NGO unterstützt irakische Christen bei der Rückkehr in die Heimat
Jérôme Raymond und Christine Seuss - Vatikanstadt
Seit 2014, als der selbst ernannte Islamische Staat mit dem Ziel anrückte, einen totalitären konfessionellen Staat auf dem Gebiet des Irak und Syriens zu gründen, hatten Christen in den betroffenen Gegenden ein hartes Los. Nicht nur wurden sie drangsaliert und zur Zahlung von Schutzgeld gezwungen, sondern teils auch gezielt zur Abschreckung auf öffentlichen Plätzen gedemütigt, gekreuzigt oder enthauptet. Viele suchten ihr Heil in der Flucht, während ihre Häuser geplündert und zerstört wurden.
Christen die Rückkehr ermöglichen
Die NGO Open Doors ist in 70 Ländern tätig und hilft den Menschen, die aufgrund ihres Glaubens am stärksten verfolgt werden. Sie war bereits vor den islamistischen Ausschreitungen im Irak tätig, als Christen schon mehr oder weniger offen diskriminiert und als ?Bürger zweiter Klasse“ betrachtet wurden, erklärt Guillaume Guennec, Advocacy Officer bei Open Doors. Heute hilft die NGO den Christen bei der Rückkehr in ihre Heimatländer.
?Diese Initiative entspricht dem, was das Herzstück unserer NGO ist: verfolgte Christen zu unterstützen, ihnen zu helfen, in ihrem Land zu bleiben, Salz und Licht zu sein und nach ihren Überzeugungen zu leben“, erklärt Guennec im Gespräch mit Pope.
?Unsere Aktionen sind in erster Linie Nothilfeaktionen angesichts dessen, was mit dem Islamischen Staat passierte. Wir verteilten über die örtlichen Kirchen Lebensmittelnothilfe.“
Von der Nothilfe zur langfristigen Unterstützung
Doch angesichts der verwaisten örtlichen Gemeinden hätte man langfristigere Planungen angestellt: ?Wir sagten uns, dass wir ihnen die Rückkehr in ihre Heimat ermöglichen müssten, in ihre Dörfer, in die Ninive-Ebene, wo sie aufgewachsen waren, wo ihre Familien seit Generationen lebten. Wir begannen damit, Mittel bereitzustellen, um ihre Häuser wieder aufzubauen, sie zu reparieren und neu einzurichten. Außerdem brauchten sie eine Existenzgrundlage und mussten das Wirtschaftsleben im Dorf wieder in Gang bringen. Sie mussten sich auch sicher fühlen, während einige befürchteten, dass ein neuer Islamischer Staat entstehen könnte oder dass sie von ihren Nachbarn verfolgt oder diskriminiert werden könnten.“
Materielle und immaterielle Hilfe
Insbesondere die Ninive-Ebene war vor dem Einfall des Islamischen Staates von Christen bevölkert, die trotz unleugbarer Reibereien wertvolle Beiträge für die gesamte Bevölkerung leisteten. Immer wieder wurde auch das friedliche Zusammenleben mit den anderen Konfessionen hervorgehoben – eine Situation, die mit dem Einmarsch der islamischen Fundamentalisten ein jähes Ende fand, Nachbar erhob sich gegen Nachbar, die Christen wurden durch die erlebten Übergriffe ?in ihrem Innersten zerstört“, wie es Guennec ausdrückt:
?Ihr erstes Problem ist die Bewältigung dieser Traumata. Wenn man zurückkehrt, muss man feststellen, dass das Haus zerstört ist und möglicherweise geplündert wurde. Es gibt auch die Angst, sich wieder in eine verwundbare Position zu begeben, falls eine neue extremistische Gruppe auftauchen sollte. Es gibt auch die wirtschaftliche Unsicherheit, sie müssen wieder Arbeit finden. Das ist sehr kompliziert geworden, weil es nicht unbedingt mehr Läden gibt, keine Infrastruktur, keinen Zugang zu Elektrizität... All das lässt die Menschen zögern, zurückzukehren. Meiner Meinung nach ist der Schlüsselpunkt, ob sie noch an eine Zukunft für sich im Land glauben. Wenn sie davon überzeugt sind, dass sie ihren Kindern eine Zukunft bieten können, dann werden sie zurückkehren.“
Genau dafür setzt sich die NGO ein, baut Häuser wieder auf, unterstützt die Menschen bei der Rückkehr und dabei, sich auch wieder selbst ernähren zu können. Dazu dienen unter anderem Mikrokredite. Am Ende profitieren alle davon: ?Es ist ein Sieg, wenn man nach Hause zurückkehren kann. Das haben wir bei den Gottesdiensten gesehen, als die Kirchen wieder aufgebaut wurden. Das sind Momente, in denen sie den Gemeinschaftsgeist wiederfinden können. Ein Dorf ist mehr als eine Ansammlung von Gebäuden, es ist eine Gemeinschaft, zu der man gehört.“
Eklatante Botschaft der Unsicherheit
Doch die Harmonie ist fragil, zu tief sitzt trotz der Dankbarkeit bei den Zurückgekehrten die Angst, es sei noch nicht wirklich alles vorbei…. ?Manchmal ist es etwas, an das sie auf recht eindrucksvolle Weise erinnert werden. Vor zwei oder drei Jahren feuerten schiitische Milizen vor einer Kirche in Bartella Schüsse ab, die zwar niemanden verletzten, aber eine ziemlich eklatante Botschaft der Unsicherheit vermittelten. Die Christen möchten vollwertige Bürger sein, fühlen sich aber nach wie vor als Bürger zweiter Klasse wahrgenommen. Für diejenigen, die es geschafft haben, sich wieder anzusiedeln, die von unseren Mikrokrediten profitiert haben, um wieder eine Arbeit zu finden, gibt es Freude und Hoffnung, nach Hause zurückzukehren. Die Christen behalten die Hoffnung und das ist auch der Grund, warum sie zurückkehren.“
Keine Bürger zweiter Klasse
Die Christen im Irak wünschten sich in erster Linie Gleichheit, wollten als Bürger mit gleichen Rechten und Pflichten betrachtet werden und nicht als Minderheiten, betont der Open-Doors-Vertreter. ?Ihr zweiter Wunsch ist ein Leben in Würde. Das bedeutet, in ihre Häuser zurückkehren zu können, Zugang zu lebensnotwendigen Gütern, einer guten Infrastruktur, Beschäftigungsmöglichkeiten und Bildung für die Kinder zu haben. Ihre dritte Forderung besteht darin, am Wiederaufbau und an der Zukunft ihres eigenen Landes mitwirken zu können. Christen wollen einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben, sie wollen ihre Stadt ,segnen‘.“
(vatican news)
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