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Prof. Thomas Schwartz, Hauptgesch?ftsführer von Renovabis, dem Osteuropa-Hilfswerk der Katholischen Kirche in Deutschland Prof. Thomas Schwartz, Hauptgesch?ftsführer von Renovabis, dem Osteuropa-Hilfswerk der Katholischen Kirche in Deutschland 

Albanien/Kosovo: ?Es geht nicht darum, Emigration zu verhindern“

In den Westbalkan-L?ndern Albanien und Kosovo denken die meisten jungen Menschen ans Auswandern. Das ist auch deshalb ein Drama, weil die Massenemigration die Entwicklung der beiden durchaus ehrgeizigen L?nder bremst. Das katholische Hilfswerk Renovabis er?ffnet jungen Menschen dort Bleibe-Perspektiven und hat dies zum Thema seiner diesj?hrigen Pfingstaktion gemacht.

Wir sprachen bei einer Pressereise durch Albanien und Kosovo mit dem Hauptgeschäftsführer von Renovabis, Thomas Schwartz.

In Albanien, im Kosovo, wandern junge Menschen in Scharen aus, suchen ihr Glück, ihre Zukunft in Westeuropa. Was tut Renovabis, um diesen Braindrain abzumildern?

Thomas Schwartz: Wir haben ein großes Interesse daran, dass sich die Bevölkerung hier eine Zukunft aufbauen kann und tun all das, was dazu hilft: Bildungsprogramme, Hilfen für Ausbildung von jungen Menschen, die Gewährleistung der Möglichkeiten, auch ein Start up zu gründen, ein eigenes Unternehmen aufzubauen. All das, was Kirchen, unsere Projektpartner in diesen Ländern des Westbalkans unternehmen, um dort den Menschen die Möglichkeit zu geben, aus Freiheit, aus freien Stücken auch sich für das Hierbleiben zu entscheiden, das unterstützt Renovabis.

Hier zum Hören:

Wenn man hier so durch die Länder fährt und mit jungen Leuten spricht, scheint es ein Kampf gegen Windmühlen. Fast alle, abgesehen von einigen jungen Unternehmern, die es geschafft haben, hier zu gründen, fast alle Schüler und Schülerinnen, die wir fragen, sagen: Ich gehe weg, ich gehe studieren nach Deutschland oder arbeiten nach Italien. Welche Effekte sehen Sie von dieser Arbeit?

Thomas Schwartz: Wir sind nicht in der Weise erfolgs- oder outputorientiert, wie das manche Wirtschaftsunternehmen sein müssen. Aber wir sind der Meinung, dass dort, wo die Möglichkeiten gesetzt werden, dass die Menschen in Freiheit entscheiden können, ob sie da bleiben oder ob sie gehen. Dass das dem entspricht, was Arbeit an der Würde und für die Würde des Menschen ist. Es geht nicht darum, Immigration oder Emigration zu verhindern. Das ist ein Menschenrecht. Es geht nur darum, die Gründe für Emigrationsprozesse so zu gestalten, dass sie nicht aus purer Not und Perspektivlosigkeit geschehen, sondern weil Menschen einfach ihre Zukunft woanders gestalten möchten.

?Emigration ist ein Menschenrecht“

Sie haben das Stichwort ?Emigration ist ein Menschenrecht“ genannt. Nun ist beim Heiligen Stuhl immer mehr zu hören, dass es auch ein Menschenrecht sein müsste, bleiben zu können, statt gehen zu müssen. Wie sieht denn ein Hilfswerk wie Renovabis, das sehr viel Erfahrung mit Arbeitsmigration in Osteuropa hat, diese Strategie?

Thomas Schwartz: Ich glaube nicht, dass der Heilige Stuhl und auch der Heilige Vater naiv sind, wenn sie solche Forderungen aufstellen. Ich glaube eher, dass sie deutlich machen wollen, dass die Menschen in der Tat nicht nur das Recht zu gehen haben sollten, sondern dass alle Verantwortlichen in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, auch im Justizsystem dafür arbeiten müssen, dass die Menschen auch das Recht zum Dableiben wirklich erfüllen können und leben können.

Auf dem Weg in die EU

Wie sehen Sie einen möglichen EU-Beitritt von Albanien? Beim Kosovo wird es ja noch länger dauern, aber Albanien könnte sich mittelfristig ergeben. Wären dadurch die Anreize für junge Menschen wegzugehen, nicht noch viel größer als jetzt?

Thomas Schwartz: Wahrscheinlich würden auch auf kurze Sicht einige Menschen leichter emigrieren. Aber andererseits geht es - und das haben wir ja auch auf dieser Reise erfahren - sehr viel auch darum, Strukturen aufzubauen, die es ermöglichen, tatsächlich rechtssicher seine Zukunft aufbauen zu können. Und da ist das Projekt der Europäischen Union, die ja für Rechtssicherheit, für Gewaltenteilung, für Antikorruption steht, schon auch eine Möglichkeit, in den Ländern, in denen aus denen viele Menschen im Moment einfach aus Perspektivlosigkeit weggehen, Möglichkeiten zu schaffen, die ihnen Mut machen zum Bleiben.

In Albanien lässt sich gut urlauben - Tourismus ist ein wachsender Wirtschaftszweig
In Albanien lässt sich gut urlauben - Tourismus ist ein wachsender Wirtschaftszweig

Arbeitsmigrations den Herkunftsländern abgelten?

Renovabis hat vor einigen Monaten einen Aufruf zum Thema Arbeitsmigration veröffentlicht, den Münchner Appell. Dort wird unter anderem vorgeschlagen, für die Herkunftsländer von Arbeitsmigranten einen ?fairen Ausgleich“ zu leisten. Wenn eine junge Ärztin, ein junger Handwerker oder eine Pflegekraft etwa nach Deutschland kommt, dann hinterlässt er oder sie eine Lücke im Heimatland. Ein sozialer und materielle Ausgleich dafür: Welche Debatten hat dieser Vorstoß ausgelöst?

Thomas Schwartz: Leider noch zu wenige. Aber wir können uns nicht an dieser Situation festhalten. Wir müssen darauf hinweisen, dass wenn junge oder gut qualifizierte Menschen zu uns ausreisen, die Gesellschaft dort vor Ort, von wo sie weggehen, auch Verluste einfährt. Es wird in die Erziehung, in die Ausbildung, in eine gute Berufsausbildung investiert, und zwar nicht von uns, sondern von den dortigen Gesellschaften. Sie verarmen dann zusätzlich und haben keine Möglichkeit, das auszugleichen, weil die Menschen, die ein Bruttoinlandsprodukt herstellen können, gar nicht mehr da sind. Und das Geld, das sie in die Heimatländer zurückschicken, reicht nicht aus, um die die Lücken auch der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung auszugleichen. Und da müssen wir einfach auch unsere politischen Verantwortlichen in die Pflicht nehmen, den jeweiligen Ländern zu helfen, sich selber dann weiter entwickeln zu können. Das ist eine Frage der internationalen Gerechtigkeit.

?Sie fehlen. Immer. Irgendwo. Arbeitsmigration aus Osteuropa" ist das Leitwort der . Sie wird vom 10. bis 14. Mai im Bistum Hildesheim mit Veranstaltungen und Gästen aus Albanien, Kosovo, Kroatien, Serbien und Rumänien eröffnet.

(vatican news – gs)

 

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18. April 2023, 12:58