donnerstag war der Reformprozess auch ein Thema der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe in Fulda. Außerdem stand das weitere Fortgehen des Synodalen Weges insbesondere nach den gerade stattgefundenen Regionenkonferenzen auf dem Programm. Johannes Wieczorek von Radio Horeb hatte die Möglichkeit, vor Ort in Fulda mit dem Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer über den Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland zu sprechen.

Hier das Interview mit Bischof Voderholzer in voller Länge

In einem Beitrag für die Frankfurter Rundschau und den Kölner Stadtanzeiger sprechen unter anderem die Erfurter Dogmatikerin Julia Knop und der Bochumer Neutestamentler Thomas Söding vom mangelnden Niveau und kirchenspalterischen Tendenzen. Diese Kritik galt vor allen Dingen Kardinal Woelki und Ihnen, Herr Bischof Voderholzer, die die Reformbemühungen in Deutschland doch eher kritisch sehen. Ist das nun die Retourkutsche für Ihre Kritik im Vorfeld der Regionalkonferenzen am Arbeitspapier zum Thema „Frauen in Dienst und Ämtern“, bei der Sie mangelndes theologisches Niveau kritisiert haben?

Das ist zu vermuten. Ich hatte im biblischen Teil des Textes, der uns da vorgelegt wurde, zu meiner Überraschung gesehen, dass dort gegen unsere Absprache ein biblischer Teil aufgenommen wurde. Wir hatten vereinbart, dass dieser biblische Teil erst am Schluss eingefügt werden soll. Und noch dazu war es ohne die übrigen Mitglieder in diesem Forum formuliert worden. In diesem Text sah ich dann eine Aussage zu meiner Überraschung und muss auch sagen großer Enttäuschung und Empörung, die da lautet, Jesus habe Jünger und Jüngerinnen gehabt und weiht niemanden. Dieser Satz ist von einem selten schlechten theologischen Niveau, weil er verschleiert, dass die sakramentale Wirklichkeit, zu der ja auch das Weihesakrament gehört, nicht eine Sache des irdischen Wirkens Jesu Christi ist, sondern der Zeit der Kirche angehört. Jesus tauft ja auch nicht selbst, er lässt sich von Johannes dem Täufer taufen und als der Auferstandene schickt er dann die Apostel bis an die Grenzen der Erde, mit dem Auftrag, im Namen des Vaters des Sohnes und des Heiligen Geistes zu taufen und zu lehren sowie die Menschen zu Jüngern zu machen.

„Das hat einige doch getroffen, dass ich das theologische Niveau beklagt habe, das ist offenkundig.“

Die Sakramente sind Zeichen der Gegenwart des erhöhten Herren, in der Kraft des Geistes und durch den Dienst der Kirche. Doch das wird verschleiert. Natürlich gibt es aber einen Anknüpfungspunkt für die Einsetzung des Weihesakramentes und das ist die Konstitution des 12er-Kreises und da ist nun offenkundig, dass Jesus hier mit 12 Männern das neue Israel, das neue Volk Gottes sozusagen konstituiert und das wird gerade im Papier nicht gesagt, deswegen meine Kritik, die mir übrigens vom Vorsitzenden der Bischofskonferenz (Bischof Bätzing, Anm. d. Red.) und auch von den Vorsitzenden des Forums bereits bestätigt worden ist. Man hat sich auch für das Vorgehen entschuldigt. Also, das ist okay und jetzt kommt wohl eine kleine Retourkutsche. Das hat einige doch getroffen, dass ich das theologische Niveau beklagt habe, das ist offenkundig. Ich habe im Übrigen auch nicht den ganzen Text schlecht gemacht, sondern diese, allerdings zentrale Argumentationsfigur und man entwickelt in diesem Beitrag für diese beiden Zeitungen sozusagen eine alternative theologische Prinzipienlehre, wo es um die Fragen geht: Was macht eine gute Theologie aus? Was macht ein gutes theologisches Argument aus? Und dann wird eine Liste von acht Punkten genannt, wo zusammengefasst vor allem die Zeichen der Zeit, die freilich im Licht des Evangeliums gedeutet werden müssen, als Bezugspunkt für eine gute Theologie hergenommen werden. Erst an 7. Stelle - wohlgemerkt - kommt dann die Rede auch auf die Bibel und sie wird reduziert auf das in ihr enthaltene Erneuerungspotential von Offenbarung, und zwar von einer Offenbarung Gottes, die in Jesus Christus kulminiert; von einem Dialog Gottes mit den Menschen, der eine Weisung erhält, ist überhaupt nicht mehr die Rede. Da meine ich, zeigen sich schon die großen Unterschiede zwischen unserem Theologie-Verständnis. Welches die bessere Theologie ist, das überlasse ich Ihrem Urteil.

