D: Bei Anruf Gottesdienst
Kreative Lösungen
Die Coronapandemie sorgt nicht nur für Unbehagen, sie bringt auch vielerorts kreative Lösungen hervor. Sei es der Arzt, der als die Kittel ausgingen Maleranzüge anzog, sei es die katholische Kirche, die auf das Verbot öffentliche Gottesdienste zu feiern, vermehrt Gottesdienstübertragungen im Internet, Tv oder Radio anbietet. Die Kirche der Jugend Marienburg im Bistum Trier ist auf eine andere Idee gekommen, erzählt der zuständige Jugendpfarrer Jan Lehmann im Skype-Interview mit uns:
Jan Lehmann (Pfarrer Kirche der Jugend Marienburg): „Die Idee ist gar nicht von mir, sondern da haben mich ein paar Leute kontaktiert, die eigentlich jeden Sonntag zum Gottesdienst auf die Marienburg kommen. Sie haben gefragt, wie wir es am Sonntag machen – es war der erste Sonntag, an dem offiziell keine Gottesdienste mehr gefeiert wurden. Im Rahmen einer Telefonkonferenz ist dann die Idee entstanden: Wir bleiben bei der gewohnten Uhrzeit und laden statt zum Gottesdienst vor Ort zu einem Telefongottesdienst ein, also mit Hilfe einer Telefonkonferenz. Wir haben dann die Nummer gestreut und konnten vor zwei Wochen den ersten Telefongottesdienst feiern. Da gab es noch ein paar Kinderkrankheiten, aber es war schon Mal sehr schön. Daraus ist die Idee entstanden, dass wir versuchen, es soweit wie möglich fortzusetzen."
Radio Vatikan: Telefongottesdienst – wie muss man sich das vorstellen, wie läuft das ab?
Lehmann: „Wir haben eine Telefonnummer veröffentlicht, unter der sich jeder zu den normalen Telefongebühren einwählen kann. Dann kommt man in einen virtuellen Raum, in dem der Gottesdienst stattfindet. Es läuft also alles übers Hören und über das Telefon.“
Radio Vatikan: Was ich mich frage: Ist es dann auch möglich, die anderen Teilnehmer zu hören? Bei Videogottesdiensten ist es ja so, ich sehe alles, aber das Gemeinschaftsgefühl, das fehlt mir da doch persönlich. Man weiß zwar, es sind auch andere Leute zugeschaltet, man sieht vielleicht auch auf Youtube, dass noch weitere 500 Leute jetzt dabei sind – aber es ist doch ein einseitiger Kanal. Beim Telefon ist ja das Schöne, dass man auch den anderen hören kann. Funktioniert das auch beim Telefongottesdienst?
Lehmann: „Sowohl als auch. Beim ersten Telefongottesdienst hatten wir nicht die Möglichkeit, die Telefone stumm zu schalten. Das heißt, man hat jeden gehört und auch alles gehört, was im Hintergrund passiert ist. Das führte teilweise zu ziemlich witzigen Situationen: Dass jemand angefangen hat, scheinbar Wasser laufen zu lassen oder zu spülen. Das sind alles Sachen, die man damals gehört hat, aber auch viele Kratzgeräusche. Mittlerweile haben wir ein System, mit dem wir die Telefone stummschalten können und wir sie alle – so haben wir das beim letzten Mal gemacht – zum Vaterunser nochmal eingeschaltet haben. Das sind alles Hilfsmittel. Es kann einfach nicht ersetzen, zusammen in einem Raum zu sein. Aber es ist auf jeden Fall so, dass man schon das Gefühl hat: Da sind noch andere, die in demselben Moment jetzt mit einem zusammen sind. Durch die Möglichkeit, das ein bisschen zu steuern – man hört sich, aber es wird auch nicht so viel mit Nebengeräuschen – haben wir jetzt eine gute Form gefunden: Dass wir sagen, es gibt einen Moment im Gottesdienst, in dem alle Telefone freigeschaltet sind, und auch alle zu hören sind. Mit all den Nebengeräuschen, die dann in dem Moment zu hören sind.
Es ist nicht nur einseitig
Radio Vatikan: Und wie war diese Erfahrung?
