Karwoche in Guatemala: Eine Feier im Herzen der Gesellschaft
Patricia Ynestroza und Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Praktisch alle sind eingebunden, erzählt der Botschafter Guatemalas beim Heiligen Stuhl, Alfredo Vásquez, im Interview von Radio Vatikan. Und zwar schon lange vorher: Karwochen-Kutten aufbügeln, Musikstücke proben, Häuser schmücken, Oster-Leckereien kochen, Blütenblätter zupfen, Blumenteppiche legen, Podeste, Altäre und Christus- wie Madonnenbilder startklar machen, Weihrauch bereitlegen. In der Karwoche selbst – der Semana Santa, “Heilige Woche” - gibt es tagsüber und abends Prozessionen, die über die Blumenteppiche führen, auf ihren Schultern tragen die Gläubigen die Altäre.
In Erinnerung an Jesus, der die Schuld der Menschen auf sich nahm und am Kreuz starb, sind auch Buße und Stille wichtige Bestandteile der Feiern. Manche Gläubige tragen die schweren Altäre barfuß, andere nehmen an den Prozessionen kniend teil oder mit Fesseln und Ketten an den Füßen, um sich die Schmerzen Jesu zu vergegenwärtigen. Kurz: Über dem Land liegt in der Karwoche eine einzigartige Atmosphäre.
Die ersten Karwochen-Prozessionen fanden im 16. Jahrhundert unter den Spaniern statt, erklärt der Botschafter. Damals verband sich in diesen Feiern der christliche Glaube an den Tod und die Auferstehung Jesu mit vorspanischen Bräuchen der Mayas – es entstanden neue Ausdrucksformen der religiösen Kunst, neue Musik und neue Rituale, so der guatemaltekische UNESCO-Delegierte Mario Maldonado.
?Die Karwochen-Feiern sind ein Spiegelbild unserer Identität, des Gefühls der Zugehörigkeit, der Verwurzelung, der Form, in der der soziale Zusammenhalt entsteht. Alle kulturellen Gruppen des Landes sind beteiligt, auch weil dabei ihre je eigenen Ausdrucksformen zum Tragen kommen, wie zum Beispiel bei den speziellen Gerichten, deren Rezepte durch mündliche Überlieferung weitergegeben werden".
25 verschiedene Kulturen sind in Guatemala präsent, die meisten von ihnen Maya-Kulturen. Historisch haben die Karwochen-Feiern in Guatemala eine enorme gesellschaftliche Kraft entfaltet, sie halfen, Spaltungen, Konflikte und Reibungen zwischen den verschiedenen Schichten zu überwinden.
Cofradías und Hermandades
Organisiert werden die Karwochen-Feiern von Cofradías und Hermandades, also: Bruderschaften und Schwesternschaften, die aus den verschiedenen Ständen der Gesellschaft Guatemalas hervorgegangen sind. Sie sind für die Anbetung oder Verehrung und Pflege der Bilder zuständig. Die überwiegende Mehrheit besteht entweder nur aus Frauen oder nur aus Männern, nur selten sind sie gemischt. Diese Gruppen treffen sich das ganze Jahr über, haben einen Vorstand, bereiten sich spirituell vor, werden geschult und kümmern sich um alle Instrumente oder Symbole, die während der Prozession zu sehen sind: das Hochkreuz, die Leuchter, all das liegt in der Verantwortung der Bruder- und Schwesterschaften.
So wie die ?Semana Santa“ selbst sind auch die sie organisierenden Gruppen im 16. Jahrhundert entstanden und sollten die Volksfrömmigkeit unterstützen, erklärte der Botschafter. Später schlugen sie in der Kirche Wurzeln, um den Bischof bei verschiedenen karitativen Aktivitäten zu begleiten, und heute entscheiden die Bruder- und Schwesternschaften gemeinsam mit dem Bischof über die Gestaltung der jeweiligen Prozessionen.
An einer Prozession nehmen im Schnitt an die 17.000 Menschen teil, so der Botschafter. Einzelne Bilder würden auch von 140 Männern getragen – Vásquez selbst hat sich daran beteiligt und erzählt, dass man als Träger das Bild selbst nicht sieht, aber gleichsam gespiegelt bekommt. ?Die Gesichter der Menschen in den Straßen, Gesichter der Freude, der Traurigkeit, der Feierlichkeit, geben dem Träger die Botschaft, was sie fühlen, wenn sie das Bild sehen, das man auf den Schultern trägt.“
(vatican news – gs)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, k?nnen Sie hier unseren Newsletter bestellen.