Kardinal Woelki hat die Befürchtung geäußert, dass der Synodale Weg zu einer möglichen Kirchenspaltung führen könnte. Wie ist denn ihre Prognose, Herr Bischof?

Papst Franziskus hat uns in seinem Brief vom 29. Juni des letzten Jahres dringend folgende drei Leitplanken ans Herz gelegt für den Synodalen Weg, damit wir auf der richtigen Spur bleiben. Da ist einmal das Primat der Neuevangelisierung, dann die Beachtung des sensus ecclesiae und drittens die Rücksicht auf die Einheit der Kirche, die ja vor allem auch die Einheit im Glauben und in wesentlichen Lehren auch die Moral betreffen. Eine ganze Reihe von Forderungen, die von Mitgliedern des Synodalen Prozesses erhoben werden und noch medial verstärkt und zugespitzt wurden, sind zum Gegenstand von hohen Erwartungen geworden. Sie stehen aber klar im Widerspruch zur Lehre der Kirche und deshalb bergen sie die Gefahr einer Spaltung. Ich nenne nur die unverhohlene Forderung nach der Zulassung von Frauen zum Weihesakrament, was unter Papst Johannes  Paul II. mit Ordinatio sacerdotalis mit höchster Autorität als unmöglich gelehrt wurde, weil sich die Kirche - übrigens auch die orthodoxe - nicht für berechtigt hält, von der Praxis Jesu abzuweichen. Ich werde alles mir Mögliche tun, um eine solche Spaltung zu verhindern.

Die katholische Kirche in Deutschland ist, man könnte sagen, wie ein schlafender Riese, der wachgerüttelt werden muss. Von daher besteht hier schon ein gewisser  Reformbedarf. Herr  Bischof Voderholzer, wo sehen Sie denn aus ihrer Sicht Erneuerungsbedarf?

In der Kirche besteht immer Reformbedarf, vom ersten Tag an, weil jeder einzelne, jede einzelne immer wieder mit der ganzen Existenz vor dem Umkehrruf Jesu steht. Das Zweite Vatikanische Konzil hat dies auch in die Mitte der Kirchenkonstitution Lumen gentium gelegt. Das wird viel zu wenig beachtet. In der Mitte von Lumen gentium gehört die Berufung aller Getauften und Gefirmten zur Heiligkeit und wenn wir in die Kirchengeschichte schauen, dann ging wahre Erneuerung der Kirche immer von den Heiligen aus, ob im 12. oder 13. Jahrhundert mit Franziskus und Dominikus, ob im 16. Jahrhundert mit Ignatius oder der heiligen Teresa im 19. Jahrhundert, immer waren es die Heiligen, die die Kirche wirklich erneuert haben. Und so muss da jeder bei sich selber anfangen, zuallererst die Bischöfe, dann die Priester, die Ordensleute.

„Das Wissen um den eigenen Glauben, die Fähigkeit darüber Rechenschaft abzulegen, auch die Kenntnis der Heiligen Schrift und die Begeisterung darüber, auch anderen zu vermitteln, das ist alles erschreckend gering geworden.“

Wenn durch die Art und Weise unseres Dienstes, des Dienstes der Bischöfe, der Priester, wenn dadurch schon deutlich wird, dass das sakramentale Dienstamt nicht Machtfülle und Herrschaftsinstrumente, sondern wirklich Hingabe und Dienst, also aufopferungsvollen Dienst bedeutet, dann wird sich manche Diskussion von selber schon mal entspannen. Daneben scheint mir aber auch wichtig, dass wir eine Offensive in der Katechese und in der Glaubenserschließung brauchen. Da gibt es viele Punkte, wo man ansetzen müsste, natürlich bei den Theologischen Fakultäten, Ausbildungsstätten für die Religionslehrer, bei den späteren pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und bei der Familienkatechese. Das Wissen um den eigenen Glauben, die Fähigkeit darüber Rechenschaft abzulegen, auch die Kenntnis der Heiligen Schrift und die Begeisterung darüber, auch anderen zu vermitteln, das ist alles erschreckend gering geworden und da müssen wir versuchen, mit dem Heiligen Geist, das Vorhandene wieder zu stärken und dort, wo schon pures Heidentum ist, auch mit neuer Begeisterung aufzutreten.

Soweit Bischof Rudolf Voderholzer. Johannes Wieczorek hat mit dem Regensburger Oberhirten am Rande der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe gesprochen. Der Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland „Synodaler Weg" befasst sich mit vier großen Themenbereichen, u.a. Sexualmoral und die Rolle der Frau in der Kirche.

(radio horeb – mg)

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28. September 2020, 13:39