Lehmann: „Die Erfahrung war sehr berührend. Zu wissen: Dass hinter den 160 Apparaten, die sich letzten Sonntag eingewählt haben, auch Menschen sind. Die dann auch in dem Moment anfangen zu sprechen und zu beten – das hat etwas Überwältigendes gehabt. Auch nochmal das Gefühl: Man ist zusammen, man kommt zusammen, man hört voneinander – es ist nicht nur einseitig, es geht in mehrere Richtungen."
Radio Vatikan: Und wie waren die Reaktionen bisher?
Lehmann: „Die waren auch überwältigend, weil sich ganz viele im Anschluss gemeldet haben, über die unterschiedlichsten Kanäle. Fotos geschickt haben… Wir sind viel mehr jetzt gewesen als zu den regulären Gottesdiensten, außerhalb der Corona-Zeit, weil viele, die irgendwann mal weggezogen sind, sich jetzt noch einmal eingewählt haben. Von München, Braunschweig bis Richtung Berlin haben Leute, die irgendwie eine Verbindung an die Mosel, an unseren Ort haben, den Gottesdienst mitgefeiert. Das ist auch nochmal schön, zu erleben, dass da vieles trägt und zusammenkommt und viele sich auch nochmal zum Gottesdienst sozusagen „treffen“, die so das Jahr über gar nicht in der Form miteinander Gottesdienst feiern.“
In Kontakt bleiben
Radio Vatikan: Wir versuchen, die Chancen zu sehen... Ein positiver Aspekt kann sein, dass vielleicht auch Leute, die gar nicht mehr in der Gegend sind, die Möglichkeit haben, über einen Telefongottesdienst dabei zu sein. Aber natürlich ist es in der Seelsorge schwierig vor Ort, denn die hat ja auch viel mit dem persönlichen Kontakt zu tun. Wie versuchen Sie, das zu lösen, was denken Sie, wie kann man in der aktuellen Situation am besten damit umgehen?
Lehmann: „Ich telefoniere sehr viel und habe mir auch vorgenommen, jeden Abend eine Person über Videocall anzurufen, von der ich denke, die würde ich gern hören oder gern ein bisschen Kontakt halten. Viel läuft über Post – ich hätte eigentlich vor zwei Wochen ein Treffen mit den Ehepaaren gehabt, die ich dieses Jahr traue und packe jetzt gerade die Sachen zusammen, die wir eigentlich zusammen machen wollten, und schick sie ihnen. Ich glaube wichtig ist, trotz der Kontaktsperren irgendwie im Kontakt zu bleiben und da die Möglichkeiten und Formen zu suchen, die gehen. Telefon funktioniert noch, die Post wird ausgetragen – das sind alles Sachen, die sind super und es ist schön, dass das funktioniert.“
Radio Vatikan: Und zum Thema Kommunion?
Lehmann: „Ja. Die Diskussion als solche kann man sehr lange führen. Die Anordnungen sind so. Ich sehe keinen Sinn darin, diese zu umgehen oder Formen zu suchen, sie zu umgehen, weil sie uns helfen, die Infektionswege zu unterbrechen und einzuschränken. Es gibt verschiedene Formen – am Fernsehen oder auch bei uns über den Telefongottesdienst die letzten zwei Wochen - die geistliche Kommunion zu empfangen. An der Situation, dass keine öffentlichen Gottesdienste momentan möglich sind, wird sich nichts ändern und wir werden die auch nicht in irgendeiner Form unterlaufen.“
Die Fragen stellte Stefanie Stahlhofen
Infos zum Telefongottesdienst
Die Kirche der Jugend Marienburg im Bistum Trier hat einen Telefongottesdienst ins Leben gerufen, an dem Anrufer teilnehmen können sollen. Der Telefongottesdienst dauert üblicherweise maximal 50 Minuten. Mehr Informationen dazu, die Texte zur Vorbereitung und die Predigt zum Nachhören gibt es auf der Internetseite.
Die Predigt von Jan Lehmann zum Tagesevangelium vom 22. März 2030 (Joh 9, 1-41) gibt es zum Nachhören:
(vatican news - sst)
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