Heiliges Land: Raketenalarm und leere Hotelbetten
Claudia Kaminski und Christine Seuss - Jerusalem/Vatikanstadt
Claudia Kaminski war erst vor wenigen Tagen im Heiligen Land, um einen Sack mit der KTV-Zuschauer an die Heiligen Stätten zu bringen. Der Papst hatte die Gebetsanliegen in der Generalaudienz vom 13. Dezember 2023 gesegnet. In Jerusalem nutzte unsere KTV-Kollegin die Gelegenheit, mit Father David, dem Leiter des dortigen Notre Dame Centers, über die aktuelle Situation im Heiligen Land sprechen. Als sie auf der Dachterrasse des Centers ankamen, ertönten die Sirenen. Das Interview führten sie unmittelbar danach.
?Wir haben gerade die Luftschutzsirene gehört, die wir hier in Jerusalem seit - ich glaube, dem Beginn des Krieges, seit dem 10. Oktober - nicht mehr gehört haben“, erläutert Father David. ?Sie ertönt immer dann, wenn ein Geschoss in der Nähe zu sein scheint. Die Behörden schalten die Sirene ein, was wir alle nicht erwartet haben.“
Eigentlich gibt es keine Normalität im Heiligen Land
Im Fall des Falles müssen die Menschen sich unmittelbar an den sichersten Ort in ihrer Nähe begeben, in diesem Fall den Keller, wo es einen Bunker gibt, so der Legionär Christi. ?Und man wartet ein paar Minuten, um zu sehen, wie die Lage ist, denn normalerweise hat man nicht viel Zeit, wenn die Sirene ertönt. Im Grunde genommen wurde auf irgendetwas geschossen - was tragisch ist. Und das rüttelt uns alle auf, denn hier in Jerusalem, mehr als an jedem anderen Ort im Heiligen Land, denke ich, scheinen die Dinge zur Normalität zurückgekehrt zu sein, obwohl es eigentlich keine Normalität im Heiligen Land gibt…“
Der Besucherstrom, den das Heilige Land sonst um diese Jahreszeit erlebt, ist aufgrund der aktuellen Situation praktisch völlig zum Erliegen gekommen, nur einige Journalisten oder Mitarbeiter von NGO’s fragten noch nach Zimmern, berichtet Father David.
?Normalerweise hätten wir um diese Zeit 250 bis 300 Gäste. Schon vor vier oder fünf Monaten kamen diese Reservierungen – es wäre einer unserer am stärksten besuchten Monate geworden, November und Anfang Dezember. Und jetzt sind etwa 15 Zimmer gebucht“, so die resignierte Bestandsaufnahme des Ordensmannes. Und dennoch sei es wichtig, geöffnet zu bleiben:
?Unsere Mitarbeiter wollen arbeiten, sie wollen Dinge tun, die produktiv sind. Und das gibt ihnen eine Gelegenheit. Wir haben ein paar Restaurants und die Leute fangen an, hierher zu kommen, aber es ist immer noch ein sehr trauriges Szenario. Uns allen ist das Herz sehr schwer, auch wenn wir uns ein wenig außerhalb der Reichweite der Gewalt befinden. Wir alle fühlen mit all denjenigen, die massiv leiden. Und natürlich ist es auch ein echtes Problem, besonders für christliche Unternehmen.“
Die Menschen hier seien Kummer und Scharmützel gewöhnt, doch er habe nie gedacht, dass sich die Dinge so sehr verändern könnten, räumt der amerikanische Pater ein. Er leitet das Notre Dame Center in Jerusalem seit 2020 – unterbrochen durch eine Corona-Zwangspause….
?An Anfang der Pandemie 2020 bin ich nach Hause gefahren, 2021 wollte ich zurück, und es gab ein paar Scharmützel in Gaza, und ich konnte nicht zurück, musste zehn Tage warten. Und dann schien sich alles von selbst zu regeln. Ich glaube, letztes Jahr gab es auch ein paar Scharmützel. Es gibt hier eine Menge Unterströmungen von Geschichte und Feindseligkeit, aber normalerweise hatte sich das innerhalb von ein paar Wochen, einem Monat erledigt. Und man fühlt sich immer noch sicher.“
Doch dieses Mal sei es anders, die Einheimischen hätten große Angst, dass sich die aktuelle Gewalt zu einem größeren Krieg ausweiten und noch schlimmere Folgen zeitigen könnte, zeigt sich Father David besorgt. Einige dieser Auswirkungen seien schon jetzt zu spüren….
?Es sind viele Freundschaften zwischen Palästinensern, Israelis und Gläubigen entstanden, und viele dieser Bindungen haben begonnen, sich ein wenig zu verschlechtern, weil die Leute Angst haben.“
In dieser Situation bereite man sich nun darauf vor, Weihnachten zu feiern, ohne viele Gäste und mit der Ungewissheit der nächsten Zukunft. Gerade da sei es gut, sich auf die Botschaft des urchristlichen Festes zu besinnen, das in wenigen Tagen gefeiert wird: ?Als Jesus in diese Welt kam, wusste er, worauf er sich einlässt, und er wusste, dass seine Botschaft vielleicht nicht angenommen wird oder dass sie nicht angenommen werden wird.
Aber die Liebe besiegt alles. Und das Kind ist jemand, dem wir uns alle nahe fühlen können. Wir können uns alle mit dem Baby identifizieren. Und zu sagen, dass unser Erlöser als Kind kam, bedeutet, dass er sich um uns sorgt. Er ist bei uns. Er hat die politische Szene seiner Zeit nicht verändert. Er hat nicht alles Böse beseitigt, denn das Böse zu beseitigen, bedeutet, die Freiheit zu beseitigen. Und er hat uns so sehr geliebt, dass er unseren Missbrauch der Freiheit ertragen hat.
Mein Gebet für uns alle ist also, dass wir beten, dass wir das menschliche Leben achten. Dass wir die Würde jedes Menschen, jeder Kultur respektieren und dass wir lernen, dass unsere Entscheidungen wichtig sind. Und dass wir lernen, dass unsere Entscheidungen von Bedeutung sind. Wir müssen Entscheidungen treffen, die nicht nur dem eigenen Vorteil dienen, sondern die auf der Würde und der Liebe eines jeden Menschen beruhen, und hoffentlich persönliche Beziehungen aufbauen und Situationen verstehen, aber nicht nur auf allgemeine Weise und ohne zu polarisieren. Ich bete also dafür, dass wir im Herzen dieses kleinen Kindes einen gemeinsamen Sinn für die Würde eines jeden Menschen finden.“
(vatican news)
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