Corona: „Für die deutschen Bistümer ist das dramatisch“
„Die Kirchensteuer hängt ja von der Höhe der Lohn- und Einkommensteuer ab“, sagt der Diplom-Volkswirt Ernst Dohlus dem Kölner Domradio. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen bekämen die Kirchen acht Prozent des Betrags, den ihre Mitglieder an Lohn- oder Einkommensteuer bezahlen.
„Man kann davon ausgehen, dass Bund und Länder im laufenden Jahr gemeinsam etwa 35 Milliarden weniger Lohn- und Einkommensteuer einnehmen werden. 57 Prozent der Steuerzahler sind Kirchenmitglieder, zahlen also Kirchensteuer. Der Rückgang der Lohn- und Einkommensteuer bedeutet damit für die beiden christlichen Kirchen zusammen etwa 1,5 Milliarden Euro weniger Kirchensteuer.“
Gerechnet hatten die Kirchen vor Corona mit über zwölf Milliarden. Jetzt zeigt sich, dass sie zwischen zehn und 15 Prozent weniger bekommen werden als in den Wirtschaftsplänen vorgesehen. „Für die deutschen Bistümer ist das deshalb so dramatisch, weil die Kirchensteuer knapp 80 Prozent ihrer Gesamteinnahmen ausmacht. Und im Gegensatz zum Staat können die Bistümer nicht unbegrenzt Schulden machen.“
Der Einbruch beginnt im Mai
Dohlus schätzt, dass der Einbruch im Mai einsetzen wird – dem Moment also, in dem die Finanzämter die von den Arbeitgebern erhaltene Kirchensteuer und den Anteil an den Steuervorauszahlungen überweisen. „Etwa fünf Millionen Selbständige und Kleingewerbetreibende werden im April keine oder weniger Steuervorauszahlungen leisten, an die sechs Millionen Arbeitnehmer – so rechnet das IFO-Institut für Wirtschaftsforschung – werden Kurzarbeitergeld erhalten und damit keine Lohnsteuer mehr bezahlen. Sie alle fallen deshalb auch als Kirchensteuerzahler aus. Das sind die sofortigen Wirkungen.“
Mit weiteren Einbrüchen rechnet der Experte dann für das Jahresende: „Dann wird die Abgeltungssteuer für Kapitaleinkünfte viel weniger Geld in die Kirchenkasse bringen als bisher wegen der Verluste an den Aktienmärkten. Und auch die Bistümer, die ihre Reserven zum Teil auch in Aktien angelegt haben, werden am Aktienmarkt weniger oder keine Dividende bekommen, der Wert ihrer Anlagen wird sinken. Das Ausmaß hängt vom Aktienkurs ab.“
Das Erzbistum Köln erwartet in diesem Jahr Kirchensteuereinnahmen von 685 Millionen Euro, so Dohlus. Durch Corona könnten am Jahresende um die 70 Millionen Euro fehlen. „Dennoch könnte das Erzbistum Köln dieses Defizit ausgleichen durch seine Rücklagen, Köln ist ja eines der reichsten Bistümer in Deutschland. Theoretisch könnte es alle geplanten Ausgaben finanzieren. Doch niemand weiß, wie schnell sich die Wirtschaft erholt, wie es im nächsten Jahr mit den Arbeitsplätzen und der Kirchensteuer aussieht.“
Schwierig wird es wohl im Erzbistum Hamburg
Der Volkswirt vermutet, dass die meisten Bistümer zur Jahresmitte anfangen werden zu sparen, wo immer das geht. „Aber kurzfristig geht bei den Kirchen sehr wenig zu sparen, denn mit dem Geld werden in erster Linie die Priester und Angestellten bezahlt, die Gemeinden unterstützt und Bauvorhaben oder Renovierungen finanziert. Schwierig wird es in manch anderen Bistümern, beim Erzbistum Hamburg beispielsweise. Dort gibt es keinerlei Rücklagen und Reserven, dort muss wohl eine Schnellbremsung bei den Ausgaben erfolgen, oder andere Bistümer müssen helfen.“
Kompensieren lassen sich die zu erwartenden Ausfälle bei der Kirchensteuer nach Dohlus‘ Ansicht kaum. „Alle anderen Einnahmen, von Staatsleistungen über Zinsen und Mieten bis hin zum Kirchgeld oder Spenden, sind im Verhältnis zur Kirchensteuer so gering, dass selbst eine kurzfristige Verdoppelung nichts hilft. Und solange die katholischen Christen nicht zum Gottesdient gehen können, fallen ja sogar Kollekten aus, die meist bei den Kirchengemeinden bleiben. Aber auch Caritas und Misereor werden den Ausfall der Kollekten zu spüren bekommen…“
Haushaltssperre im Bistum Mainz
Der Mainzer Weihbischof und Generalvikar, Udo Markus Bentz, der auch Ökonom des Bistums ist, hat angesichts der durch die Corona-Krise ausgelösten wirtschaftlichen Folgen ab Montag, 20. April, eine Haushaltssperre angeordnet. Das bedeutet, dass alle bereits in den Haushalten bewilligten Ausgaben sowie Stellenausschreibungen zunächst ausgesetzt sind und der Zustimmung des Generalvikars bedürfen.
Eine „arme Kirche, und für die Armen“ wünschte sich Papst Franziskus 2013 kurz nach seiner Wahl zum Papst. Und von einer . Das kommt jetzt – ein bisschen zumindest. Und anders, als die Päpste sich das gedacht hatten…
(domradio/vn – sk)
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