Schönborn: Amazonien-Synode will Umkehr und neue Wege
Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn ist einer der Synodenteilnehmer, der am Abschlussdokument mitgearbeitet hat. Im Interview mit uns erklärt er, wie er die Synode bewertet und was die Kirche in Zukunft braucht.
Pope: Herr Kardinal, wie sieht Ihr Fazit nach drei Wochen Synode aus? Was brauchen die Leute in Amazonien am meisten?
Schönborn: Mein Fazit ist, dass wir nicht zuerst die innerkirchlichen Fragen stellen dürfen. Es geht darum zu schauen: Was braucht die Welt? Der große Klimaexperte aus Deutschland, Schellnhuber, hat es in seinem Beitrag auf einen traumatischen Punkt gebracht: Die Zerstörung Amazoniens ist die Zerstörung der Welt. Dieser Alarmruf ist für mich die erste Botschaft dieser Synode. Die Amazonassynode ist für mich Notruf der Natur und der Menschen, die dort leben. Ich finde es faszinierend, dass Papst Franziskus schon in der Umweltenzyklika „Laudto si“ gezeigt hat, dass das untrennbar zusammen gehört. Das Überleben einer Gesellschaft hängt davon ab, dass die Natur funktioniert und, dass die Menschen, die dort leben, geachtet werden.
Im Grunde geht es in dieser Synode um ein Stichwort: „conversion“, das steht auch im Abschlussdokument. Weiß heißt „conversion“? – Es heißt Umkehr und Umdenken – und zwar in allen Bereichen. Eine Ökonomie, die Amazonien zerstört, kann keine nachhaltige Wirtschaft sein. Und eine nicht nachhaltige Wirtschaft ist für den Menschen auf Dauer nicht lebbar. Die Kirche hat eine Botschaft: Um umzukehren braucht es Verzicht und um verzichten zu können, braucht es Kraft und Motivation. Diese Motivation gibt das Evangelium.
Pope: Umkehr heißt auch, neue Wege zu gehen. Das steht schon im Titel der Synode. Das bezieht sich auch auf die Seelsorge. Wie kann das vorangetrieben werden?
Schönborn: Auch hier heißt es erst genau hinzuschauen. Warum haben in Südamerika und speziell in Südamerika die Pfingstkirchen solche riesigen Erfolge? Offensichtlich gelingt es diesen Gruppen, bei den Menschen zu sein. Was fehlt uns? Was haben wir zu lernen? Aber was sind auch unsere Stärken? – Das müssen wir uns fragen. Die katholische Kirche hat viele Stärken in Südamerika. Sie ist zum Beispiel enorm sozial engagiert. Die Überlegungen, Ämter für Frauen zu gestalten und bewährte Männer als Priester zu weihen, ist sicher ein Weg, den man überlegen kann, aber allein wird das nicht genügen. Es gibt drei Punkte, die speziell genannt wurden. Erstens: Ganz Lateinamerika muss gemeinsam für Amazonien solidarisch sein – das betrifft auch Priester und Ordensleute. Einige von ihnen gehen lieber nach Nordamerika oder Europa, als in den Amazonas. Das Zweite ist: Traut die Kirche sich, wirklich darauf zu vertrauen, dass Indigene, also Einheimische aus den einheimischen Völkern, auch Gemeinden führen können und Priesternachwuchs aus der eigenen Bevölkerung schicken? Und das Dritte ist: Es gibt eine wunderbare Einrichtung, die das zweite Vatikanische Konzil eingeführt hat. Das sind Ständige Diakone. Sie sind verheiratet, haben Familie und sind berufstätig. Sie sind durchaus fähig, Gemeinden zu leiten. Von ihnen könnten sicher in Zukunft – wenn es genügen gibt – auch bewährte Männer ausgewählt werden, die dann Priester werden könnten.
Pope: Wie schätzen Sie in diesem Zusammenhang die Zukunft von Sonderlösungen innerhalb der Kirche für einzelne Regionen ein, wie eben zum Beispiel die Amazonasregion?
Schönborn: Einzelregelungen gibt es viele in der Kirche. Ich denke da an die katholischen Ostkirchen, die andere Disziplinen und ein eigenes Kirchenrecht haben. Einige haben auch für Priester – nicht für Bischöfe – die Möglichkeit, verheiratete Männer zu Priestern zu weihen. Vielfalt in der katholischen Kirche gehört immer dazu.
Pope: Also ein Model für die Amazonasregion?
Schönborn: Das ist angesprochen wurden und wird angesprochen, als eine Ausgestaltungsmöglichkeit, die es auch in anderen Bereichen gibt. Es gibt regionale Besonderheiten. Es braucht dabei jedoch immer den Blick auf die Gesamtkirche. Es kann nie ein Nationalkirchtum werden. Das ist sicher nicht der katholische Weg. Es kann aber Eigenriten geben. Ich selbst komme aus dem Dominikanerorden. Wir hatten einen eigenen liturgischen Ritus, eigene Traditionen. Diese Sonder- und Eigenformen hat es immer in der Kirche gegeben. Es gibt sie heute zum Beispiel in Mailand und in Spanien. Auch ein Amazonasritus wird immer wieder angesprochen. Das gibt es jedoch eine ganz praktische Schwierigkeit: Es gibt etwa 160 Völker in diesem riesigen Gebiet von Amazonien. Es ist so groß, wie das Gebiet von Portugal bis zum Ural. Dort leben 30 Millionen Menschen. Ich weiß nicht, wie die Idee eines gemeinsamen Ritus – zum Beispiel in der Liturgie –funktionieren soll. Aber, dass die Länder, die am Amazonas Anteil haben, mehr zusammenarbeiten, das ist sicher. Das ist ein Beschluss, der schon existiert. Das wird auch eine der großen Früchte dieser Synode sein.
Das Gespräch führte Julia Rosner.
(kap/vatican news)
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