Bangladesch: Sorgen über Lage der Christen
?Die Situation in Bangladesch ist sehr heikel. Im Allgemeinen leben die Christen friedlich, aber es hat Fälle gegeben, in denen sie von ihren Nachbarn misshandelt und schikaniert wurden“. Dies sagte Erzbischof Kevin Randall, Apostolischer Nuntius in Bangladesch seit 2023, im Interview mit dem vatikanischen Info-Dienst Fides, das wir hier dokumentieren.
Wie ist die Lage in Bangladesch nach den Protesten und sozialen Spannungen?
Die Lage in Bangladesch ist sehr heikel. Angesichts der Übergangsregierung fragen sich viele, wann es Wahlen geben wird. Andere wollen die Verfassung neu schreiben. Wieder andere sagen, dass eine Interimsregierung nicht die Befugnis hat, die Verfassung umzuschreiben. In der Zwischenzeit beherrscht die Gewalt des Mobs das Land, und die Rechtsstaatlichkeit ist eingeschränkt.
Wie erleben die christlichen Gemeinschaften diesen historischen Moment?
Im Allgemeinen leben die Christen friedlich, aber es hat Fälle gegeben, in denen sie von ihren Nachbarn misshandelt und schikaniert wurden. Die Polizei ist machtlos. Nachdem Sheik Hasina das Land verlassen hatte, bekamen viele Beamte Angst und versteckten sich. Sie legten ihre Uniformen ab, um Zivilkleidung zu tragen, und gingen nicht mehr zur Arbeit.
Haben die christlichen Gemeinschaften besondere Erwartungen oder Gefühle im Vergleich zur übrigen Bevölkerung?
Ja, die christliche Gemeinschaft hofft, dass die Übergangsregierung die Minderheiten in dieser Übergangszeit schützen wird. Die Dörfer der Christen sind bedroht, weil es Leute gibt, die ihr Land an sich reißen wollen, auch wenn sie der eigenen ethnischen Gruppe angehören. Viele Bürger, ob Christen, Buddhisten oder Hindus, werden als unerwünschte Personen behandelt, ?als ob sie Ausländer wären“, auch wenn sie es nicht sind. Die Verfassung erklärt Bangladesch zu einem säkularen Staat mit einer offiziellen Religion: dem Islam. Aber es gibt Leute, die den Ausdruck ?offizielle Staatsreligion“ mit der Vorstellung verwechseln, dass ?Minderheiten hier nicht hingehören“ und dass dies ?ein islamischer Staat“ sei.
Während des Treffens mit Muhammad Yunus, dem Chefberater der Übergangsregierung, wurde die Notwendigkeit des ?Schutzes“ von Minderheiten angesprochen. Woher kommt diese Sorge?
Nach der Volkszählung von 2022 machen die Christen in Bangladesch 0,30 % (etwa 500.000 Gläubige) der Bevölkerung aus. Es hat Fälle von Drohungen gegen Dörfer, Häuser und vor allem Schulen gegeben. In vielen katholischen Schulen gab es Einschüchterungsversuche, bei denen mehreren Lehrern der Rauswurf drohte. Einige Muslime berichteten der Schulverwaltung, dass ihre Kinder sich auf eine bestimmte Art und Weise kleiden würden, insbesondere wenn es sich um Mädchen handelte. Das Tragen der Burka verstößt jedoch gegen unsere Uniformvorschriften. Mit Dr. Yunus besprach ich Fragen, die Christen, aber auch Buddhisten und Hindus betreffen. Man darf nicht vergessen, dass die hinduistische Minderheit etwa 8 % ausmacht. Für sie wurden viele Tempel zerstört und ihre Geschäfte niedergebrannt. Dr. Yunus stimmte zu, dass alle Minderheiten geschützt werden müssen, und versucht, ein Gesetz zu schaffen, das für Ordnung sorgen kann.
Vor kurzem wurde die Einrichtung eines Gremiums für den interreligiösen Dialog zwischen dem Heiligen Stuhl und den Gelehrten des Islam in Bangladesch vorgeschlagen. Wie wurde diese Idee aufgenommen?
Die Idee eines interreligiösen Dialogs stammt nicht von mir. Das Dikasterium für den interreligiösen Dialog hat in einem Brief darum gebeten, aber schon vor Jahren, als Kardinal Jean Louis Tauran der Leiter des damaligen Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog war. Tauran selbst sprach während einer seiner Reisen hier in Bangladesch mit der ehemaligen Premierministerin Sheik Hasina darüber. Ich habe diese Idee bei Sheik Hasina wieder aufgegriffen, und vor kurzem habe ich Dr. Yunus und sein Team gebeten, konkret über diese Möglichkeit nachzudenken. Das Konzept wurde gut aufgenommen, aber ich glaube, sie haben andere Sorgen.
Gibt es bereits konkrete Schritte in dieser Hinsicht für dieses Projekt?
Nein, aber man kann sie vorschlagen. Wir können sie nicht erzwingen. Anders als in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo Papst Franziskus das Dokument über Brüderlichkeit unterzeichnet hat, oder in Indonesien, wo derselbe Papst ein neues Dokument über Toleranz unterzeichnet hat, in dem er den ?Tunnel der Freundschaft“ lobt, der die Kathedrale mit der Moschee in Jakarta verbindet, findet der interreligiöse Dialog in Bangladesch nicht viel Unterstützung, selbst wenn er auf der Ebene akademischer Diskussionen praktiziert wird.
In Bezug auf die humanitäre Hilfe für die Rohingya-Flüchtlinge bat der Chefberater um die Unterstützung des Vatikans. Wie kann diese Bitte berücksichtigt werden?
Der Chefberater hat nicht um die Hilfe des Heiligen Stuhls gebeten, wie in verschiedenen Medien berichtet wurde. Er bat um die Unterstützung des Heiligen Stuhls bei den Reformen, die er und sein Team durchführen, aber nicht um finanzielle Hilfe, auch nicht für die Rohingya. Ich war es, der den Chefberater im Namen des Papstes bat, den Rohingya weiterhin zu helfen und sie zu schützen. Ich erklärte, dass die Caritas-Organisation der katholischen Kirche den Vertriebenen seit 2017 kontinuierlich hilft, dass aber die Mittel schwinden. Bevor ich nach Bangladesch abreiste, bat mich Papst Franziskus, die Rohingya nicht zu vergessen. Diese Migranten erlebten Gewalt in ihrem eigenen Land und kamen hierher, um Hilfe zu erbitten. Doch leider werden die Rohingya von den Burmesen als eine ethnische und religiöse Gruppe angesehen, die zu ?diesem Land“, Bangladesch, gehört. Kardinal Patrick D'Rozario und ich haben ihnen einen offiziellen Besuch abgestattet. Die Lebensbedingungen sind sehr schwierig. Kinder und Jugendliche erhalten keine Bildung. Außerdem müssen laut Gesetz 25 Prozent unserer Hilfe an die lokale Bevölkerung gehen. Ich freue mich, ankündigen zu können, dass der Papst weitere finanzielle Hilfe schickt. Diese Geste von ihm wird vielen helfen.
(fides – mo)
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