Nigerianischer Kardinal: Verantwortungslosigkeit führt zu Krisen
Nach dem Militärputsch im vergangenen Monat hatte die Afrikanische Union (AU) Niger von allen Aktivitäten ausgeschlossen und ihre Mitglieder aufgefordert, alles zu vermeiden, was die Junta legitimieren könnte. Die Besorgnis bei westlichen Verbündeten und demokratischen afrikanischen Staaten sei groß, dass islamistische Gruppen in der Sahelzone ihren Einfluss vergrößern und Russland ein Standbein gewinnen könnte.
Unterdessen haben die Machthaber in Niger am Freitag den französischen Botschafter des Landes verwiesen und ihm 48 Stunden eingeräumt, der Aufforderung nachzukommen. Allerdings spricht die französische Regierung den Machthabern das Recht ab, diplomatische Entscheidungen im Namen des Landes zu fällen - dies stehe nur einer demokratisch gewählten Regierung zu, so die Replik aus Paris in einem aufgeladenen Klima, das in zahlreichen Demonstrationen für die Putschisten, bei denen anti-französische Slogans skandiert werden seinen Ausdruck finden. Auch am Samstag hatten wieder 20.000 Demonstranten in Niamey ihre Unterstützung für die Putschisten bekundet. Meldungen, nach denen auch der deutsche und der amerikanische Botschafter zum Verlassen des Landes ausfgefordert worden seien, wurden durch die Militärmachthaber dementiert.
Am Samstagabend hatten die Putschisten die höchste Bereitschaftsstufe für das Militär ausgerufen, gleichzeitig baten die Putschisten auch Mali und Burkina Faso um militärisches Eingreifen, sollte es zu Kampfhandlungen auf dem Gebiet Nigers kommen. Die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) setzt zwar nach wie vor auf Dialog zu einer diplomatischen Lösung der Krise, hatte aber in einem Statement vom Samstag erneut ihre Bereitschaft bekräftigt, bei einem Scheitern der diplomatischen Bemühungen Truppen nach Niger zu entsenden, um die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen.
Kardinal Onaiyekan erinnert im Interview mit Radio Vatikan, dass die Kirche in Westafrika ihre Position zu einer möglichen Militärintervention sehr deutlich gemacht habe:
?Nun, es ist bekannt, dass viele Menschen in unserer westafrikanischen Region dafür plädiert haben, dass die ECOWAS-Organisation die Idee der Gewaltanwendung gegen das Regime in Niger aufgeben und stattdessen andere, gewaltfreie Mittel zur bestmöglichen Lösung der Krise verfolgen sollte. Zu den Gruppen, die sich öffentlich in dieser Weise geäußert haben, gehören die Bischofskonferenz von Nigeria sowie die Bischofskonferenz von Westafrika. Die westafrikanische Bischofskonferenz hat ebenfalls eine deutliche Erklärung abgegeben. Aus der Sicht der katholischen Kirche ist unsere Position klar: Kein Krieg, kein Töten. Das ist keine Lösung für das Problem der Militärputsche, und das ist sicherlich auch meine eigene starke Position.“
Die Flüchtlingssituation in Nigeria
Insgesamt ist die Situation in Westafrika besorgniserregend, Beobachter befürchten, dass die Vorkommnisse in Niger zu einer totalen Destabilisierung der gesamten Sahel-Zone führen könnten. Auch in Nigers Nachbarland Nigeria herrschen prekäre Zustände. Über die Flüchtlingssituation in seinem Heimatland sagte Kardinal Onaiyekan: ?Es gibt einen konstanten Strom von Menschen, die unser Land Nigeria verlassen, durch die Wüste, in Richtung Europa. Frauen und Kinder, aber hauptsächlich junge Männer und junge Frauen. Wir hören jeden Tag von Schiffswracks im Mittelmeer und den schwierigen Situationen der Migranten. Wir versuchen unser Bestes, unseren Leuten von diesen gefährlichen Reisen abzuraten, aber unglücklicherweise sind wir nicht erfolgreich damit.“
Es seien vor allem junge Leute, die die Lage im Land für inakzeptabel halten. Der Kardinal machte auch auf die Binnenflüchtlinge aufmerksam, die nicht nicht Europa reisen:
?Diese Menschen brauchen Aufmerksamkeit, aber vielleicht bekommen sie nicht so viel Aufmerksamkeit, weil ihre Tragödie keinen internationalen Aspekt hat. Im Kern geht es bei diesem Phänomen um dasselbe Problem: Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden und in prekären und tödlichen Situationen leben.“
Als Grund für den großen Migrationsstrom sieht Kardinal Onaiyekan die ?schlechte Regierung“: ?Wenn die Regierung ihre Arbeit nicht gut macht, wenn die meisten Vertreibungen entweder durch interne und externe gewaltsame Kämpfe, kleine Kriege oder manchmal durch die Aktivitäten von Terroristen verursacht werden, die Menschen töten und ihre Häuser unsicher machen, dann geschieht dies, weil die Regierung, die die Sicherheit von Leben und Eigentum gewährleisten sollte, ihre Arbeit nicht gut ausführt. Gesetze werden nicht eingehalten und es gibt viel Straflosigkeit. Diejenigen, die dafür sorgen sollten, dass die Menschen sicher sind, sind damit beschäftigt, sich selbst zu bereichern. Das ist das Grundproblem.“
Christen leiden nur teilweise unter religiöser Verfolgung
Zur Lage der Christen in Nigeria erklärte er, dass die Ursache für deren schlechte Lage nicht unbedingt in religiöser Verfolgung liegen müsse. Oft seien Muslime nicht besser dran. Es sei zwar teilweise wahr, dass Muslime in vielen Teilen Nigerias bessere Chancen hätten, allerdings sei das grundlegende Problem der allgemein schlechte Zustand des Landes.
?Es ist nicht so, dass die Muslime in Nigeria ein wunderbares Leben führen. Dass es ihnen sehr gut geht; Ihre Kinder gute Jobs beommen, während die Christen am Rande stehen. Nein, das ist nicht wahr. Es gibt Christen, die auch in den Korridoren der Macht sitzen und zu den Machthabern unseres Landes gehören. Leider sind die meisten von ihnen nur dem Namen nach Christen. Meiner Meinung nach brauchen wir das Thema, das Leiden der Christen, nicht zu übertreiben, denn auch andere Menschen leiden,“ so Kardinal John Onaiyekan, emeritierter Erzbischof von Abuja, Nigeria. Er fügte hinzu:
?Wir sollten vielmehr die Tatsache betonen, dass jeder tun sollte, was er kann, um unsere Nation zu einem besseren Ort zu machen, und dass christliche Führer, Regierende und Politiker ein doppeltes Mandat und eine doppelte Verantwortung haben, die Lebenssituation in unserer Nation zu verbessern.“
Der Kardinal ging auch auf die Reaktion der Internationalen Staatengemeinschaft auf die Lage in Nigeria ein. Obwohl man die schlechten Dinge erkenne, die dort passieren, würden weiterhin Geschäfte mit dem Land gemacht. Dabei könne mehr Gewinn entstehen, wenn man Nigeria helfen würde, zu einem besseren Land zu werden.
(vatican news und agenturen – md)
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