Vatikan/?sterreich: Reicher Westen soll auf armen Süden blicken
Pope: Sie haben diese Woche auch den Papst getroffen und wurden am Mittwoch während der Generalaudienz auch namentlich genannt. Was hat dieser Besuch für eine Bedeutung?
P. Wallner: Was wir von Missio Österreich machen, ist ziemlich einzigartig. Seit 96 Jahren – also seit 1922 – gibt es in Österreich die päpstlichen Missionswerke. Wir sind zum ersten Mal mit allen Diözesandirektoren und allen Abteilungsleitern hier in Rom und zwar bei unserem irdischen Chef, also bei Papst Franziskus, der für den Oktober 2019 einen außerordentlichen Monat der Weltmission ausgerufen hat. Wir wollen hier in Rom alles kennen lernen, also die Mechanismen der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, der päpstlichen Missionswerke und selber intensiv beraten. Es ist also kein Urlaub hier in Rom für uns, sondern wir haben nach dem Treffen mit Papst Franziskus viele Sitzungen und bereiten uns intensiv vor. Österreich, wie Papst Franziskus das wünscht, soll in eine missionarische Aufbruchsstimmung versetzt werden.
Pope: Oktober 2019 ist noch in weiter Ferne. Wie laufen aber die Vorbereitungen darauf konkret?
P. Wallner: Wir müssen ein bisschen aufpassen. Bei uns in Nordeuropa und Mitteleuropa haben wir andere Pastoralpläne. Was für Rom noch weit weg ist, das ist für uns schon unmittelbar vor der Haustür, denn in jedem Land gibt es bestimmte Themen und Schwerpunktsetzungen. Der außerordentliche Monat der Weltmission ist doch relativ überraschend ausgerufen worden. Bei uns in Deutschland, Österreich oder Schweiz ist es ohnehin so, dass wir den ganzen Oktober immer schon als Monat der Weltmission feiern. Es ist nicht nur der dritte Oktobersonntag sondern der ganze Monat. Deshalb ist dieser außerordentliche Monat von Papst Franziskus für uns auch sehr wichtig. Wir wollen nicht unbedingt pastorale Programme vermehren, denn Plakate haben wir in Hülle und Fülle. Es soll stattdessen ein spirituelles Innehalten sein. Einen Akzent, den wir setzen wollen, ist darauf aufmerksam zu machen, was unsere Missionarinnen und Missionare in den letzten Jahrhunderten und auch jetzt leisten. Wir haben in Österreich 382 aktive Missionarinnen und Missionare. Es geht darum, ihre Arbeit bekannter zu machen. Zugleich bitten wir auch darum, dass man sie unterstützt. Papst Franziskus hat immer gesagt, dass die Weltmission das Paradigma für eigenes missionarisches Handeln ist. Missionarisch sein heißt, die Überzeugung der inneren Erfüllung nach außen aufzeigen.
Pope: Die missionarische Tätigkeit ist ja etwas, was uns Christen vereinen sollte. Nichtsdestotrotz ist es aber überraschenderweise so, dass die Missionswerke im Gegensatz zu anderen kirchlichen Bereichen nicht unter einem einheitlichen Schild geführt werden. Jedes Land, jede Ortskirche, hat eigene Missionswerke. Welche Vor- und Nachteile hat das?
P. Wallner: Die katholische Kirche insgesamt – und das habe ich in diesen zwei Jahren sehr gut kennen gelernt – ist ein unglaublich komplexes Gebilde. Uns gibt es nicht nur 2000 Jahre, uns gibt es auch überall. Das heißt: in allen Ländern und Kulturen. Die Wirklichkeit der Kirche ist sehr unterschiedlich. Ich bin fokussiert natürlich auf ein sehr reiches Land, Österreich ist eines der wohlhabendsten Länder überhaupt. Das große Problem hat mit dem Schrumpfen der Christen zu tun. Wir sind allein in den vergangenen zehn Jahren, um zehn Prozent weniger geworden in Österreich. Die Tendenz ist sehr rasch fallend. Zugleich habe ich in sieben Reisen nach Afrika, Asien und Lateinamerika erlebt, dass wir dort eine sehr lebendige Kirche haben. Da ist eine Kirche, die aus einer Dynamik lebt, die einfach von den Gottesdienstbesuchern noch jung ist. Sie weist auch zahlreiche geistliche Berufungen auf. Deshalb brauchen wir auch in Europa diese Befruchtung durch die Weltkirche. In Österreich hat man immer schon sehr viel getan für die Weltmission. Auch die päpstlichen Missionswerke waren hier sehr aktiv. Seit 30 Jahren gibt es noch viel mehr Referate über die Weltkirche und Welthäuser. Die päpstlichen Missionswerke wollen aber hier einen neuen Schwung einbringen und damit auch die anderen befruchten. Denn dieses Helfen an den jungen Kirchen und die Unterstützung der Missionarinnen und Missionare oder auch nur das Hinschauen, auf das, was sich dort tut, das ist für uns in Österreich auch therapeutisch zu verstehen.
