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Polen: Versöhnungszeichen am Ort des Grauens

Auschwitz ist wie kein anderer Ort ein Sinnbild für den Holocaust. Ausgerechnet an diesem Ort des Grauens gibt es Schritte zur Versöhnung zwischen Deutschen, Polen und Juden. Markus Nowak ist in das heutige Oświęcim gefahren und hat sie sich anlässlich der Eröffnung der Pfingstaktion des katholischen Osteuropa-Hilfswerkes Renovabis angeschaut.

Markus Nowak - Oświęcim und Mario Galgano – Vatikanstadt

Im besetzten Polen errichteten die Nazis das größte ihrer Konzentrations- und Vernichtungslager. Zwischen 1,1 und 1,5 Millionen Menschen sollen in Auschwitz von den Besatzern umgebracht worden sein, die Zahlen lassen sich nur schätzen.

Auschwitz heute: An der Bar bestellen Kunden Espresso, auf einer Empore gibt es bequeme Sofas, im Keller sind wechselnde Ausstellungen zu sehen. Das Café Bergson in der südpolnischen Stadt OÅ›wiÄ™cim, wie der Ort jetzt offiziell heißt, ist nicht nur ein Kaffeehaus. Ebenso wenig ist OÅ›wiÄ™cim nur eine polnische Stadt. Als OÅ›wiÄ™cim im Zweiten Weltkrieg noch Auschwitz hieß, wurde es zu jenem Schreckensort, der so in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Mit dem Café Bergson hat über 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg das Jüdische Zentrum einen Begegnungsort geschaffen, für Einheimische und die vielen Gedenkstättentouristen. Zu den Mitarbeitern gehört die 19-Jährige Teresa Richter aus dem deutschen Goslar. Sie absolviert in OÅ›wiÄ™cim ein Freiwilligenjahr.

„Zunächst wusste ich nicht viel über den Ort OÅ›wiÄ™cim, klar Auschwitz ist ein Begriff und ich bin eher zufällig hierhergekommen“, so Teresa Richter. „Mittlerweile bin ich froh. Es ist meiner Meinung wichtig zu zeigen, dass es Auschwitz gibt und OÅ›wiÄ™cim, es sind zwei unterschiedliche Dinge. Wieso ich diesen Ort hier mag, weil es ein Ort ist, an dem heute Menschen zusammen kommen und Zeichen setzen gegen heutige Formen von Diskriminierung, Antisemitismus oder anderweitige Ausgrenzung.“

„Arbeit macht frei.“ Einst liefen Häftlinge in gestreiften Anzügen zu ihrem Arbeitseinsatz durch das Tor unter jener zynischen Aufschrift. Heute sind es täglich tausende Touristen. Manche bleiben stehen und machen ein Foto. Andere halten inne. Nur wenige hundert Meter vom Lagertor befindet sich das Zentrum für Dialog und Gebet. Seit Anfang 1990er Jahre lädt hier die katholische Kirche zur Besinnung, Begegnung, zum Lernen, und zum Gebet.

„Auschwitz ist auch zu einem Ort der Versöhnung geworden“

 

Der deutsche Pfarrer Manfred Deselaers lebt seit 28 Jahren in OÅ›wiÄ™cim. Sein Zentrum für Dialog und Gebet ist maßgeblich von den deutschen Katholiken über die Solidaritätsaktion Renovabis unterstützt worden. Manfred Deselaers:

„Es ist etwas Seltsames passiert in den letzten 30 Jahren, vielleicht schon von Anfang an - jJedenfalls in dem Prozess. Auschwitz ist auch zu einem Ort der Versöhnung geworden. Die Menschen reisen nicht nur hierhin, weil sie sehen wollen, wie schrecklich war das. Sondern weil sie spüren, dass von hier aus eine Botschaft ausgeht, eine positive Botschaft, ein Ruf an die Verantwortung, sich für Versöhnung und Frieden einzusetzen.“

 

Jugendbegegnung im Zentrum für Dialog

 

Der Einsatz dafür sieht in OÅ›wiÄ™cim unterschiedlich aus. Ob Freiwilligenjahr oder eine Jugendbegegnung samt intensiven Gedenkstättenbesuchen. Auch das katholische Osteuropahilfswerk Renovabis unterstützt zahlreiche Initiativen zur Aussöhnung, sagt Renovabis-Hauptgeschäftsführer Pfarrer Christian Hartl.

„Versöhnung hat viele Dimensionen“, so Christian Hartl. „Das eine ist es, wenn man in einem größeren Kontext denkt, was es an historischer Aufarbeitung braucht. Man darf es nicht außer Acht lassen, was von Deutschland an Unheil ausgegangen ist und in vielen osteuropäischen Ländern sind blutige und dramatische Spuren zu finden. Und allein dieses Faktum, dass sich die deutsche Kirche so sehr bemüht, dort Gutes zu tun, hat zur Aussöhnung beigetragen.“

 

Spielende Kinder

 

Ein weiteres Beispiel für das Engagement von Renovabis liegt keine zwei Kilometer Luftlinie vom ehemaligen Stammlager des KZ Auschwitz, in einem Vorort von OÅ›wiÄ™cim. Die 13- und 14-jährigen Kuba, Klaudia und Wiktoria sitzen am Küchentisch und spielen eine Art Stadt-Land-Fluss-Spiel. Draußen vor ihrem Fenster ist ein kleiner Spielplatz zu sehen, gleich daneben hinter einem Zaun gibt es einen Streichelzoo mit Schafen und Ziegen. Die kleine Siedlung mit acht weißen Häusern ist Polens erstes privates Kinderdorf. Acht Familien wohnen hier und bieten Waisen und Kindern aus zerrütteten Verhältnissen eine neue Heimat. Begründet hat es Janusz MarszaÅ‚ek Anfang der 1990er Jahre. Ganz bewusst hier in OÅ›wiÄ™cim. Er bezeichnet es als einen lebendigen Versöhnungsort.

„Das Kinderdorf würde ohne Wohltäter aus Deutschland nicht existieren“, sagt Janusz Marszalek auf Polnisch. „Wissen Sie, einmal war eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten hier und mir blieb in Erinnerung, was sie sagten. Dass nämlich nach dem Besuch in Auschwitz, einem solch schrecklichen Ort, also der Hölle auf Erden, die Visite in unserem Kinderdorf eine Hoffnung auf ein besseres Leben und eine bessere Zukunft auf Erden sei. Denn Kinder sind ein Symbol der Zukunft.“

Vom 19.04.2018 bis 22.04.2018 eröffnet das Hilfswerk seine jährliche Pfingstaktion, in diesem Jahr im Bistum Rotteburg-Stuttgart. Renovabis ist die Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa. Das Hilfswerk mit Sitz in Freising unterstützt Projekte zur Erneuerung des kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens in den ehemals kommunistischen Ländern. Im Jahr 2017 konnte Renovabis mehr als 29 Millionen Euro bewilligen und damit 691 Projekte in den osteuropäischen Partnerländern unterstützen. Seit 1993 hat das Hilfswerk in rund 23.000 Projekte seiner Partner gut 715 Millionen Euro investiert.

(pm)

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19. April 2018, 10:49