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Kardinal Woelki bestürzt über Asylstreit

Europa wird endgültig zur Festung ausgebaut: Die Mauerbauer haben gesiegt. Der Kölner Kardinal Reiner Maria Woelki findet das nur noch „traurig“.

„Ich bin traurig, weil die von uns gewählten Politiker wochenlang darüber streiten, wie schutzsuchende Menschen möglichst effizient an unseren Grenzen abgeschoben oder zurückgewiesen werden können. Auch Politiker, die ihre Union sozial und christlich nennen.“

Eiskalte, selbstverliebte Machtspielchen

 

Die letzten zwei Wochen hätten ihn „tief beunruhigt“, legt der Kölner Erzbischof nach. In all dieser Zeit sei die Bundesregierung „handlungsunfähig“ gewesen. „Während alleine in diesem Jahr im Mittelmeer schon wieder über 1.400 Flüchtlinge ertrunken sind, spielen die von uns gewählten Politiker eiskalt und selbstverliebt ihre Machtspielchen.“

Zum Nachhören

Das zielt auf den öffentlich ausgetragenen Streit zwischen Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um Zurückweisungen von Migranten an der deutschen Grenze. Woelki hat sich für das Video des Kölner Domradios in der Reihe „Wort des Bischofs“ direkt an den Rhein gestellt – das soll ans Mittelmeer erinnern und an die seeuntüchtigen Boote, auf denen Verzweifelte von Afrika aus versuchen, nach Europa überzusetzen.

Gerade wir Deutsche haben eine ganz besondere Verantwortung für Flüchtlinge!

 

„Ich komme selber aus einer Familie, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verlassen musste. Damals war allen klar: Leid und Elend, welches durch den Krieg wir Deutsche zu verantworten hatten, darf sich niemals wiederholen. Gerade wir Deutsche haben eine ganz besondere Verantwortung für Flüchtlinge!“

Doch „als reiches Land“ zahle Deutschland offenbar lieber „viele Milliarden für Abschottung und Grenzschutzanlagen, anstatt Ertrinkende zu retten und Schutzsuchenden eine neue Heimat zu geben“, so Woelki.

Wie wollen wir denn unsere Werte verteidigen?

 

„Ich bin aus fester Überzeugung Europäer. Aber ich finde es erbärmlich, wie 28 europäische Staaten sich nur noch darauf einigen können, ihre Grenzmauern und Zäune höher zu ziehen, damit Flüchtlinge, die uns angeblich bedrohen, draußen bleiben. Wie wollen wir denn unsere europäischen Werte wie Freiheit, Humanität und Gerechtigkeit verteidigen, wenn wir allen Ernstes mit afrikanischen Staaten oder der Türkei über Auffanglager und Abschiebegeschäfte verhandeln?“

Der Kölner Kardinal ist empört über die Versuche von EU-Staaten, „die Herausforderungen auf einen anderen Staat oder gar einen anderen Kontinent zu verlagern“.

Langfristige Strategie statt kurzfristige Fluchtursachenbekämpfung

 

„Als Bischof kann man von mir erwarten, dass ich mich für christliche Werte, für Barmherzigkeit und Nächstenliebe stark mache. Im Moment gehen uns aber in Deutschland und Europa nicht nur die christlichen Werte verloren. Nein, es gehen uns die grundlegenden Menschenrechte immer mehr verloren!“

„Aufnehmen, schützen, fördern und integrieren“: Das müssten eigentlich die Leitgedanken von Europas Umgang mit Migranten sein. Woelki zitiert da ein Vatikanpapier. Er ruft auch nach der „Ausweitung und Schaffung sicherer und legaler Zugangswege“ nach Europa, nach würdigen Flüchtlingsunterkünften und nach einer „langfristigen Strategie in der Entwicklungszusammenarbeit“ – das sei etwas anderes als nur eine „kurzfristige Fluchtursachenbekämpfung“.

Nicht mehr länger wegsehen und schweigen

 

„Ich weiß, viele – nein die breite Mehrheit hier bei uns in Köln, in Deutschland und Europa will nicht, dass ihr Mittelmeer mit jetzt schon über 35.000 ertrunkenen Flüchtlingen zum größten Friedhof Europas wird. Die große breite Mehrheit, die hat keine Angst vor Schutzsuchenden, die hat kein kaltes Herz der Angst. Die große Mehrheit will helfen. Da hat sich keine Stimmung gedreht, davon bin ich überzeugt. Aber diese große breite Mehrheit, die darf jetzt nicht mehr länger wegsehen und schweigen!“

(domradio – sk)
 

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09. Juli 2018, 09:05