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Suizidbeihilfe Suizidbeihilfe 

D: Kirchen kritisieren Karlsruher Urteil zur Suizidbeihilfe

Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidbeihilfe scharf kritisiert. „Dieses Urteil stellt einen Einschnitt in unsere auf Bejahung und Förderung des Lebens ausgerichtete Kultur dar“, erklärten die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Mittwoch in Bonn und Hannover.

Die Kirchen wollten sich weiter dafür einsetzen, dass „organisierte Angebote der Selbsttötung in unserem Land nicht zur akzeptierten Normalität werden“.

„Wir befürchten, dass die Zulassung organisierter Angebote der Selbsttötung alte oder kranke Menschen auf subtile Weise unter Druck setzen kann.“

Gefahr, dass Menschen unter Druck geraten

„Wir befürchten, dass die Zulassung organisierter Angebote der Selbsttötung alte oder kranke Menschen auf subtile Weise unter Druck setzen kann, von derartigen Angeboten Gebrauch zu machen“, so der Bischofskonferenzvorsitzende Kardinal Reinhard Marx und der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm in der gemeinsamen Erklärung. „Je selbstverständlicher und zugänglicher Optionen der Hilfe zur Selbsttötung nämlich werden, desto größer ist die Gefahr, dass sich Menschen in einer extrem belastenden Lebenssituation innerlich oder äußerlich unter Druck gesetzt sehen, von einer derartigen Option Gebrauch zu machen und ihrem Leben selbst ein Ende zu bereiten.“

Aus Sicht der Kirchen entscheiden sich an der Weise des Umgangs mit Krankheit und Tod grundlegende Fragen des Menschseins und des ethischen Fundaments der Gesellschaft. „Die Würde und der Wert eines Menschen dürfen sich nicht nach seiner Leistungsfähigkeit, seinem Nutzen für andere, seiner Gesundheit oder seinem Alter bemessen. Sie sind Ausdruck davon, dass Gott den Menschen nach seinem Bild geschaffen hat und ihn bejaht und dass der Mensch sein Leben vor Gott verantwortet.“

Karlsruhe sieht Recht auf selbstbestimmtes Sterben

In seinem Urteil vom Mittwoch leitet das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe aus dem deutschen Grundgesetz ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben ab. Dieses Recht schließe die Freiheit ein, auch die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen, so die Höchstrichter. Das 2015 vom Parlament beschlossene Verbot der sogenannten geschäftsmäßigen Sterbehilfe verstößt aus ihrer Sicht gegen das Grundgesetz.

Entsprechend erklärte Bundesverfassungsgericht die vor fünf Jahren verabschiedete Neufassung des Paragrafen 217 im deutschen Strafgesetzbuch für nichtig, weil damit die Möglichkeit „einer assistierten Selbsttötung faktisch weitgehend entleert“ werde. Der Bundestag hatte damals das Aufkommen von Sterbehilfevereinen eindämmen wollen. Ausdrücklich sprechen die Richter aber dem Parlament als dem Gesetzgeber das Recht zu, Suizidhilfe zu regulieren - sofern ein Raum zur Umsetzung der Selbsttötung verbleibe.

Sterbehilfevereine sollen laut Gericht erlaubt sein

Nach der Gerichtsentscheidung müssen Sterbehilfevereine grundsätzlich erlaubt sein, auch wenn die Höchstrichter diesen gegenüber eine gewisse Skepsis zum Ausdruck bringen. So sei die Prüfung, ob ein Sterbewunsch auf freien Willen zurückgehe, bislang „oftmals auf der Grundlage nicht näher nachvollziehbarer Plausibilitätsgesichtspunkte“ erfolgt. Trotzdem sind solche Vereine nach der Entscheidung erlaubt. Menschen müssten ihre „Bereitschaft zur Suizidhilfe auch rechtlich umsetzen dürfen“.

Der Senat regt zudem eine „konsistente Ausgestaltung des Berufsrechts der Ärzte und der Apotheker“ und gegebenenfalls auch Änderungen beim Arzneimittel- und Betäubungsmittelrecht an. All das könne in ein „Schutzkonzept zur Suizidhilfe“ eingebunden werden.

Voßkuhle: Entscheidung nicht leicht gefallen

Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle betonte, die Entscheidung sei dem zuständigen Richtersenat nicht leicht gefallen. Es gehe um ein Thema, das an die Grundfesten ethischer, moralischer und religiöser Überzeugungen rühre. Allerdings bedürfe die Entscheidung eines Einzelnen zur Selbsttötung keiner Begründung. Unabhängig davon könne der Staat Suizidvorbeugung betreiben und palliativmedizinische Angebote ausbauen und stärken, so Voßkuhle. Wenn der Staat die Suizidbeihilfe reguliere, müsse er sich am Menschen „als einem geistig-sittlichen Wesen ausrichten, das darauf angelegt ist, sich in Freiheit selbst zu bestimmen und zu entfalten“.

Voßkuhle sprach zugleich „von einem breiten Spektrum an Möglichkeiten“, die das Parlament trotzdem habe. Der Staat könne etwa Aufklärungs- und Wartepflichten für Suizidwillige festlegen. Zudem könnten die Zuverlässigkeit der Angebote von Sterbehilfevereinen geprüft und besonders gefahrenträchtige Formen der Suizidbeihilfe verboten werden.

Sechs Verfassungsbeschwerden Grundlage des Entscheids 

Das Gericht entschied über sechs Verfassungsbeschwerden. Sie stammen von Sterbehilfevereinen, Ärzten und Schwerkranken. Die Erkrankten machten ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben geltend. Die Vereine sehen Grundrechte verletzt, weil ihre Mitglieder nicht tätig werden können. Ärzte argumentierten, der Paragraf 217 stelle nicht sicher, dass geleistete Suizidbeihilfe straffrei bleibe. Auch sei unklar, ob die Neuregelung früher straffreie Formen der Palliativmedizin erfasse. Palliativmedizin ist nicht auf Heilung, sondern auf die bestmögliche Lebensqualität Sterbenskranker ausgerichtet.

„Bei Suizid-Wunsch sind rund 90 Prozent auf eine behandelbare Erkrankung zurückzuführen.“

So gut wie kein Gehör fanden mit dem Urteil Ärztevertreter, die bei der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgericht im vergangenen April erklärt hatten, sie könnten gut mit dem Gesetz von 2015 leben. Die Mediziner führten aus, dass der Wunsch nach einem Suizid bei rund 90 Prozent auf eine behandelbare Erkrankung wie eine Depression zurückzuführen sei und der Wunsch nach Selbsttötung meist auf „antizipiertem Leid“ beruhe, also der vermuteten Angst vor künftigen Schmerzen. Es gebe keine negativen Auswirkungen für den Behandlungsalltag, das Gesetz schaffe vielmehr einen klaren und vernünftigen Rahmen.

(pm/kap – mg)

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26. Februar 2020, 11:01