Pope: Das klingt nach einer interessanten Divergenz: bei uns gibt es wenige Christen, wir haben aber das Geld und im Süden gibt es viele Christen, dafür gibt es wenig Geld. Wie sehen Sie diese Differenzen als Herausforderung?
P. Wallner: Das Schlimmste ist, dass uns diese Diskrepanz gar nicht bewusst ist: die Diskrepanz zwischen unserem Reichtum und unserem Siechtum einerseits und dem Wachsen und der Armut der jungen Kirche andererseits. Ich bin da in einer besonderen Situation, denn ich bin vor zwei Jahren eigentlich überraschend in dieses Amt gekommen. Ich durfte zuvor in Heiligenkreuz eine sehr lebendige Hochschule leiten. Ich war selber acht Jahre lang Pfarrer in den 1990er Jahren. Als junger Pfarrer hatte ich selber diesen Blick auf die Weltkirche nicht gehabt. Ich merke heute, dass das ganz dramatisch auch in unseren Pfarreien drinnen steckt. Auch bei jungen Priestern oder in den Seelsorgeverantwortlichen. Da fehlt diese Begeisterung für die Weltkirche, wie man sie in den 80er Jahren gehabt hatte. Heute hat man kein Gespür mehr, dass diese jungen Kirchen unsere Hilfe brauchen. Ich sehe auch, dass wir in unserer Situation, in der wir immer weniger werden, oft einen unglaublichen Aufwand treiben, um Sakristeien und Kirchen zu restaurieren. Die Beträge sind gigantisch. Das ist auch ok. Wir müssen uns in Österreich und in Europa für die Zukunft rüsten. Aber mit einem Bruchteil dieser Summe könnte man diese jungen, wachsenden Kirchen, die hilfsbedürftig sind, stark fördern. Da könnte man auch Zukunft für die Kirche allgemein machen.
Das Hauptproblem für uns, und das ist, was Papst Franziskus meint, ist nicht nur Geld zu sammeln, sondern auch das Bewusstwerden für die Weltkirche. Wir wissen nicht mehr, welche Möglichkeiten wir noch hätten mit unserer Unterstützung finanziell und spirituell diesen jungen Kirchen in ihrem Wachstum zu helfen.
Pope: Wir sind jetzt im November 2018. Was sind denn Ihre Wünsche und Hoffnungen für die kommenden Monate bis zum Missionsmonat Oktober 2019?
P. Wallner: Wir von Missio Österreich sind schon sehr realistisch. Man kann eine Mentalität, die seit Jahren nicht vorhanden ist, nicht mit einem Schnipp – auch nicht mit einem außerordentlichen Monat – kippen. Wir haben in der Kirche eine junge Generation, gerade in Österreich in den Bewegungen, und wir gehen auch sehr stark auf die Lehrerinnen und Lehrer sowie auf die Schülerinnen und Schüler zu, dort haben wir die Aufgabe und die Pflicht, die Herzen und das Denken hin zu öffnen auf diese lebendige, junge Weltkirche. Das ist für uns selbst therapeutisch zu verstehen. Meine Hoffnungen bestehen darin, einen Mentalitätswandel einzuleiten. Dazu braucht es Gesichter, professionelle Promotion und die Verwendungen der neuen Medien. Wir wollen das alles erobern, um eine gute Stimmung zu machen für die jungen, wachsenden Kirchen in Afrika, Asien und Lateinamerika.
Das Gespräch führte Mario Galgano.
(vatican news)
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