WFP warnt: Sudan vor dem Kollaps
Brigitte Schmitt - Rom
Seit Mitte April vergangenen Jahres sind erneut Konflikte zwischen dem herrschenden Militär und der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF) ausgebrochen. Seither steigt die Zahl der Toten und Binnenflüchtlinge. Das Uno-Hilfswerk WFP rechnet mit 18 Millionen Hungernden in diesem Jahr. Wegen der Kämpfe ist der Einsatz der Hilfskräfte immer riskanter geworden. Das Welternährungsprogramm habe sogar schon drei seiner Mitarbeiter vor Ort verloren, berichtet Michael Dunford, Regionaldirektor für Ostafrika vom WFP.
?Seit 10 Monaten dauern die Kämpfe schon an und leider ist das Land schon an vielen Fronten kollabiert. Im Mittelpunkt steht der Machtkampf zwischen zwei starken Militäreinheiten. Das Ausmaß an Zerstörung, mit Folgen für die Infrastruktur und die Bevölkerung, ist immens. Wir schätzen, dass derzeit etwa 18 Millionen Menschen akut von Hunger bedroht sind. Alle Schulen sind geschlossen, das heißt, 19 Millionen Kinder gehen derzeit nicht zur Schule. Alle anderen Sektoren wie das Gesundheitssystem sind zusammengebrochen. In Gesundheitszentren fehlen entweder Medikamente oder Ärzte und Krankenschwestern. Jeder, der es irgendwie organisieren kann, hat das Land verlassen, denn sie sehen momentan keine Zukunft für das Land.“
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen ist das größte Hilfswerk der Welt. Es leistet Nahrungsmittelhilfe, organisiert Transport und Verteilung, auch aus der Luft, und kümmert sich um die Aufrechterhaltung der Kommunikation. Zuletzt verteilte das Uno-Hilfswerk mehr als 7.000 Tonnen Weizen, die von der krisengebeutelten Ukraine gespendet wurden. Sie werden dazu beitragen, eine Million vom Konflikt betroffene Menschen im Sudan einen Monat lang zu ernähren.
Ermöglicht wurde die Lieferung durch das deutsche Auswärtige Amt, das die anfallenden Kosten in Höhe von 15 Millionen Euro übernahm.
Mit allen reden, um Hilfe zu ermöglichen
Die Lieferung kommt zu einem kritischen Zeitpunkt, da sich die Kämpfe im Vorfeld der mageren Jahreszeit im Mai weiter ausbreiten, in der Lebensmittel in der Regel knapper werden und der Hunger zunimmt. Doch wegen der Kämpfe ist die Verteilung riskant, sagt Dunford:
?Was wir derzeit brauchen ist der humanitäre Zugang zu den Hungernden, wir müssen tiefer ins Land vordringen und dazu brauchen wir die Unterstützung aller am Konflikt beteiligten Parteien. Nur dann können wir unsere Hilfe den Notwendigkeiten anpassen, um eine Katastrophe zu vermeiden.“
Um den Zugang zu sichern, brauchen die Unterhändler Ansprechpartner. Nach Aussage von Dunford spreche das WFP mit allen, sowohl mit der Regierung (in Khartum), genauso wie mit den Rebellen der RSF. Aber er sagt auch:
?Wir müssen bedenken, dass es nicht nur diese beiden Parteien sind. Es gibt viele andere Milizgruppen, mit denen wir verhandeln. Wir sprechen mit jedem, der uns ermöglicht, Hilfe zu leisten. Doch derzeit ist die Not enorm und wir brauchen Zugang an vielen Stellen.“
Enorme Not
Insbesondere die Schwächsten leiden unter den Folgen der Kriege. Erst am ersten Fastensonntag im Februar hatte Papst Franziskus an die Kriegsparteien appelliert, die Kriegshandlungen einzustellen – nachdem er im vergangenen Jahr den benachbarten Südsudan besucht hatte. Auch Dunford fordert Verhandlungen. Denn der Konflikt weite sich aus – und eine militärische Lösung werde es nicht geben:
?Ich möchte betonen, dass es nicht nur den Sudan und die dortige Bevölkerung betrifft. Die gesamte Region ist betroffen, denn Millionen von Menschen sind auf der Flucht. Wir kalkulieren, dass etwa 6 Millionen Menschen in Sudan ihr Heim verloren haben. Etwa 1,7 Millionen sind ins Ausland geflohen. Und sie fliehen in Länder wie den Tschad oder Südsudan, die selbst auf wackligen Beinen stehen. Das bedeutet noch mehr Druck auf all diese Länder, die Flüchtlinge aufnehmen könnten. Und ich befürchte, es könnte einen Dominoeffekt auslösen.“
Die gesamte Region ist ein Pulverfass. Seit 2020 hat es 5 Militärputsche gegeben.- In Mali und Burkina Faso sogar zweimal. Verschärft wird die Lage durch die sudanesischen Flüchtlinge. Laut UN-Angaben sollen etwa 1,5 Millionen Menschen in die Zentralafrikanische Republik, den Tschad, Ägypten, Äthiopien und Südsudan geflohen sein. In der Sahara breitet sich zudem der Islamische Staat immer weiter aus. Ist der Sudan - immerhin ein muslimisches Land - ein Ziel des IS, um Unruhe zu schüren? Dunford zufolge handele es sich hier aber nicht um einen religiösen Konflikt:
?Es ist ein Konflikt zweier Gruppen, die sich um die Vorherrschaft streiten und die dabei auch bereit sind, das Land zu opfern. Ich sehe das Risiko, je länger der Konflikt andauert, desto größer ist die Gefahr, dass er sich zu einem Regionalkonflikt ausweitet und letztendlich Konsequenzen für den gesamten Kontinent haben wird.“
Gefahr eines Flächenbrandes
Selbst eine humanitäre Weltorganisation wie das WFP bleibt trotz aller Vorsicht nicht von der Gewalt verschont. Gleich zu Beginn des Konflikts habe die Hilfsorganisation drei Mitarbeiter vor Ort verloren, sagt Dunford. Sie seien von einer der Konfliktparteien ins Visier genommen worden.
Das Welternährungsprogramm ist in 120 Ländern und Gebieten präsent. Als weltweit führende humanitäre Organisation leistet das WFP Nahrungsmittelnothilfe und hilft in Koordination mit anderen Hilfswerken beim Wiederaufbau. Darüber hinaus arbeitet es an den Herausforderungen durch den Klimawandel und setzt sich ein für Frieden und Stabilität.
(vatican news)
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