Libanon: Flüchtlingswelle und humanit?re Krise nach neuen Konflikten
Giada Aquilino und Mario Galgano - Vatikanstadt
Seit Beginn der israelischen Militäroperationen und dem anhaltenden Raketenbeschuss durch die Hisbollah hat sich die Lage im Libanon dramatisch zugespitzt. Mindestens 1,2 Millionen Menschen wurden laut UNO innerhalb von drei Wochen aus den südlichen und östlichen Landesteilen vertrieben. Die humanitäre Krise trifft ein Land, das bereits von zahlreichen Katastrophen schwer gezeichnet ist: dem Bürgerkrieg von 2006, der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut 2020 und einer langanhaltenden Wirtschaftskrise.
Luca Ricciardi, Leiter der Nahost-Programme des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (JRS), beobachtet die Situation von Beirut aus und spricht von einer greifbaren Angst unter den Vertriebenen und Migranten. ?Es bleibt die Hoffnung, dass die Kämpfe bald enden, aber viele Dörfer im Süden sind durch die Angriffe so stark zerstört, dass sie auf absehbare Zeit unbewohnbar bleiben werden“, sagt Ricciardi. Die Unsicherheit, wohin die Menschen zurückkehren können, ist groß, was zu einer zunehmenden Fluchtbewegung in Richtung Beirut und den Norden des Landes führt.
Keine andere Wahl
Die Mehrheit der Vertriebenen sind Libanesen, zumeist Schiiten, die aus den derzeit betroffenen Gebieten fliehen. Viele syrische Flüchtlinge, die seit Jahren im Libanon leben, haben ebenfalls keine andere Wahl, als innerhalb des Landes umzusiedeln oder sogar in ihre unsichere Heimat zurückzukehren, trotz der anhaltenden Kriegssituation in Syrien. Der Libanon beherbergt derzeit zwischen 1,5 und 2 Millionen syrische Flüchtlinge, deren Zukunft immer unsicherer wird.
Die Lage an der Grenze zu Syrien hat sich in den letzten Stunden weiter verschlechtert, nachdem der wichtige Grenzübergang zwischen Baalbek und Damaskus bombardiert wurde. Damit ist die Fluchtmöglichkeit auf dem Landweg abgeschnitten, was die Situation für Menschen, die versuchen, dem Konflikt zu entkommen, noch gefährlicher macht.
In den am stärksten betroffenen Gebieten im Libanon, wo Teile der Bevölkerung trotz der Gefahr geblieben sind, bleibt die Versorgung mit grundlegenden Dienstleistungen, einschließlich Gesundheitsversorgung, eine Herausforderung. ?Die libanesische Regierung, das Rote Kreuz und internationale Organisationen bemühen sich, den Zugang zu diesen Gebieten aufrechtzuerhalten, aber die Bedingungen sind extrem schwierig“, berichtet Ricciardi. Auch in Beirut selbst, vor allem entlang der Uferpromenade und auf dem zentralen Platz, kampieren immer noch zahlreiche Menschen, die keine Unterkunft finden. Die rund 800 Notunterkünfte im Land sind inzwischen überfüllt, und viele Familien müssen bei Verwandten Unterschlupf suchen.
Zusammenhalt und Solidarität
Trotz der katastrophalen Lage gibt es Anzeichen von Zusammenhalt und Solidarität in der Gesellschaft. Viele kleine Freiwilligen-Initiativen unterstützen die Betroffenen mit Matratzen und Lebensmitteln. Die Reaktion der Regierung und internationaler Organisationen, einschließlich des JRS, konzentriert sich darauf, den Menschen in Notunterkünften mit dem Nötigsten zu helfen. Doch die Herausforderungen sind enorm, vor allem für die Migranten, die ohne Möglichkeit einer Rückkehr im Land festsitzen.
Besonders betroffen sind Arbeitsmigranten aus Ländern wie den Philippinen, Sri Lanka, Äthiopien und dem Sudan, die als Hausangestellte im Libanon arbeiten. Der JRS unterhält in Beirut und nördlich davon zwei Unterkünfte für diese Migranten und bietet derzeit etwa 100 Menschen Schutz. ?Unsere Arbeit im Libanon reicht über 50 Jahre zurück, was eine starke Bindung zu diesen Gemeinschaften geschaffen hat. In der Krise hat sich unser Büro zu einer wichtigen Anlaufstelle für viele entwickelt“, erklärt Ricciardi.
Während die internationalen Bemühungen zunehmen, bleibt die Lage im Libanon fragil. Die Unsicherheit darüber, wann und ob die Vertriebenen in ihre zerstörten Dörfer zurückkehren können, lässt die Zukunft vieler Menschen in einem Land der ständigen Krisen ungewiss erscheinen. Die humanitäre Hilfe und der Schutz der Schwächsten bleiben eine dringende Priorität, während die Gefahr einer weiteren Eskalation des Konflikts droht.
(vatican news)
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