Ö²õ³Ù±ð°ù°ù±ð¾±³¦³ó: Kardinal und Theologe erläutern Papstschreiben
Heiligkeit sei nichts für eine kleine Elite, so Kardinal Schönborn im Interview mit „Kathpress“. Der Wiener Erzbischof erinnert zugleich daran, dass jede große Reform beim Einzelnen und seinem Bemühen um Heiligkeit beginne. Die großen Reformer in der Kirche seien immer die Heiligen gewesen, nicht nur die großen bekannten Gestalten, sondern vor allem die vielen Unbekannten, und zitiert aus dem Papstschreiben die Beschreibung der „Mittelschicht der Heiligkeit“.
Für Kardinal Schönborn ist das päpstliche Schreiben eine Art „Handbüchlein, wie es immer wieder geistliche Lehrer verfasst haben; sehr praktisch, lebensnah und praktikabel.“ Es handle sich um keine große theologische Abhandlung, wiewohl es auf einem „soliden theologischen Fundament“ beruhe. Jedermann könne und solle sich damit auf dem Weg zur täglichen Heiligkeit machen.
Brennstoff für Christen
Das neue Dokument würde die drei päpstlichen Schreiben („Evangelii gaudium“, „Laudato si“ und „Amoris laetitia“) ergänzen. Es sei quasi der „Brennstoff“, damit das Engagement der Christen für das Evangelium (EG), die Umwelt (LS) und die Familie (AL) kraftvoll seien und es zu keinen Ermüdungserscheinungen komme. Ausdrücklich unterstrich Schönborn auch die von Papst Franziskus in seinem Schreiben angeführten Gefahren des Gnostizismus bzw. Pelagianismus. Letztlich gehe es dabei in der einen oder anderen Weise immer um ein elitäres „Leistungschristentum“, das Gott als Buchhalter der menschlichen Leistungen sieht und in dem die meisten Menschen keinen Platz hätten, das aber gar nicht dem Christentum entspricht.
Zur Frage, ob „Gaudete et exsultate“ deshalb auch als Kritik des Papstes an verschiedenen Kräften innerhalb der Kirche zu verstehen sei, die mit dem Kurs des Papstes nicht einverstanden sind, meinte Schönborn: „Dieses Schreiben dient sicher auch der Gewissenserforschung. Jeder soll es lesen und sich fragen, ob der Papst damit auch mich meint.“
Mit Lumen Gentium verbunden
Mit der Titelwahl – „Über den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute“ - schließe Franziskus nicht nur an entsprechende Aussagen des Konzilsdokuments „Lumen Gentium“ (Kap. 5), sondern auch an das berühmte Schreiben „Gaudium et spes“ an, welches mit „Über die Kirche in der Welt von heute“ überschrieben ist, erläutert der Wiener Dogmatiker Tück im Gespräch mit „Kathpress“. Damit verbinde Franziskus die Absage an elitäre Spiritualitätsformen mit einer wachen Aufmerksamkeit für die gesellschaftlichen Nöte der Zeit. „Es geht Franziskus nicht um eine Mystik der geschlossenen Augen, die Heiligkeit als eine Form der Weltflucht versteht, sondern es geht ihm um eine Mystik der offenen Augen, die Heiligkeit als praktische Lebensform ganz in dieser Welt auslotet“, so Tück.
„Für einen westeuropäischen Christen anstößig“, jedoch zugleich ebenfalls ganz in der Tradition der bisherigen Lehrverkündigung von Franziskus stehen laut Tück indes jene Wendungen gegen Ende des Schreibens, in denen der Papst vom Teufel in personaler Form spricht. Damit irritiere der Papst jene modernen theologischen Ansätze, die den Teufel als „mythologische Figur“ interpretieren – für ein Christentum, das „durch das Feuer der Aufklärung gegangen“ ist, sei dies „zweifellos gewöhnungs- und erläuterungsbedürftig“ - angesichts der „Dramatik des Kampfes, in der Franziskus den Menschen Tag für Tag gestellt sieht“, warne die Formulierung jedoch zugleich mit eindringlicher Kraft vor jeder Form der Unbekümmertheit gegenüber der abgründigen Realität des Bösen in der Welt, so Tück.
(kap - mg)
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